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# taz.de -- Die Wahrheit: Aufgrund der aktuellen Situation
> Neues vom Bürohumor in Zeiten des Webinars. Besonders trending, wenn es
> in der Meeting Area, gerne aber mit Morgenkaffee, stattfindet.
„Aufgrund der aktuellen Situation“ – Deutschlands neue Deppenphrase Nummer
eins – findet das Seminar als Zoom-Konferenz statt. „9 Uhr: Check-in in der
Meeting Area (gerne mit Morgenkaffee)“, verheißt das Programm. Immerhin
gelingt so ein erstes Psychogramm der Webinar-Teilnehmer.
Gruppe 1: Die drahtigen Erfolgstypen, die werbewirksam Tassen ihres
aktuellen Projekts in die Kamera halten und sorgsam darauf achten, dass das
Logo immer gut zu sehen ist.
Gruppe 2: Die Büro-Existenzen mit Bürohumor-Tassen. „Wir sind hier auf der
Arbeit und nicht auf der Flucht.“ „Ich bin heute so blöd, ich könnte
Amerika regieren.“ „Kaffee erreicht Stellen, da kommt Motivation gar nicht
hin.“ Mein Favorit unter diesen bestürzenden Dokumenten deutscher
Witzigkeit der offensichtlich postfaktische Aufdruck: „Du bist lustig, dich
töte ich zuletzt.“
Gruppe 3: Die Leute, denen alles egal ist. Die aus Tassen mit Aufdrucken
wie „I Heart New York“, „Hamburg meine Perle“ oder der Diddlmaus trinke…
Oder mit Mustern, die an 70er-Jahre-Tapeten erinnern. Und denen es nicht
peinlich ist, dass 35 fremde Menschen sie damit sehen können.
## Studiosi Cottbus
Große Güte, denke ich, ich muss zwei Tage lang mit kompletten Idioten vor
dem Bildschirm rumhängen. Dann fällt mein Blick auf meine eigene Tasse:
„Ei(n)fälle. 16. Kabaretttreffen der Studiosi Cottbus 2011“. Vielleicht
sollte man nicht so harsch anhand von Äußerlichkeiten über andere urteilen.
Am Abend ist ein „digitales Get-together“ angesetzt. Eigentlich finde ich
ja, dass allein der Begriff „Get-together“ einer der Fälle ist, die
Gewaltanwendung erlauben, bei einem „digitalen Get-together“ aber wünsche
ich, dass die neue Weltordnung durchgreifen und alle unterjochen möge,
damit dieser Unsinn schnellstmöglich aufhört, aber auf Produkte von Bill
Gates war ja noch nie Verlass. Andererseits reizt es mich zu sehen, wie ein
Bar-Abend in eine Zoom-Konferenz übersetzt wird.
35 Leute, die mit der Bierflasche vor dem Bildschirm hocken, sind ein
verstörender Anblick. Jetzt schlägt die Stunde der virtuellen Hintergründe.
Eindeutig ein Vorteil gegenüber dem physischen Zusammentreffen, man hat
sofort ein gutes Smalltalk-Thema: Was für ein fantastisches Bergpanorama,
warst du da in Urlaub? Was ist denn das für ein lustig blubbernder Sumpf,
in dem du da stehst? Oh, ich wollte immer mal die „Enterprise“ fliegen! Ein
Teilnehmer hat es mit irgendeiner App geschafft, sich in eine sprechende
Gurke zu verwandeln. Ich bin neidisch.
Am Ende ist es wie immer: Man sitzt mit den letzten Betrunkenen in einem
Raum namens Küche herum und hört zu, wie andere über Corona, die da oben
und die böse Pharmaindustrie diskutieren. Wenn das alles endlich vorbei
ist, werden wir vieles, vielleicht sogar Seminare, intensiver genießen.
Aber ich weiß jetzt schon, dass ich im echten Leben eines sehr schmerzhaft
vermissen werde: die Möglichkeit, bestimmte Leute stummzuschalten.
11 Sep 2020
## AUTOREN
Heiko Werning
## TAGS
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Verschwörungsmythen und Corona
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