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# taz.de -- Ausstellung im Martin-Gropius-Bau: Das Klima lokalisieren
> In der eben beendeten Ausstellung „Down to Earth“ inszenierte Joulia
> Strauss indigenes Wissen als Schlüssel zu einer neuen Beziehung zur Erde.
Bild: Joulia Strauss mit ihrer Berliner Lyra, angefertigt ohne den traditionell…
Berlin taz | „Europa ist der Ort, den die EU nicht kennt.“ Joulia Strauss
sitzt auf einer gigantischen Schlange aus gemusterten Stoffen und spricht
von ihrem eigenen Volk, den Mari. Die Mari leben in den Wäldern am
östlichen Teil des europäischen Russlands, wo sie ihre Kultur und ihre
Götter gegen die Monotheisierung verteidigt haben.
Im Gropius-Bau redet Joulia Strauss als Indigene über indigene Kosmologien.
Sie zündet ein Räucherstäbchen an. Es ist ein 30-tägiges Ritual, das an
diejenigen Menschen erinnert, die an den Frontlinien der Klimakrise
gestorben sind, im Kampf um ihre Mitwelt. In die Schlange sind sieben
kleine Altäre eingelassen, in denen kunstvolle Papierfiguren aufgestellt
sind.
Joulia Strauss zeigt sie den Besucher*innen, die der Transindigenous
Assembly beiwohnen. Sie nimmt sie auf eine Reise mit, erzählt von den
Menschen in den Altären und ihren Kämpfen. Von Peru nach Indien und
Australien, wo auf den Tiwi-Inseln die Sistergirls leben, indigene
Transfrauen, die sich den patriarchalen Strukturen ihrer Communities
widersetzen. Vom indischen Assam nach Kambodscha, Russland und Kolumbien,
wo die indigene Gemeinschaft in Cauca europäische und traditionelle
Therapieansätze vereint und die Behandlung von Traumata zur politischen
Aktion macht. Dazwischen singt Joulia Strauss Lieder aus den verschiedenen
Kulturen in der Originalsprache und begleitet sich auf ihrer Berliner Lyra.
Die Veranstaltung ist Teil der Avtonomi Akadimia, die sich normalerweise im
Garten der Akadimia Platonos in Athen ereignet. Für die Ausstellung Down to
Earth ist sie zum ersten Mal nach Berlin gekommen. Sie begreift
marginalisiertes Wissen als eine Kraft der Transformation, ganz im Sinne
des Essays von Bruno Latour, der namensgebend für die Ausstellung ist.
## Bruno Latour auf den Fersen
Dabei ist Down to Earth gar keine Ausstellung, folgt man dem Programmheft.
Es ist eine Situation. Immersion lässt hier nicht nur die Barriere zwischen
Erlebenden und Erlebtem verschwimmen, sondern richtet sich in derselben
Geste gegen die Grenze zwischen Kultur und Natur.
Ein Raum wurde von Asad Raza mit unfruchtbarer Erde gefüllt, die von
„Kultivator*innen“ mithilfe von Alltagsmaterialien und Abfällen
wiederaufbereitet wird. Die Besucher*innen können ein Stück des Kunstwerks
mit nach Hause nehmen und etwas darin anbauen. Mit dem Jutebeutel voller
Erde in der Hand gehen sie in den nächsten Raum, vorbei an einem zersägten
Porsche, der sein Innenleben offenbart. An anderer Stelle schillert auf dem
Boden eine große Berliner Pfütze, von Kirsten Pieroth aus Neukölln
hierhergebracht, wo Menschen sie zu schätzen wissen.
Die Ausstellung spürt dem Terrestrischen nach, das Bruno Latour in seinem
großen Essay als Neuausrichtung der alten politischen Positionierungen zum
Globalen und zum Lokalen ausmacht. Es geht ihm darum, eine neue Beziehung
zu dem Ort herzustellen, an dem wir leben. Die Ausstellung bezieht das auf
die eigene Praxis. Alles ist unplugged, ohne Elektrizität. Am Ende des
Tages geht die Sonne unter und es wird dunkel.
26 Sep 2020
## AUTOREN
Yann Schmidt
## TAGS
Schwerpunkt Klimagerechtigkeit
Greta Thunberg
Kunst
zeitgenössische Kunst
Schwerpunkt Klimawandel
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