| # taz.de -- Ermittlungen zu Krawallen in Stuttgart: Keine Stammbaumforschung | |
| > Grüne Politiker entschuldigen sich bei der Polizei. Die Frage nach Sinn | |
| > und Grenze der Herkunftsforschung nach den Krawallen von Stuttgart | |
| > bleibt. | |
| Bild: Wieso, weshalb, warum? Diese Scheibe wurde bei den Krawallen in Stuttgart… | |
| Stuttgart taz | Die Diskussion um angebliche „Stammbaumforschung“ der | |
| Polizei bei den mutmaßlichen Tätern der Stuttgarter Krawallnacht geht | |
| weiter. Gestern veröffentlichte das Polizeipräsidium das | |
| [1][Wortlautprotokoll] der Stadtratssitzung in der Gemeinderatssitzung am | |
| vergangenen Donnerstag. Die Mitschrift beweist, dass der Stuttgarter | |
| Polizeipräsident Franz Lutz den Begriff nicht benutzt hat. | |
| Stattdessen war er vom Grünen Stadtrat Marcel Roth [2][via Facebook] | |
| verbreitet worden, die Stuttgarter Polizei betreibe „Stammbaumforschung“. | |
| Der Begriff wurde dann über das Wochenende von der [3][örtlichen Presse] | |
| aufgenommen. Im Protokoll findet sich auch nicht die angebliche Äußerung | |
| des Polizeipräsidenten, die Polizei ermittle „über drei Generationen, wo | |
| Menschen herkommen“. | |
| Tatsächlich hatte der oberste Stuttgarter Polizeibeamte in der Sitzung die | |
| Herkunftsrecherchen der Polizei nicht mit Ermittlungsfragen, sondern vor | |
| allem mit dem Interesse der Politiker an der Herkunft der Täter erklärt: | |
| Lutz sagte in der Sitzung, es sei „nicht primär polizeiliche Aufgabe in | |
| Ermittlungsverfahren, sondern im Prinzip genau diesem Verfahren hier in | |
| Stuttgart geschuldet.“ Insgesamt seien in 11 Fällen über Standesämter der | |
| Migrationshintergrund von Verdächtigen abgefragt worden, weil die Personen | |
| darüber die Aussage verweigert hätten. | |
| So bleibt von dem Vorwurf gegen das Vorgehen der Polizei wenig übrig. | |
| Inzwischen hat sich die Grüne Gemeinderatsfraktion in einer Erklärung bei | |
| der Stuttgarter Polizei dafür entschuldigt, dass „ausgehend von einem | |
| Mitglied unserer Fraktion“, die Arbeit der Polizei in ein schlechtes Licht | |
| gerückt wurde. | |
| ## Gewalt geht nicht | |
| Weiter in der Diskussion ist aber die Frage, ob die Frage der Herkunft | |
| unabhängig von dem Begriff zur Aufklärung der Taten beiträgt. Auf der | |
| Kritik an dem Vorgehen der Abfrage bei Standesämtern beharrt der Grüne | |
| Gemeinderat Roth: Wieder bei Facebook schreibt er, es gehe „um die Sache | |
| nicht um den Begriff“. In ähnlicher Richtung äußerte sich auch | |
| Landtagspräsidentin Muhterem Aras: „Die einseitige Fokussierung auf die | |
| Staatsangehörigkeit der Eltern von Tatverdächtigen ist für die Aufklärung | |
| von Straftaten nutzlos.“ Aus ihrer Erfahrung als Schöffin bei | |
| Strafprozessen wisse sie, dass die entscheidenden Fragen bei Straftätern | |
| das soziale Umfeld fehlende Strukturen Drogen und Alkohol seien. | |
| Der grüne Oberbürgermeister Fritz Kuhn sagte in einem [4][Interview mit der | |
| Süddeutschen Zeitung], einerseits wolle man natürlich alles erfahren, was | |
| zu diesen Taten geführt habe, dazu gehöre auch der familiäre Hintergrund. | |
| Allerdings wendet sich auch Kuhn gegen die Verbindung von Herkunft und | |
| Neigung zur Kriminalität: „Ich würde die Grenze da ziehen, wo | |
| Migrationshintergrund zum Verdachtsmerkmal wird“, sagte Kuhn. „Gewalt geht | |
| nicht, ganz egal, ob ein betrunkener junger Mann aus Balingen kommt, wie | |
| seine Eltern auch, oder ob er ein junger Syrer ist, der als Flüchtling zu | |
| uns kommt. Beide haben offenbar ein Integrationsproblem.“ | |
| 14 Jul 2020 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://ppstuttgart.polizei-bw.de/wortlautprotokoll-der-gemeinderatssitzung/ | |
| [2] https://www.facebook.com/marcel.rth | |
| [3] https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.aufarbeitung-der-stuttgarter-kraw… | |
| [4] https://www.sueddeutsche.de/politik/stuttgart-polizei-migrationshintergrund… | |
| ## AUTOREN | |
| Benno Stieber | |
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