# taz.de -- Schachspielerin Pähtz in der Kritik: Zug um Zug ins Abseits | |
> Die Großmeisterin Elisabeth Pähtz ist für das deutsche Schach bislang ein | |
> Glücksfall. Doch Beleidigungs- und Betrugsvorwürfe schaden ihrem Ruf. | |
Bild: Nicht auf ihrem Topniveau: Bei den German Masters in Magdeburg wurde Päh… | |
Mit bitterer Miene nimmt Elisabeth Pähtz die Aufgabe von Fiona Sieber | |
entgegen, die nach der fast halbjährigen Coronapause beim „Schachgipfel“ in | |
Magdeburg ohne den sonst obligatorischen Handschlag erfolgt. Selbst der | |
dritte Partiegewinn in Folge zaubert der einst so fröhlichen Pähtz kein | |
Lächeln auf das Gesicht. Dass die 20-jährige Physikstudentin Sieber dank | |
5,5:1,5 Punkten trotzdem das German Masters knapp vor Pähtz (5:2) gewinnt, | |
ist nicht einmal der Hauptgrund für die schlechte Laune [1][der | |
Europameisterin von 2018]. Sie will nur kommentarlos dem Spießrutenlaufen | |
entfliehen – und leistet sich den nächsten Affront, indem sie die | |
Abend-Gala mit Ehrungen schwänzt. Nach Monaten ohne Turniereinkünfte nimmt | |
Pähtz dafür sogar den Abzug eines Fünftels ihres Preisgelds von 2.200 Euro | |
billigend in Kauf. | |
Manche Kontrahentin zeigte sich verwundert, dass die bisherige | |
Vorzeige-Großmeisterin des Deutschen Schachbundes (DSB) überhaupt | |
mitspielen durfte. „Andere hätten sie gleich gesperrt“, befanden zwei | |
Deutsche Meisterinnen hinter vorgehaltener Hand und hatten vor Beginn des | |
Schachgipfels, die mit den deutschen Blitzmeisterschaften starteten, | |
zumindest mit der Absage der 35-Jährigen selbst gerechnet. Doch tapfer | |
reiste sie an und zeigte gleich bei den Partien mit kurzer Bedenkzeit, dass | |
sie nicht in der Lage ist, ihr normales Topniveau zu zeigen. Großmeisterin | |
Marta Michna schnappte ihr den Titel weg. | |
Für die blank liegenden Nerven sorgte der Vorwurf, die ehemalige Jugend- | |
und Junioren-Weltmeisterin habe beim während der Pandemie boomenden | |
Online-Schach betrogen. Die Schachserver wie „Lichess“ filtern mit | |
spezieller Erkennungs-Software rasch die „Cheater“ heraus, die | |
elektronisches Doping mit Programmen betreiben. Am 8. August geriet | |
„Elisabeth Paehtz85“ bei einem 3-Minuten-Blitzturnier ins Visier. | |
Reihenweise waren hochklassige Gegner chancenlos – bis zur 17. Runde, | |
„Lichess“ sperrte dann den verdächtigen Account. Der Unmut gegen Pähtz | |
wurde noch größer, als über ihren Twitter-Kanal der Kontrahent Aghiod Mero | |
(Bahrain) des „Cheatings“ bezichtigt wurde. Obendrein wurde dabei erklärt, | |
„alle Araber“ seien „Betrüger“. | |
Ein Shitstorm brach in den sozialen Medien über die Weltranglisten-19. | |
herein. Vier Tage später sah sich Pähtz nach zahllosen Hasskommentaren | |
[2][zu einer Mitteilung genötigt]: „Ohne mein Wissen hatte ein Mitglied | |
meines Teams, das bereits Zugang zu meinem Youtube-Kanal hatte, auch Zugang | |
zu meinem offiziellen Lichess-Account erhalten. Im Glauben, meinem | |
Online-Profil und meiner Marke zu helfen, spielte er mehrfach auf meinem | |
Account.“ | |
## Ein Alibi in Paris | |
Skurrile Verwechslungen, etwa einen Springer auf dem Feld a7 plump zu | |
verlieren, statt ihn auf der anderen Brettseite gemäß der | |
Computer-Empfehlung auf h7 zu platzieren, würden Pähtz wohl kaum | |
unterlaufen. Angeblich hat ein Israeli für sie gespielt und die | |
Araber-Beschimpfung verbreitet. | |
Der Schach-Weltverband Fide und der DSB verzichteten auf Sanktionen, zumal | |
die 35-Jährige auf Zeugen verwies, mit denen sie an dem fatalen Abend in | |
Paris unterwegs gewesen sei. So durfte sie auch an der derzeit laufenden | |
Schach-Olympiade teilnehmen. Das große Turnier mit 163 Nationalteams wird | |
wegen Corona statt in Moskau erstmals online ausgetragen. | |
Doch die Doppelbelastung für Pähtz mit morgens Online-Einsatz in einem | |
separaten Nebenraum im Hotel „Maritim“ und nachmittags Partie im German | |
Masters währte nur kurz. Von den deutschen Auswahlspielern will sich zwar | |
niemand offiziell dazu äußern – aber es dementiert auch keiner, dass | |
mehrere Akteure nicht länger mit Pähtz in einem Team spielen wollten. | |
Das Fass zum Überlaufen bringt ihre zusätzliche Fehde via soziale Medien | |
mit Georg Meier. Es ging dabei um einen Tweet von Pähtz, in dem sie Meier | |
aus dessen Sicht beleidigt hatte. Der Großmeister, der beim glanzvollen | |
Sieg des Lemgoers Matthias Blübaum (5:2 Punkte) Platz vier im | |
Herren-Masters belegte, wollte unter anderem deswegen künftig für Uruguay | |
spielen. Die vom DSB anberaumten Friedensgespräche blieben fruchtlos – | |
Pähtz zog nun auch noch gegen Meier vor ein ordentliches Gericht. Beim | |
„Schachgipfel“ im Magdeburg fanden die meisten das völlig unverständlich. | |
23 Aug 2020 | |
## LINKS | |
[1] /Schnellschach-Europameisterin-Paehtz/!5534598 | |
[2] https://www.faz.net/aktuell/sport/mehr-sport/schach-profi-elisabeth-paehtz-… | |
## AUTOREN | |
Hartmut Metz | |
## TAGS | |
Schach | |
Betrug | |
Beleidigung | |
Kolumne Helden der Bewegung | |
Kolumne Frühsport | |
Schach | |
Schach | |
Schach-WM | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Schach in der Coronapandemie: Zeit zum Rochieren | |
Schach ist schlecht für das Ego, aber ideal für den derzeitigen | |
Ausnahmezustand. Die Dialektik aus Selbsttäuschung und Enttäuschung. | |
Schach in der Krise: Endlich mal das Brett befreien | |
Die besten deutschen Schachspieler wagten den Aufstand gegen Bundestrainer | |
und Verband. Mit Erfolg. Und dank Corona zum richtigen Zeitpunkt. | |
Online-Schach so beliebt wie nie: Boom am Brett | |
Denksport in Coronazeiten: Wie SchachspielerInnen weltweit die Krise nutzen | |
und Onlineangebote neue Rekordzahlen vermelden. | |
Weltmeisterin über Frauenschach: „Wir spielen alles aus“ | |
Elisabeth Pähtz gewann in drei Monaten fünf Medaillen. Sie spricht über | |
Hürden für Frauen, Mangel an Sponsoren und die Blüte des deutschen Schachs. | |
Schach-WM der Frauen im Iran: Kleider machen Sportlerinnen | |
Wegen der Kopftuchpflicht boykottieren einige Großmeisterinnen die WM im | |
Iran. Die deutsche Teilnehmerin versteht die Kritik nicht. |