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# taz.de -- Ein Stück Wald in Nauen ist in Gefahr: Zustand verschlechtern ist …
> Die Kleinstadt Nauen nahe Berlin hat einen Gemeindewald. Ein Drittel
> davon steht unter Naturschutz. Das macht die Sache schwierig – und
> einfach.
Bild: Brandenburg: in Grünheide musste Wald für Tesla weichen – in Nauen st…
Die Stadt Nauen nahe Berlin hat einen Gemeindewald. Auf [1][nauen.de]
befindet sich eine Liste mit Leistungen, die „ihr Stadtforst“ erbringt:
„Industrieholz für Zellstoff und Faserplatten / Brennholz für den
Hausbedarf / Praktikantenausbildung / Erholungs- und Schutzleistungen /
Realisierung von Ersatz- und Ausgleichsmaßnahmen / Totholz sowie Horst- und
Höhlenbäume für die Tierwelt / Bestattungsmöglichkeit in der Natur.“
Das ist viel Leistung für so einen kleinen Stadtforst (1.100 Hektar), bei
dem auch noch ein Drittel unter Naturschutz steht: das FFH-Gebiet
Leitsakgraben – ein Schutzgebiet laut Fauna-Flora-Habitatrichtlinie. Und
dort gilt ein „Verschlechterungsverbot“: Im „Lebensraumtyp 9160“, d. h.…
einem Sternmieren-Eichen-Hainbuchenwald darf die Forstverwaltung nicht
einfach eine Kiefernplantage anlegen. In der FFH-Richtlinie heißt es dazu
in Art. 6 Abs. 2, dass „Störungen von Arten, für die die Gebiete
ausgewiesen sind, zu vermeiden sind“.
Zwischen einigen Bürgern und dem Stadtförster kam es deswegen in Nauen zu
einem Konflikt. Der von dort stammende Student der Umweltwissenschaften,
Tobias Mainda, hatte den starken Eindruck, dass das FFH-Gebiet „zum reinen
Holzlieferanten der Stadt Nauen verkommen ist“, und bat die Europäische
Kommission, Generaldirektion Umwelt, um Rechtsauskunft. „Umsetzung und
Vollzug europäischen Rechts sind grundsätzlich Angelegenheit der
Mitgliedstaaten“, wurde ihm geantwortet. Konkret waren das in diesem Fall
das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit sowie
das Bundesamt für Naturschutz. Aber beide verwiesen ihn an die Behörde vor
Ort.
Also erstattete er dort – d. h. bei der Staatsanwaltschaft Potsdam –
Strafanzeige gegen den Förster Thomas Meyer wegen „Vergehen nach dem
Bundesnaturschutzgesetz“. Der zuständige Staatsanwalt Kukuk sah jedoch von
der Einleitung eines Ermittlungsverfahren ab, mit der Begründung, dass „die
Rodungen als Grundlage für die Wiederaufforstung durchgeführt worden sind
und somit der Wiederherstellung des FFH-Gebietes dienten“.
## „Quasi ein Kahlschlag“
Tobias Mainda schaute sich zusammen mit dem Biologen Jens Esser von der
„Entomologischen Gesellschaft Orion-Berlin“ das FFH-Gebiet Leitsakgraben
noch einmal genauer an. Es hat die EU-Nummer DE 3343-301, zum Erhalt seiner
Lebensraumtypen, insbesondere Eichen-Hainbuchenwälder und
Erlen-Eschen-Wälder, dient ein Managementplan. Dessen ungeachtet wurden
dort Eichen in Furnierqualität gefällt, „quasi ein Kahlschlag“, und
Stieleichen sowie Hainbuchen langsam „durch gepflanzte Lärchen und aktuell
durch Kiefern verdrängt“. Die außerdem gepflanzten Douglasien, die
angeblich der Klimaerwärmung und Trockenheit trotzen, „schwächeln und sind
nicht schädlingsfrei“.
In einem Leserbrief an die Lokalzeitung kritisierte Esser Nauens
Stadtförster Meyer, der gemeint hatte, der Eichbockkäfer würde die Eichen
töten: „Es gibt nicht nur einen, sondern zwei Eichbockkäfer-Arten“ – ei…
„Großen“ und einen „Kleinen“, beide sind bundesweit besonders geschüt…
der Große ist es zusätzlich noch EU-weit. Die Entfernung von besiedelten
Bäumen stellt somit schon mal „einen Verstoß gegen deutsches
Artenschutzrecht dar“.
Wahrscheinlich lebte auf den dann gefällten Eichen der Kleine Eichbock, der
auf abgestorbenen Stämmen oder Starkästen siedelt. „Durch die
Fraßtätigkeit der Larven verliert das Holz an Verkaufswert, gewinnt aber
ökologisch ungemein. Zumindest Wrsteres dürfte Herrn Meyer nicht gefallen.
Den großen Eichbock findet man in Brandenburg nur noch sehr vereinzelt –
„ein Werk vieler Generationen von Förstern“.
Was konnte man noch tun, um das kleine Nauener FFH-Gebiet zu erhalten? Vom
Naturschutzbund kam eine gute Nachricht: Im Fauna-Flora-Habitat Leipziger
Auwald ließ das Forstamt Bäume fällen, ohne zuvor eine
„Verträglichkeitsprüfung“ durchgeführt zu haben. Die Grüne Liga Leipzig
brachte das bis vor das Oberverwaltungsgericht Bautzen, das im Juni 2020
auch alle Fällungen im Auwald erst einmal untersagte. Die Anwältin der
Naturschützer, Franziska Heß, freute sich: „Die Bedeutung der Entscheidung
ist kaum zu unterschätzen“ – auch für das FFH-Gebiet im Nauener Stadtwald?
16 Aug 2020
## LINKS
[1] https://www.nauen.de/
## AUTOREN
Helmut Höge
## TAGS
Kolumne Wirtschaftsweisen
Waldschäden
Naturschutzgebiet
Brandenburg
Notdurft
Wald
Kolumne Wirtschaftsweisen
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