# taz.de -- Explosion im Libanon: Beirut wird „Katastrophen-Stadt“ | |
> Die durch die Detonation entstandenen Schäden betreffen laut Gouverneur | |
> die halbe Stadt. Bis zu 300.000 Menschen könnten obdachlos geworden sein. | |
Bild: Dem Erdboden gleichgemacht: Die Explosion in Beirut hat den Hafen komplet… | |
Beirut taz | Nach der verheerenden Explosion in der libanesischen | |
Hauptstadt Beirut ist die Opferzahl nach Angaben des Roten Kreuzes auf mehr | |
als 100 Tote gestiegen. Über 4.000 Menschen wurden verletzt, mehr als 100 | |
Personen wurden am Mittwochmorgen noch vermisst, wie die libanesische | |
Tageszeitung [1][Daily Star] unter Berufung auf den Gouverneur der Stadt, | |
Marwan Abboud, berichtete. Unter den Verletzten sind auch Mitarbeitende der | |
deutschen Botschaft in Beirut. | |
Fast die halbe Stadt sei von Schäden betroffen, bis zu 300.000 | |
BewohnerInnen Beiruts könnten obdachlos geworden sein, so Abboud gegenüber | |
der Nachrichtenagentur AFP. Die Höhe der Schäden schätzte er auf insgesamt | |
3 bis 5 Milliarden Dollar. | |
Nach Regierungsangaben wurde die Detonation ausgelöst durch 2.750 Tonnen | |
Ammoniumnitrat, die im Hafen lagerten. Zunächst brannte eine Lagerhalle ab, | |
es kam zu kleineren Explosionen und schließlich zu einer großen Detonation. | |
Auf Videos von Anwohnenden ist zu sehen, wie sich eine riesige | |
orangefarbene Pilzwolke am Himmel über der Stadt ausbreitete. | |
In den Häusern war ein Beben der Erde spürbar. Das Deutsche | |
Geoforschungszentrum verglich es mit einem Erdbeben der Stärke 3,5. Laut | |
Medienberichten war die große Detonation selbst im rund 200 Kilometer | |
entfernten Zypern zu hören und zu spüren. Ausgelöst wurde sie offenbar von | |
einem Feuer. Durch eine starke Druckwelle zersprangen Glasscheiben, Türen | |
fielen aus den Angeln, Balkone stürzten ab und Wände brachen ein. Betroffen | |
sind vor allem die inneren Stadtbezirke. | |
Viele Menschen wurden durch zersprungene Scheiben oder fliegenden Schutt | |
verletzt. Einige versteckten sich unter Tischen, rannten auf die Straße | |
oder halfen blutüberströmten Nachbar*innen mit Motorrädern ins Krankenhaus. | |
Hunderte Familien verließen ihre schwer beschädigten Häuser und verbrachten | |
die Nacht bei Bekannten. Über soziale Medien verbreiteten sich | |
Hilfsangebote für Notunterkünfte. Noch in der Nacht suchten Hilfskräfte | |
nach Toten unter den Trümmern im Hafengebiet. | |
Für Beirut wurde ein zwei Wochen langer Notstand verhängt. Der Oberste | |
Verteidigungsrat des Landes erklärte die Stadt zur „Katastrophenzone“. Die | |
Krankenhäuser seien mit den vielen Verletzten komplett überlastet, sagte | |
Gesundheitsminister Hamad Hassan. Patient*innen wurden auf den Straßen | |
behandelt oder in Krankenhäuser außerhalb der Stadt gebracht. Unversehrte | |
Menschen kamen in die Krankenhäuser, um Blut zu spenden. | |
## Hilfe aus dem Ausland | |
Der Libanon steckt derzeit ohnehin in einer Krise. Nicht nur verzeichnet | |
das Land [2][alarmierend steigende Coronazahlen], auch steckt es in einer | |
schweren Wirtschaftskrise. Die lokale Währung hat 80 Prozent ihres Wertes | |
verloren, Tausende wurden arbeitslos. Die Zahl der in Armut lebenden | |
Menschen ist gestiegen, viele können sich Lebensmittel aufgrund der | |
Inflation nicht mehr leisten. Die jüngsten Ereignisse dürften die Krise | |
noch verschärfen. Die Kosten der Folgen der Explosion werden auf Hunderte | |
Millionen US-Dollar geschätzt. | |
Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte dem Libanon Unterstützung zu. Weitere | |
Hilfszusagen kamen aus Frankreich, den Golfstaaten und Israel. Israel und | |
der Libanon befinden sich offiziell im Krieg. Spekulationen, dass Israel | |
die Explosion verursacht haben könnte, räumte der israelische Außenminister | |
Gabi Aschkenasi noch am Dienstag aus. | |
Die libanesische Regierung trifft sich am Mittwochmorgen zur Krisensitzung. | |
Laut Ministerpräsident Hassan Diab sei das detonierte Ammoniumnitrat seit | |
sechs Jahren ohne Vorsichtsmaßnahmen in einem Lagerhaus deponiert gewesen. | |
Ammoniumnitrat dient der Herstellung von Sprengsätzen, dem Raketenantrieb | |
oder als Düngemittel. Es kann bei höheren Temperaturen detonieren. | |
Nach Angaben der Deutschen Presseagentur könnte der Stoff von einem | |
Frachtschiff stammen, dem libanesische Behörden laut Berichten im Jahr 2013 | |
wegen verschiedener Mängel die Weiterfahrt untersagt hatten. Das Schiff war | |
demnach von Georgien aus ins südafrikanische Mosambik unterwegs. Der Crew | |
wurde nach einem juristischen Streit die Ausreise genehmigt, das Schiff | |
aber blieb zurück mit der gefährlichen Ladung in einem Lagerhaus. | |
Ammoniumnitrat befand sich auch in dem Gefahrgutlager der chinesischen | |
Hafenstadt Tianjin, wo 2015 nach einer Serie von Explosionen 173 Menschen | |
getötet wurden. In Deutschland fällt die Handhabung von Ammoniumnitrat | |
unter das Sprengstoffgesetz. | |
5 Aug 2020 | |
## LINKS | |
[1] http://www.dailystar.com.lb/Default.aspx | |
[2] /Krise-im-Libanon/!5700056 | |
## AUTOREN | |
Julia Neumann | |
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