# taz.de -- Kinder auf dem Land: Im TÜV-geprüften Spielturm | |
> Wozu lebt man eigentlich am Busen von Mutter Natur, wenn die wenigen | |
> vorhandenen Kinder auf Grundstücken eingezäunt werden müssen? | |
Bild: Täte es nicht auch ein Gang in den Wald? | |
Bei uns hier draußen im ländlichen Bereich hätte es [1][Corona] nicht | |
gebraucht. Waren bis dahin die Grundstückspreise absurd gestiegen, so sind | |
sie seither schlicht explodiert. Die Provinz verheißt in Zeiten der Gefahr | |
Überschaubarkeit und ein gewisses Maß an Sicherheit vor den Anfechtungen | |
der nahen Großstadt. Klar, hier gibt es auch Jugendliche, die sich in | |
Schlauchbooten auf dem Wasser treffen, saufen und Techno hören. Aber es | |
verteilt sich halt alles besser. So viele Schlauchboote kann es gar nicht | |
geben, dass unser See damit überfüllt sein könnte, so wie man es jüngst im | |
Moloch Berlin sah. | |
Doch manchmal übertreiben sie es auch, unsere Häusle bauenden | |
NeubürgerInnen. Unter einem Umzug ins Grüne scheinen einige zu verstehen, | |
dass sie sich die hiesige Natur untertan machen müssten. Es ist erstaunlich | |
zu beobachten, wie strikt der teuer erworbene Grund und Boden einem von den | |
örtlichen Baumärkten diktierten Plan unterworfen wird. Kirschlorbeer, | |
Thuja, Rollrasen, dazwischen ein Pfeifengras im Kiesbett – fertig ist die | |
pflegearme Darstellung eines Gartens. | |
Ebenfalls immer mal wieder anzutreffen: der Schottergarten, Ausdruck | |
verkümmerter Naturnähe seiner Besitzer. Dunkelgrauer Steinabfall, in dessen | |
Mitte nachts eine lila LED-Kugel verzweifelte Signale ins dörfliche Dunkel | |
sendet. Ein Stück teuer erworbene private Weltherrschaft. Nicht | |
auszudenken, was passiert, sollte sich doch noch ein Löwenzahn erdreisten, | |
hier seine kleine Pfahlwurzel in den Grund zu rammen. Die Besitzer würden | |
den vermutlich lieber sprengen, als Abweichungen von den Katalogbildern | |
ihrer Baufirma zu dulden. | |
## Ensembles in Rot-Blau-Holz | |
Das weiß Gott traurigste Ambiente jedoch stellt der privat installierte | |
Spielplatz dar. Hinter stabilen Zaunfeldern schweift der Blick der | |
Spaziergängerin über sogenannte Kinderspieltürme, also | |
Holz-und-Kunststoff-Ensembles in Rot-Blau-Holz, die im Schatten der | |
märkischen Kiefern dämmern. Ihre TÜV-haftigkeit atmet genormtes, | |
unfallfreies Spiel pumperlgesunder Kinder. Aber da sind keine Kinder. Und | |
wenn es doch welche gibt, handelt es sich allermeist um Einzelexemplare. | |
Wir leben in demografisch kribbeligen Zeiten. | |
Der Mann sagt, ich solle nicht so herzlos spotten, die | |
Lonely-Spielplatz-Erbauer wären vermutlich einfach gern vorbereitet auf | |
Kinderbesuch aus der Nachbarschaft. Oder auf Enkelbesuch. Mag sein, | |
erwidere ich, aber da sind nie Kinder. Nicht im Turm, nicht auf dem | |
Trampolin, nicht im himmelblauen Pool, dessen Umwälzpumpe leise summt. Auch | |
nicht nachmittags oder abends, wenn Kita und Schule aus sind. | |
Wo stecken die denn? Und wozu leben wir hier eigentlich am Busen von Mutter | |
Natur, wenn die wenigen vorhandenen Kinder auf Grundstücken eingezäunt | |
werden müssen? Täte es nicht auch ein Gang in den nahen Wald oder auf den | |
kommunalen Spielplatz? Schon schade, dass die Suche nach individueller | |
Freiheit viel zu oft in einem selbst gebastelten Gartengefängnis endet. | |
28 Jul 2020 | |
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## AUTOREN | |
Anja Maier | |
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