# taz.de -- EU in der Coronakrise: Aus erster Welle nichts gelernt | |
> Die EU-Staaten und Brüssel haben in der Krise schlecht reagiert, geht aus | |
> Berichten hervor. Auch auf ein neues Aufflammen seien sie schlecht | |
> vorbereitet. | |
Bild: Mehr Tests, mehr Kontaktverfolgung, bessere Apps. Hier ein Test in einem … | |
Brüssel taz | Die Europäische Union ist nicht hinreichend auf eine mögliche | |
zweite Welle der [1][Coronapandemie] vorbereitet – und sie hat auch noch | |
nicht alle Konsequenzen aus der verheerenden ersten Welle im Frühjahr | |
gezogen. Dies geht aus zwei Berichten hervor, die am Mittwoch unabhängig | |
voneinander in Brüssel und London veröffentlicht wurden. | |
Der erste, offizielle Bericht kommt von der EU-Kommission. Sie hat zwar | |
kaum eigene Kompetenzen in der Gesundheitspolitik, bemüht sich aber um eine | |
EU-weite Koordinierung. Die 27 Mitgliedstaaten müssten mehr tun, um | |
„künftige Covid-19-Ausbrüche“ einzudämmen, forderte die Brüsseler Behö… | |
in einer (unverbindlichen) Mitteilung. | |
Im Herbst und Winter könnten sich Covid-19 und Grippeviren zu einem | |
gefährlichen „Cocktail“ mischen, sagte Gesundheitskommissarin Stella | |
Kyriakides. Sie fordert eine massive Ausweitung der Grippeschutzimpfungen, | |
die im Oktober beginnen. „Jetzt ist nicht die Zeit, in unserer Wachsamkeit | |
nachzulassen“, so Kyriakides. | |
Brüssel forderte die Mitgliedsländer auch auf, die Coronatests auszuweiten | |
und die Kontaktverfolgung bei Infektionen, etwa durch Warn-Apps, zu | |
verbessern. Es müsse verhindert werden, dass sich lokale Hotspots zu | |
Brandherden entwickelten. | |
## Bilanz von investigativen Journalisten ist vernichtend | |
Kyriakides vermied es, auf die Kritik einzugehen, die in einem Bericht des | |
Londoner Büros für investigativen Journalismus (TBIJ) zur ersten | |
Coronawelle im Frühjahr enthalten ist. Unter dem Titel „Crisis in the | |
Commission“ hat ein internationales Reporterteam die EU-Reaktion auf die | |
Pandemie aufgearbeitet. | |
Die Bilanz ist vernichtend: Es ging so ungefähr alles schief, was | |
schiefgehen konnte. Nicht nur die Mitgliedsstaaten haben versagt, auch die | |
EU-Kommission wurde ihrer Rolle nicht gerecht. Sogar die Präventionsagentur | |
ECDC, die für die Pandemiebekämpfung zuständig ist, war der Krise nicht | |
gewachsen. | |
So haben die ECDC-Experten nicht nur erste Alarmsignale aus dem | |
österreichischen Skiort Ischgl ignoriert. Sie waren nach dem TBIJ-Bericht | |
bis Mitte Februar auch nicht in der Lage, aktuelle Empfehlungen für das | |
Vorgehen an den europäischen Grenzen zu geben. Die letzten Empfehlungen | |
datierten noch von der Vogelgrippe 2010. | |
Die Folge: [2][Hektische, in nationalen Alleingängen verhängte | |
Grenzschließungen] [3][und ein Beinahe-Zusammenbruch des Binnenmarkts]. | |
Auch die EU-Kommission, die über den Binnenmarkt wacht, konnte dies nicht | |
verhindern. Die Brüsseler Behörde habe zu spät und zaghaft regiert, heißt | |
es in dem Bericht. | |
## Für Krisen zuständiger EU-Kommissar wenig aktiv | |
So habe der für Krisenfälle zuständige EU-Kommissar Janez Lenarčič zunäch… | |
wenig Aktivität entfaltet. Noch im Januar hätten Lenarcics Experten die | |
meisten Sitzungen des eigens einberufenen Health Security Committee | |
geschwänzt. Gleichzeitig stellte Brüssel allen Beteiligten ein gutes | |
Zeugnis aus: Es gebe einen „hohen Grad an Vorbereitung“. | |
Doch in Wahrheit war fast nichts vorbereitet. Als größtes Problem erwies | |
sich der Mangel an Masken und anderer Schutzausrüstung, der durch | |
zeitweise Exportverbote in Deutschland und Frankreich vergrößert wurde. | |
Doch selbst als sich die Knappheit schon abzeichnete, lieferte die EU noch | |
Ausrüstung nach China, so der TBIJ-Bericht. | |
Insgesamt ergibt sich ein Bild kollektiven Versagens auf vielen Ebenen. Die | |
Aufarbeitung lässt jedoch auf sich warten. Zwar wurden in einzelnen Ländern | |
nationale Untersuchungen eingeleitet. Doch auf EU-Ebene tut sich wenig. Das | |
Europaparlament hat einen Sonderausschuss zum Kampf gegen den Krebs | |
eingerichtet, nicht aber zu Covid-19. | |
Auch die EU-Kommission sieht keinen Grund für eine kritische | |
Nachbetrachtung. Sie habe „sehr früh vor der Gefährlichkeit des Coronavirus | |
gewarnt, noch vor der WHO“, heißt es in Brüssel. Entsprechend gehandelt hat | |
die EU jedoch nicht; kurz nach den ersten Warnungen entwickelte sich Europa | |
zum Epizentrum der Pandemie. | |
15 Jul 2020 | |
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## AUTOREN | |
Eric Bonse | |
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