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# taz.de -- Hochseefischer-Verbandschef über Brexit: „Hunderte Jobs könnten…
> Die Fischereirechte spielen eine wichtige Rolle bei den
> Brexit-Verhandlungen. Schließlich stammt unser Fisch vor allem aus der
> britischen Zone.
Bild: Fischer und Möwen ziehen dahin, wo der Fisch ist: hier vor die britische…
taz: Herr Richter, das Thema Fischerei ist einer der großen Streitpunkte
zwischen der EU und Großbritannien. Wird es zu einer Einigung kommen?
Uwe Richter: Nach den erfolglosen Verhandlungsrunden bin ich eher
pessimistisch. Ein „harter Brexit“ ohne Abkommen wird mit jedem Tag
wahrscheinlicher. Aber eine Prognose ist nicht möglich. Es ist, als würde
man in eine Glaskugel gucken.
Die Briten wollen die Fangquoten neu verteilen: Sie sollen sich danach
richten, wie viel Fisch vor den Küsten der einzelnen Länder vorhanden ist.
Was würde das für die deutsche Flotte bedeuten?
Wir würden nicht unerhebliche Quotenanteile verlieren. Es ist nun mal ein
Fakt, dass sich die Heringe vor allem vor der britischen Küste aufhalten.
Das gilt auch für Makrele, Holzmakrele und Blauen Wittling. Momentan darf
die deutsche Flotte etwa 80.000 Tonnen dieser Schwarmfischarten fangen –
ein nicht unerheblicher Anteil davon stammt aus der 200-Meilen-Zone der
Briten.
Die Briten argumentieren, dass die EU acht Mal so viel Fisch in britischen
Gewässern fängt wie umgekehrt die Briten in EU-Gewässern. Ist es nicht
gerecht, dass die Briten ihren Fisch selbst fangen wollen?
Die jetzige Regelung existiert seit 1973 – seit dem Beitritt der Briten zur
EU. Die ganze Infrastruktur in den einzelnen Ländern ist auf die
derzeitigen Quoten ausgerichtet, von den Schiffen bis zu den
Verarbeitungsbetrieben an Land.
71 Prozent der britischen Fisch-Exporte gehen derzeit in die EU. Ist das
ein Druckmittel in den Brexit-Verhandlungen? Nach dem Motto: Wenn die
Briten die Fangquoten der EU-Länder nicht verlängern, dürfen sie keinen
Fisch mehr in die EU liefern?
Wir stellen die Forderung, dass die Briten ihren Fisch nur in die EU
exportieren dürfen, wenn es weiterhin einen Zugang für die europäischen
Fischer in die britischen Gewässer gibt. Ich denke, das haben mittlerweile
viele britische Fischer verstanden.
EU-Chefunterhändler Michel Barnier hat angekündigt, dass er den Briten
entgegen kommen will: Beim Thema Fischerei solle der Brexit „einen echten
Unterschied“ machen.
Ich weiß nicht, was sich dahinter verbirgt. Der endgültige Kompromiss lässt
sich daraus nicht ablesen.
Wie viele Arbeitsplätze würde es in Deutschland kosten, wenn die britischen
Gewässer künftig Tabu wären?
Es dürften mehrere hundert Arbeitsplätze wegfallen. Momentan gibt es in
Deutschland sieben Schiffe für die Hochseefischerei, die weltweit im
Einsatz sind und die insgesamt etwa 450 Mann in den Reederein beschäftigen.
Vier dieser Schiffe sind derzeit vor allem in britischen Gewässern
unterwegs. Hinzu kommen noch viele deutsche Kutter, die auch in britischen
Gewässern aktiv sind. Zudem darf man die Dienstleistungsfirmen an Land
nicht vergessen – zum Beispiel die Wartung und Versorgung der Schiffe. Und
dann gibt es noch die Fischverarbeitung: In Sassnitz auf Rügen verarbeiten
wir jährlich 50.000 Tonnen Hering, der vor allem von deutschen und
dänischen Schiffen stammt, die im britischen Seegebiet unterwegs sind. Wenn
diese Fangquoten wegfallen, müsste das Werk in Sassnitz wohl schließen. Das
würde etwa 200 Arbeitsplätze kosten. Weitere regionale Unternehmen, mit
denen wir kooperieren, wären ebenfalls betroffen.
Falls es zu einem „harten Brexit“ kommt: Droht dann eine Überfischung, weil
die Meere unkoordiniert geplündert würden?
Die Gefahr besteht. Denn die Briten wollen ihre Fangquoten um jeden Preis
erhöhen. Hier sind dann alle Küstenstaaten gefordert, eine einvernehmliche
Lösung zu finden. Eine Überfischung muss unbedingt vermieden werden. Es ist
daher nicht unwahrscheinlich, dass die EU ihre Quoten reduziert. Das
verlangt das Vorsorgeprinzip.
Spekulieren die Briten darauf, dass die EU im Zweifel nachgibt?
Ich will nichts unterstellen, aber das kann durchaus sein.
7 Jul 2020
## AUTOREN
Ulrike Herrmann
## TAGS
Schwerpunkt Brexit
Fischerei
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