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# taz.de -- Hockey ohne Olympia: Die WG als Fitnessstudio
> Seit Corona plant Hockey-Nationalspielerin Cécile Pieper nicht mehr weit
> in die Zukunft. Olympia im Sommer 2021 hält sie aber für möglich.
Bild: „Das verlernt man nicht so schnell“: Cécile Pieper in Aktion
Cécile Pieper kommt gerade vom Training beim Olympiastützpunkt Köln.
Eigentlich hätte sie längst auf dem Weg nach Tokio sein sollen:
Vorrundenspiele im olympischen Hockeyturnier. Pieper war in Rio mit ihrem
Team bereits Dritte. Für Tokio war die „Mission Gold“ ausgerufen. Statt des
Turniers steht nun aber Training an. Immerhin Training.
Zwischenzeitlich war nicht einmal das so recht möglich.
Nationalmannschaftskollegin [1][Janne Müller-Wieland] hatte sich einen
kleinen Hockeyparcours in die Garage gebaut. „Wir hatten nicht einmal das.
Unsere WG ist in einem Wohnhaus in Köln, direkt an der Hauptstraße: keine
Garage, kein Garten, nicht einmal ein Balkon“, blickt Pieper auf die ersten
Wochen des Lockdowns zurück.
Bewegungslos blieb die 25-jährige Psychologiestudentin aber nicht. Mit
WG-Gefährtin Nike Lorenz, auch sie Nationalspielerin und Mitspielerin beim
Bundesligaklub [2][Rot-Weiß Köln,] baute sie die Wohnung zu einem
veritablen Kraftraum um. „Die Fitnessstudios haben sofort alles zur
Verfügung gestellt für die Nationalspielerinnen. Das war richtig cool. Wir
sind da hingefahren, haben die ganzen Sachen ins Auto geladen und dann in
den zweiten Stock getragen. Dann hatten wir hier alles herumzuliegen – von
20-Kilo-Stange über 20-Kilo-Gewichte, die man raufklemmen konnte bis zu
Bällen, die wir hin und her werfen konnten. Wir haben auch eine Stange in
die Tür geklemmt und daran Klimmzüge gemacht“, erzählt Pieper. Zum Laufen
ging es dann raus.
Athletisch hat der Lockdown sie fitgemacht wie lange nicht. „So viel
Lauftraining machen wir ja sonst nicht in einer Saison“, sagt sie. Wie sehr
die Hand-Auge-Koordination gelitten hat, weiß sie noch nicht. Erste
Wettkämpfe – die Bundesligasaison und ein Länderspiel gegen Belgien – sind
erst ab September geplant. Aber Pieper ist optimistisch: „Das verlernt man
nicht so schnell.“
Zum Hockey kam sie über ihre Mutter. „Meine Mutter und mein Onkel haben
Hockey gespielt. Es lag also in der Familie. Und dann fand ich den Sport
einfach cool, das Spiel und auch das ganze Miteinander“, erzählt sie. Genau
das Miteinander hat sie dann am stärksten vermisst. Und auch die ersten
Trainingswochen, nach den ersten Lockerungen, haben sich seltsam angefühlt.
„Wir haben in Vierergruppen trainiert. Mehr Spielerinnen durften nicht
gleichzeitig da sein. In die Umkleidekabinen ging man nicht, sondern zog
sich zu Hause um. Man kam auf einem Weg zur Trainingsstätte und verließ sie
auf einem anderen Weg“, blickt sie zurück. Nach und nach wurde das Training
aber hockeyähnlicher. Zuletzt gab es sogar Spiele 10:10 auf dem Großfeld.
## Gemischte Gefühle nach der Verschiebung
Dass Olympia verschoben wurde, hat sie mit gemischten Gefühlen aufgenommen:
Schock einerseits, aber letztlich war es nicht überraschend. „Es ist ja
alles so schnell vonstatten gegangen. Anfangs hat man Corona noch nicht so
ernst genommen, man hat noch Späße darüber gemacht, wenn man was auf der
Straße anfasst, dann bekommt man Corona. Aber auf einmal gingen die Grenzen
zu, es kam der Lockdown. Und dann baute sich auch schnell von den Athleten
der Druck auf. Manche haben gesagt: ‚Wir fahren nicht, egal ob es
stattfindet oder nicht.‘ Es war klar, es bahnt sich etwas an. Und es
kristallisierte sich auch heraus, dass man es so nicht stattfinden lassen
kann. Als es dann abgesagt wurde, war es aber doch ein großer Schock. Man
hat gedacht, vor zwei Wochen haben wir uns noch darauf vorbereitet, es war
der Traum von Olympia. Und dann ist alles weg.“
In den Sommer 2021 blickt sie optimistisch, hält Olympia für möglich. Vor
allem möchte sie sich nicht mit zu vielen Zweifeln die Motivation an der
Trainingsarbeit nehmen. Die Zeit hat sie genutzt, um ihr Studium
voranzutreiben. Bis zum neuen Olympiatermin will sie ihre
Psychologie-Masterarbeit fertiggestellt und das komplette Studium beendet
haben. Erst Master, dann Olympiagold – das sind hohe Ziele. Thema der
Arbeit sind Default-Effekte, also Voreinstellungen. „Das ist zum Beispiel
so, wenn man eine Mail erhält und wird darin gefragt, ob man den Newsletter
bestellen will. Und die Option ist schon angekreuzt“, erklärt sie.
Wie es danach weiter geht, weiß sie noch nicht. „Olympia 2024 ist jetzt
nicht mehr so weit weg. Und vom Alter her könnte ich das auch machen. Aber
Corona hat mich etwas demotiviert, weiter als ein halbes Jahr in die
Zukunft zu planen“, meint sie. Klar ist immerhin der weitere Berufsweg.
„Mich reizt die betriebliche Marktforschung. Im September fange ich bei
Rewe in der Marktforschung an“, erzählt sie.
Bei ihrem Hockeysport sieht sie übrigens gar kein Problem wegen der
Geisterspiele. „In der Bundesliga kommen vielleicht 100 Menschen zu den
Spielen. Wenn es mal viele werden, sind es 200. Nur bei den Länderspielen,
wenn es in Mönchengladbach zum Beispiel gegen die Niederlande geht, dann
können schon mal 2.000 kommen“, sagt sie. Aber auch das wäre noch innerhalb
der für den Herbst geltenden Regeln für Großveranstaltungen. Kleinere
Sportarten haben manchmal eben kleinere Probleme.
26 Jul 2020
## LINKS
[1] https://www.mopo.de/sport/sportmix/corona-und-olympia-hamburger-hockey-star…
[2] https://rot-weiss-koeln.de/
## AUTOREN
Tom Mustroph
## TAGS
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
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Fußball-EM 2024
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