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# taz.de -- Abschlüsse bei PolitikerInnen: Die guten Leute
> PolitikerInnen ohne Studienabschluss wird oft fehlende Kompetenz
> nachgesagt. Doch das wertet genau die Menschen ab, die harter Arbeit
> nachgehen.
Bild: Unsere Autorin hat als junge Frau Schriftsetzerin gelernt
Braucht man fürs Parlament einen Hochschulabschluss? Besser isses, würde
der Brandenburger sagen. Um dann im nächsten Satz zu erklären, dass er den
Quatsch, den die da in Berlin verzapfen, auch noch mit zwei-acht im Turm
hinkriegen würde. Was so nicht stimmt, aber der Brandenburger muss
gewohnheitsmäßig einfach ein bisschen rumtettern. Dabei ist er an sich
nett.
In der zurückliegenden Woche hat ja bekanntlich Kevin Kühnert erklärt, er
wolle sein Amt als Juso-Vorsitzender abgeben und für [1][den nächsten
Bundestag kandidieren]. Das mag für einige eine gute, eine sehr gute
Nachricht sein. Für andere jedoch ist der Studienabbrecher Kühnert ein
basislinker Spinner, der noch nix auf die Kette gekriegt hat – jedenfalls
keinen Studienabschluss – und jetzt sein Heil im Parlament sucht. Als
weiteres Beispiel des Karrierehungers wird gern der ehemalige Chef der
Jungen Union, [2][Paul Ziemiak], angeführt. Ziemiak, 34, hat auch kein
abgeschlossenes Studium.
Mich macht diese Erbsenzählerei regelmäßig fuchsig. Nicht nur, weil auch
ich kein abgeschlossenes Studium habe. Sondern weil in solchen Situationen
der Bildungsdünkel unverhüllt sichtbar wird. Ja, es wäre wirklich schöner,
wenn Menschen ausreichend Zeit und Geld hätten, um sich in aller Gemütsruhe
ausgiebigen Studien, Praktika und Auslandssemestern hinzugeben.
Aber hey, so ist es eben oft nicht im Leben. Es muss Geld verdient werden,
Kinder wollen großgezogen, Eltern gepflegt werden. Manchmal, wie bei mir,
kommt ein politischer Umbruch dazwischen. Prioritäten können sich ändern.
„Kreißsaal – Hörsaal – Plenarsaal“, dieser Marschplan bleibt den
allerwenigsten vorbehalten.
## Harte Arbeit
Und damit das hier nicht klingt, als wäre alles außer einem
Hochschulabschluss nicht anzustreben: Manche Menschen (eigentlich die
meisten) tun einfach gerne das, was sie gut können. Sie werden darin mit
der Zeit sogar immer besser. Als junge Frau habe ich den schönen Beruf der
Schriftsetzerin erlernt. Das hat Spaß gemacht, war ziemlich herausfordernd,
und die Kohle hat auch gestimmt. Aber es war auch anstrengend und ungesund.
Und irgendwann habe ich mich auf einen Studienplatz beworben. Ende der
Geschichte.
Was mir geblieben ist aus dieser Zeit mit Norm und Schichtarbeit, ist
großes Verständnis für Leute, die hart arbeiten und dabei ruhig auch mal
schlechtgelaunt sein dürfen. Auch für Leute, die sich ihre Ausbildung oder
ihr Studium selbst finanzieren müssen. Das sind nämlich genau jene, die den
Bescheidwissern bei ihren hochwichtigen Gesprächen den Flat White kredenzen
und anschließend deren durcheinandergeraschelte Zeitungen wieder ordentlich
zurück ins Regal räumen.
Es sind die, die Lastenräder reparieren und das Hotelzimmer putzen. Es sind
gute Leute. Ob Kevin Kühnert ein Guter ist, weiß ich nicht. Aber dass ein
Studienabschluss keine Grundvoraussetzung für den Politikerberuf ist, ist
mal sicher.
11 Aug 2020
## LINKS
[1] /Kevin-Kuehnert-strebt-in-den-Bundestag/!5700169
[2] /Paul-Ziemiak-auf-dem-CDU-Parteitag/!5557593
## AUTOREN
Anja Maier
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