| # taz.de -- Kabarettist Schroeder auf Corona-Demo: Predigen vor Ketzern | |
| > Erst ein paar Kabarett-Konserven, dann seine eigene Agenda: Satiriker | |
| > Florian Schroeder kontert Corona-Zweifler*innen auf ihrer eigenen Demo. | |
| Bild: Wagt sich unter die Corona-Zweifler*innen: Kabarettist Florian Schroeder | |
| Eulen nach Athen tragen, das heißt unter Bühnenkünstler*innen: predigen vor | |
| Bekehrten. Also: dem Publikum bloß vorkauen, was es hören will. Der | |
| Satiriker Florian Schroeder, 40, hat am Samstag in Stuttgart das Gegenteil | |
| getan, als er bei einer Kundgebung der Initiative „Querdenken-711“ auftrat. | |
| In seiner zwölfminütigen Performance referierte Schroeder über | |
| Meinungsfreiheit und betonte, er halte Masken und Abstand für sehr gute | |
| Ideen. Eigentlich keine gewagten Standpunkte. Dort aber nun: [1][predigen | |
| vor Ketzern], gewissermaßen. | |
| Hitzige 32 Grad herrschen, als ein paar Hundert Menschen in Stuttgart zu | |
| einem „Fest für Freiheit und Frieden“ zusammenkommen. Videoaufnahmen | |
| zeigen, wer sich da im Schlossgarten tummelt: Normalos, Frauen mit Top, | |
| Männer mit Bauch, Leute mit EU-Flagge und solche, die heiser „Diktatur!“ | |
| brüllen. Ein gäriger Haufen vielleicht, den Florian Schroeder, wie immer | |
| mit Anzug und Krawatte, zunächst mit ein paar Kabarett-Konserven anfüttert. | |
| Doch etwa nach der Hälfte seines Auftritts konfrontiert er die Menge mit | |
| seiner eigentlichen Agenda: „Ich bin der Auffassung, dass Corona eine | |
| hochgefährliche, ansteckende Krankheit ist. Und ich bin der Überzeugung, | |
| dass Maskentragen und Abstandhalten das Wichtigste und Beste ist, was wir | |
| in diesen Tagen tun können.“ Wenn sie [2][„die totale Meinungsfreiheit“] | |
| wollten, müssten sie das schon aushalten, schlägt er der Menge vor. Die | |
| Reaktionen: Buh-Grunzen, Grölgeräusche, Pfeifkantaten. Schroeder wirkt | |
| zufrieden, Mission erfüllt. | |
| Der Auftritt wirkt angenehm antithetisch in einer Zeit, in der | |
| deutschsprachigem Kabarett immer mal wieder eine Nähe zum Reaktionären | |
| nachgesagt wird, ob wegen Judenwitzen im WDR oder nu(h)r dem Verhohnepipeln | |
| von Greta Thunberg. Schroeder, geboren in Lörrach, einst bei Satiremeister | |
| Harald Schmidt in die Lehre gegangen, kennt sich mit Bürgerlichkeit aus. | |
| Streitbare Positionen für Linke | |
| Er macht es sich aber auch links nicht bequem. So empfahl er 2018 in der | |
| Zeit, Carl Schmitt, den „Steve Bannon der 1920er Jahre“, zu lesen, um „aus | |
| dem Bannkreis der eigenen Echokammern zu treten“. | |
| Zuletzt sprach er sich für die umstrittene Veröffentlichung von Woody | |
| Allens Autobiografie beim Rowohlt Verlag aus. Wenn Kunst nur noch von guten | |
| Menschen für gute Menschen gemacht werde, sei das ihr Ende, so Schroeder im | |
| Spiegel. Beiden Texten gab er das Nietzsche-Zitat „Ich impfe euch mit dem | |
| Wahnsinn“ bei – eine Referenz, die in Stuttgart vermutlich zu noch mehr | |
| aerosolfördernder Schnappatmung geführt hätte. | |
| Schroeder, der wie Robert Habeck in Freiburg Philosophie studierte und auch | |
| schon mal ein Bühnenprogramm mit Peer Steinbrück absolvierte, gibt sich | |
| gern intellektuell. Auch in Stuttgart hat er seine Stand-Up-Show etwa durch | |
| die Wiederholung des sperrigen Hegel’schen Theorieworts „Dialektik“ | |
| aufgemotzt. Wirklich clever war aber vor allem der Akt des Auftritts | |
| selbst: Mit den angeblichen „Querdenker*innen“ zu reden, sich ihnen dabei | |
| weder anzubiedern noch sie übermäßig nass zu machen – besser hat das | |
| zuletzt nur Dunja Hayali hinbekommen. | |
| 9 Aug 2020 | |
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| ## AUTOREN | |
| Finn Holitzka | |
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