| # taz.de -- Diskussion über Frauen an der Macht: Brot für Tisch sieben | |
| > Warum wärmt es das Hirn, wenn man Gutes tut, Macht zu besitzen aber noch | |
| > mehr? Und kann man ein gutes Gefühl auch essen? | |
| Bild: Hat brav das Essen auf den Tisch gebracht, wenn die Uwes vom Morden kamen… | |
| Sind Frauen bessere Menschen?“, fragt die Freundin und bestellt das | |
| Lammfilet. | |
| „Meine Chefin nicht!“, sagt die PR-Beraterin. | |
| „In deiner Branche gibt es keine guten Menschen, Werbung zielt immer auf | |
| Egoismus ab.“ | |
| „Auf Gier!“ | |
| „Woher zum Teufel kommt jetzt diese Gut-Böse-, Frauen-Männer-Klischeefrage | |
| in deinem Dötz?“ | |
| „Na, Pedro hat mir einen Artikel geschickt, dass viele frauengeführte | |
| Länder das besser hingekriegt haben mit der Coronakontrolle, während die | |
| USA, Brasilien etc. alle völlig im Eimer sind, wegen der irren | |
| Testosteron-Superspreader an der Macht!“ | |
| Der Freund mischt sich ein: „Nee! Das geht nicht, immer alles mit | |
| Testosteron zu entschuldigen! Dann könnte ich hier jetzt nämlich mein Glied | |
| rausholen, auf den Tisch pinkeln und sagen: ‚Oh sorry, mein Testosteron hat | |
| mich spontan übermannt.‘“ | |
| „Iiiiih, sag nicht Glied, das klingt schlimm.“ | |
| „Stimmt, bei Glied muss ich immer an Kastration denken.“ | |
| Der Freund richtet das Messer auf sie: „Sag nicht Kastration!“ | |
| „Beruhig dich, Frederik!“ | |
| „Ich bin immer der Ruhigste in dieser Runde. Und ich hab die vegane Pasta | |
| bestellt und du das kleine süße Lamm!“ | |
| „Aber du bist kein Veganer!“ | |
| „Aber auch kein Verdränger, das sind Frauen nämlich, das ist eure Art, das | |
| Böse global universal mitzutragen! Lamm essen ist mir als Mann zu brutal!“ | |
| „Verdrängerin bitte.“ | |
| „Wer ist überhaupt ein guter Mensch? Mal den Komparativ beiseitegelassen.“ | |
| „Margaret Thatcher nicht!“ | |
| „Ach, immer wird die als schlechtes Beispiel angeführt.“ | |
| „Beate Zschäpe auch nicht.“ | |
| „Die Nazilette hat immerhin die Katzen zu den Nachbarn gebracht, bevor sie | |
| alles abgefackelt hat.“ | |
| „Frauen performen ihre Schlechtigkeit anders.“ | |
| „Es reicht ihnen, für gut gehalten zu werden, im Zweifel zumindest von sich | |
| selber.“ | |
| „Und so halten sie jeden Drecksladen hübsch mit am Laufen!“ | |
| „Die Zschäpe hat immer schön geputzt und Abendessen hingestellt, wenn die | |
| Jungs vom Morden kamen.“ | |
| „Apropos, der Kellner könnte ruhig mal seinen Job machen und endlich Brot | |
| bringen, ich hab übel Unterzucker! Der Junge wird ja nicht für seinen guten | |
| Hintern bezahlt.“ | |
| „Sexistin.“ | |
| „Erst kommt das Fressen, dann die Moral.“ | |
| „Genau so ist es. Die Hochglanz-Nutten, die Typen in Machtpositionen | |
| heiraten, wollen eigentlich nur ihr Leben lang Menü essen und dann werden | |
| sie aus Langeweile wohltätig.“ | |
| „Vielleicht fühlen die sich einfach gut dabei, Gutes zu tun, egal, wie | |
| dünn, operiert und gruselig geschminkt die aussehen.“ | |
| „Ich fühl mich auch gut, wenn ich Gutes tue.“ | |
| „Wenn dir dabei jemand zusieht.“ | |
| „Nee, auch ganz heimlich.“ | |
| „Aha, was tust du denn heimlich Gutes?“ | |
| „Das ist geheim, ich prahle nicht.“ | |
| „Die Wissenschaft sagt: Gutes tun wärmt das Hirn mit guten Hormonen.“ | |
| „Warum ist die Welt dann so ein übler Laden?“ | |
| „Weil Macht dem Hirn noch besser gefällt!“ | |
| „Es geht immer nur um Ausschüttung, der Mensch ist nichts als ein | |
| kapitalistisch-hormonelles System.“ | |
| „Ich brauch jetzt echt mal ein Stück Brot! Es gibt nichts Gutes, außer man | |
| isst es.“ | |
| Jasmin Ramadan ist Schriftstellerin in Hamburg. Ihr letzter Roman „Hotel | |
| Jasmin“ ist im Tropen/Klett-Cotta Verlag erschienen. Sie war für den | |
| diesjährigen Bachmann-Preis nominiert. In der taz verdichtet sie im | |
| Zwei-Wochen-Takt tatsächlich Erlebtes literarisch. | |
| 27 Jul 2020 | |
| ## AUTOREN | |
| Jasmin Ramadan | |
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