# taz.de -- Internationales Literaturfestival Berlin: Live und in echt | |
> Ulrich Schreiber, der umtriebige Gründer und Leiter des Festivals, wird | |
> in diesem Jahr mit noch mehr Lob überschüttet werden als in den | |
> Vorjahren. | |
Bild: Schwungvoll: Ulrich Schreiber bei der Eröffnung des ILB 2020 | |
Zur Zeit weiß noch niemand, wie hoch die Spenden, die Besucher- und | |
Klickzahlen der verschiedenen Veranstaltungsformate waren. Doch wenn am | |
heutigen Samstag mit einigen wenigen Lesungen im ehemaligen Krematorium in | |
Wedding mit dem makabren Namen Silent Green das 20. Internationale | |
Literaturfestival Berlin (ILB) zu Ende und es danach ans Zählen geht, | |
dürfte ziemlich sicher sein, dass deutlich weniger Zuschauer das Festival | |
besucht haben als in den Vorjahren. | |
Seit 2001 nahmen mehr als 2.500 AutorInnen aus mehr als 120 Ländern am ILB | |
teil. Es ist die wichtigste literarische Großveranstaltung in Deutschland | |
nach den beiden Buchmessen. Doch in diesem Jahr musste etwa die Hälfte der | |
AutorInnen per Video zugeschaltet werden. Wegen der Hygienevorschriften | |
konnten in den Veranstaltungen weit weniger als halb so viele Menschen wie | |
sonst sitzen. | |
Außerdem gab es in diesem Jahr zum ersten Mal digitale Veranstaltungen, die | |
kostenfrei zugänglich warum. Darum bat wohl auch das Festival offensiver | |
denn je um Spenden, die man sogar per Paypal überweisen konnte, oder um | |
Eintritt in den Verein der Freunde und Förderer, in dem man sich bereits | |
Mäzen nennen darf, wenn man jährlich mehr als 2.500 Euro zu spenden bereit | |
ist. | |
Und trotz alldem wird Ulrich Schreiber, der umtriebige Gründer und Leiter | |
des Festivals, in diesem Jahr mit noch mehr Lob überschüttet werden als in | |
den Vorjahren. Denn anders als viele Großveranstaltungen wie beispielsweise | |
die Frankfurter Buchmesse in diesem Oktober hat das Festival immerhin | |
stattgefunden, und zwar live und in echt. | |
## Erleichterung und Freude | |
Besonders in den lauen, den letzten Berliner Sommernächten Anfang dieser | |
Woche stand den Menschen vor und auf der Bühne, aber auch zwischen den | |
Lesungen auf den Wiesen vor dem Krematorium die Erleichterung und die | |
Freude nach sieben Monaten mehr oder minder vollständigem Rückzug ins | |
Private regelrecht ins Gesicht geschrieben. | |
„Viele Besucher*innen hier in Berlin sind dankbar, endlich wieder | |
Veranstaltungen besuchen zu können. Die Autor*innen nehmen es als | |
beglückend wahr, wieder vor Publikum auftreten zu können“, sagt Juliane | |
Thiel, Pressesprecherin des Festivals. | |
Literatur ist sowieso ein einsames Geschäft, sowohl auf Seiten derer, die | |
sie produzieren, als auch auf Seiten derer, die sie konsumieren. Wenn man | |
sich dann nicht einmal mehr ab und zu von Angesicht zu Angesicht | |
austauschen darf, fühlt man sich vollends wie ein Maulwurf, der sein Leben | |
größtenteils unter Tage fristet. Und der Austausch im Digitalen ist | |
insofern nur ein schwacher Trost, als dass man im Netz in der Regel nur | |
findet, was man sucht. | |
Zufällige Begegnungen, unerwartete Einblicke und all das Interessante, was | |
zwischen den Zeilen steht: Das erlebt man nach wie vor am besten im Hier | |
und Jetzt der guten alten analogen Welt. | |
19 Sep 2020 | |
## AUTOREN | |
Susanne Messmer | |
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