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# taz.de -- Bergetappen bei der Tour de France: Schüchterner Bergfex
> Trotz Sturzblessuren möchte ein gereifter Emanuel Buchmann die besten
> Radprofis bei der Tour de France herausfordern. In guter Form ist er.
Bild: Keine Plaudertasche, dafür umso schneller aufm Rad: Emauel Buchmann, Ber…
So eine Pandemie kann auch Vorteile bringen. Der Mund-Nasen-Schutz, den die
Tour-de-France-Fahrer gleich nach der Zielankunft über ihre schnaufenden
Gesichtsöffnungen ziehen müssen, scheint wie gemacht für [1][Emanuel
Buchmann]. Denn in seinen mittlerweile sechs Profijahren hat man den
Ravensburger Tischlersohn noch nie so lange Sätze reden hören wie jetzt
unter dem Schutz der Maske.
Aus den knappen Auskünften über den Rennverlauf und die eigenen
Befindlichkeiten – wahlweise „Die Beine waren heute gut“ oder „Die Beine
waren heute nicht so gut“ – sind mittlerweile regelrechte Analysen
geworden. „Ich bin heute deutlich zufriedener und habe mich gut gefühlt.
Wir sind nicht Vollgas gefahren und Max war durchgehend an meiner Seite,
das hatte ja bei der letzten Bergankunft auch gefehlt, dass jemand da war.
Das war ein guter Schritt heute“, sagte er nach der Bergetappe hoch zum
Mont Aigoual am Donnerstag. Buchmann nahm dabei nicht nur auf seine eigene
Form Bezug – es ging besser als noch bei der ersten Bergankunft am Dienstag
–, er bewertete auch die Arbeit des eigenen Rennstalls.
Intern habe er dies schon länger gemacht, versicherte der Chef von
Bora-hansgrohe, Ralph Denk, der taz bereits im letzten Jahr. Da hatte
Buchmann sogar deutlich stärkere Berghelfer für die nächsten Toureditionen
gefordert. Inzwischen verteilt er Lob und Tadel für die Mitarbeiter auch
öffentlich. Dass Teamkollege Max Schachmann ihn auf dem letzten Berg
begleitete, hob er daher hervor.
## Sturz vor der Tour de France
Was er nicht erwähnte, was er entweder an Wissen voraussetzte oder in
seiner üblichen Bescheidenheit eben nicht für erwähnenswert hielt, war,
dass es schon an ein mittleres Wunder grenzte, dass ausgerechnet er und
Schachmann in der Gruppe der großen Tourfavoriten über die Berge rollen.
Denn beide waren kurz vor der Tour gestürzt.
Schachmann brach sich [2][bei einem Zusammenprall mit einem Auto auf den
letzten Kilometern des Klassikermonuments Il Lombardia das Schlüsselbein].
Buchmann nahm Abschürfungen und Prellungen vom Sturz bei der
Dauphiné-Rundfahrt mit in die erste Tourwoche. Neben den Verletzungen, die
Kopf und Körper beeinträchtigten, mussten beide auch im Training
kürzertreten. Statt Feinschliff an der Form vor der Tour waren größere
Reparaturarbeiten am Arbeitsmittel Sportlerkörper angesagt.
Aber jetzt sind sie vorn mit dabei. Buchmann musste lediglich neun Sekunden
Zeitverlust bei der Jagd hoch zur Skistation Orcieres-Merlette in Kauf
nehmen, an jenem Tage, als er keinen Teamgefährten bei sich hatte, der ihm
etwas Windschatten, den letzten Energiedrink oder zumindest den letzten
Rest moralischer Unterstützung hätte geben können.
## Profiteur der Corona-Regeln
Diese neun Sekunden liegen im modifizierten Tourplan des 27-Jährigen.
Ursprünglich sollte er zwar als Schatten von Titelverteidiger Egan Bernal
über die ersten Berge fahren. So war ihm das bereits 2019 geglückt. In
diesem Jahr hatte er daran gearbeitet, in entscheidenden Momenten auch
einmal aus dem Schatten herauszutreten und angreifen zu können.
„Wir haben an Emanuels Explosivität gearbeitet“, sagte dessen Trainer Dan
Lorang der taz. Aber der Sturz kurz vor Tourstart versetzte den Ambitionen
einen Dämpfer. Dass Buchmann, im letzten Jahr Tourvierter, mit all seinen
Blessuren überhaupt in Nizza antreten konnte, war bereits enorm. Und obwohl
eine Tour de France nicht mit einem Reha-Zentrum zu vergleichen ist,
klingen die Beschwerden dennoch ab. Die gute Form, die Buchmann sich zuvor
erarbeitet hatte, scheint immer stärker durch. Auch da mag ihm die
Coronavirus-Pandemie zugute gekommen sein.
Im Gegensatz zu manchen Rivalen, die in Spanien, Kolumbien, Italien, Monaco
oder Frankreich eine Zeit lang nicht unter freiem Himmel trainieren
konnten, durfte der gebürtige Ravensburger jeden Tag raus. Und weil er
einer ist, der sich auch lieber gern allein schindet als in der Gruppe,
störten ihn die einsamen Runden nicht. Er trieb das Alleinefahren derart
auf die Spitze, dass er eine zwischenzeitliche Everesting-Bestmarke setzte.
Die 8.848 Höhenmeter des Himalayagipfels bezwang er im Training auf den
Höhenzügen rings um das Ötztal in Österreich in sieben Stunden und 28
Minuten – ein Beleg für besondere Quälqualitäten.
Den aber wohl größten Sprung machte Buchmann mental. Er strahlt jetzt die
Überzeugung aus, es aufs Podium der Tour schaffen zu können. Für ihn wird
es auch immer selbstverständlicher, sein Team als Waffe im Kampf um
Sekunden in den Anstiegen einzusetzen. Gespannt darf man deshalb auf die
beiden Pyrenäenetappen am Wochenende sein. Kann Buchmann dort mehr als nur
mithalten und sein Team jene Tempoarbeit verrichten, um genau den Rhythmus
vorzugeben, den der Leader auch braucht? Das wäre der nächste
Entwicklungsschritt.
Emanuel Buchmann, der eher schüchterne Ausdauerathlet, blickt jedenfalls
voller Vorfreude auf die nächsten Tage. „Es sollte jeden Tag besser werden,
da bin ich optimistisch. Ich freue mich schon auf die richtigen
Bergetappen“, war trotz der Maske zu vernehmen.
5 Sep 2020
## LINKS
[1] https://de-de.facebook.com/BuchmannEmu
[2] https://www.youtube.com/watch?v=oEdgBmG888s
## AUTOREN
Tom Mustroph
## TAGS
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