# taz.de -- Deutsche Corona-Reisewarnung für Wien: Wiens Traditionslokale im S… | |
> Von nirgendwo kommen so viele Touristen in Wiens traditionelle Weinlokale | |
> wie aus Deutschland. Die Reisewarnung lässt die Wirte erschaudern. | |
Bild: Die Coronareisewarnung für Wien macht der Gastronomie schwer zu schaffen | |
WIEN taz | Der Mayer am Pfarrplatz am Rande des Wiener Stadtteils Grinzing | |
ist ein Traditionsheuriger, ein Weinlokal, das von vielen Touristen als | |
Pflichttermin gebucht wird. Edle Weine werden dort in gediegener Atmosphäre | |
und zu weinerlichen Wienerliedern verabreicht, gerne begleitet von Zither | |
und Akkordeon. | |
An den spätsommerlich lauen Abenden Mitte September ist der Gastgarten gut | |
gefüllt. „Natürlich haben wir Einbrüche, aber es ist überschaubar“, sagt | |
Geschäftsführer Clemens Keller zu den bisherigen Auswirkungen der | |
Coronakrise. Die Sommersaison sei gut gelaufen. Aber „es wird ein harter | |
Herbst werden“. Der wurde durch eine überfallartig verhängte Reisewarnung | |
Deutschlands eingeläutet. | |
Die Mittwochabend vom Robert-Koch-Institut empfohlene [1][Warnung] vor | |
Reisen in die österreichische Bundeshauptstadt habe alle überrascht, sagt | |
Keller: „Aufgrund der Kurzfristigkeit.“ Ein deutsches Team, das für ein | |
größeres Buchprojekt angereist war, habe das Fotoshooting in Panik | |
abgebrochen. Jeder fünfte Besucher des hochpreisigen Lokals komme aus | |
Deutschland. „Wir spüren das natürlich, weil wir Kooperationen mit | |
Innenstadthotels wie dem Sacher und dem Bristol haben“. | |
Das Sacher hat schon vor Tagen den Abbau von 140 Beschäftigten angekündigt. | |
In den großen Ringstraßenhotels sei schon länger Kurzarbeit die Regel, | |
meint Doris Litschauer, die im Arbeitsmarktservice für Fremdenverkehr | |
zuständig ist. Im ersten Halbjahr hätten sie einen Einbruch von 70 Prozent | |
erlebt. Der Tourismus bringt Wien eine jährliche Wertschöpfung von 4 | |
Milliarden Euro. | |
## Angst um 80 Prozent der bestehenden Buchungen | |
Das Wirtschaftsforschungsinstitut Wifo schätzt die Verluste über das Jahr | |
auf 45 Prozent. Nach dem Lockdown haben 40 Prozent der Hotels gar nicht | |
mehr aufgesperrt. Noch bevor die Gerüchte über die bevorstehende | |
Reisewarnung bestätigt wurden, malte Dominic Schmid, Obmann der Fachgruppe | |
Hotellerie in der Wirtschaftskammer Wien, ein Weltuntergangsszenario: „Wird | |
Wien auf Rot gesetzt, sehe ich schwarz für die Zukunft der Wiener | |
Tourismusbetriebe.“ Er fürchtet um 80 Prozent der noch bestehenden | |
Buchungen. | |
In Wien leben 60.000 Deutsche, und Deutschland ist das wichtigste | |
Ursprungsland von Touristen. Während die fast gleichzeitig ergangene | |
dänische Reisewarnung wenig Sorgen bereitet, kommt die deutsche | |
Entscheidung für Wiens Touristik einem Dolchstoß gleich. | |
Niemand kann bestreiten, dass die Neuinfektionen in Wien in der ersten | |
Septemberhälfte ein neues Hoch erlebt haben. Mehr als 113 positiv Getestete | |
auf 100.000 Einwohner waren es im Wochenschnitt. Die gerade eingeführte | |
[2][Corona-Ampel] schnellte am Montag von Gelb auf die Warnstufe Orange. In | |
allen Geschäften und Ämtern gilt jetzt strenge Maskenpflicht. | |
Aber nicht dort stecken sich die meisten Leute an, sondern in Lokalen, | |
deren Betreiber sich nicht an die Abstandsregeln halten. Boulevardmedien | |
berichten von wilden Partys in Nachtlokalen, wo Tanz- und Sauffeste hinter | |
geschlossener Tür stattfinden und als private Veranstaltungen deklariert | |
werden. | |
## Druck auf Wiens rot-grüne Regierung | |
Mario Pulker, der in der Wirtschaftskammer Österreich den Bereich | |
Gastronomie leitet, macht aus seiner Empörung kein Geheimnis: „Nun wird die | |
gesamte Branche abgestraft wegen einiger weniger, die unfair agieren. Ich | |
appelliere eindringlich an alle Betriebe, sich an die Regeln zu halten und | |
so dazu beizutragen, die Infektionszahlen wieder zu senken.“ | |
In Wien wird in drei Wochen ein neues Stadtparlament gewählt. Und | |
Funktionäre der konservativen ÖVP lassen keine Gelegenheit aus, das | |
rot-grün regierte Wien schlechtzumachen. Die sensationalistische | |
Online-Zeitung [3][ZackZack] des ehemaligen Abgeordneten [4][Peter Pilz] | |
beruft sich auf „Insiderinfos, wonach es Druck vonseiten österreichischer | |
Amtsträger gegeben habe, nur Wien – und nicht etwa auch Innsbruck – auf die | |
Liste zu nehmen“. In der Tiroler Landeshauptstadt liegt die Infektionsrate | |
noch über der von Wien. | |
Wiens Bürgermeister Michael Ludwig sieht „keine Bösartigkeit der | |
Bundesrepublik“, schließlich basiere die Entscheidung auf nachvollziehbaren | |
Zahlen. Er wolle alles daransetzen, „dass wir von dieser Liste wieder | |
wegkommen“. | |
Clemens Keller vom Mayer am Pfarrplatz nimmt den bevorstehenden | |
Geschäftseinbruch jedenfalls sportlich: „Bei gutem Wind kann jeder segeln, | |
wir probieren’s auch ohne.“ | |
18 Sep 2020 | |
## LINKS | |
[1] /Reisewarnungen-wegen-Coronapandemie/!5714743 | |
[2] /Corona-in-Oesterreich/!5712424 | |
[3] https://zackzack.at/ | |
[4] /Peter-Pilz-im-Portraet/!5460207 | |
## AUTOREN | |
Ralf Leonhard | |
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