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# taz.de -- Kommunalwahlen in Frankreich: Jetzt muss Macron liefern
> Der Wahlerfolg der Grünen in Frankreich erhöht den Druck auf den
> französischen Präsidenten. Prompt erinnert der sich an an seine
> Klimaversprechen.
Bild: Zwei Grüne in Straßburg: Der Bürgermeister von Grenoble, Éric Piolle,…
Paris taz | Haben die Corona-Erfahrung und die Sorge um die Gesundheit in
Frankreich einen Meinungswandel bewirkt, der sich nun in Wahlergebnissen
zeigt? Oder ernten die Grünen einfach endlich die Früchte ihrer jahrelangen
und meist vergeblichen Bemühungen, den Raubbau an der Natur und Umwelt zu
stoppen und den Kampf gegen Klimaerwärmung in alle gesellschaftlichen
Bereichen zu integrieren?
Es gibt bestimmt verschiedene Gründe für den eindrücklichen [1][Vormarsch
der Grünen bei den französischen Kommunalwahlen]. Ein zentraler ist jedoch
sicherlich das Fiasko der Regierungspartei La République en marche (LREM).
Die Vertrauenskrise, der Präsident Emmanuel Macron samt seiner Bewegung
ausgesetzt ist, bedingt den aktuellen lokalen Erfolg der Grünen von Europe
Écologie – Les Verts (EELV). Sie stellen für viele eine glaubwürdige
Alternative zur LREM und den traditionellen Parteien dar.
Macrons Bewegung war angetreten, das allzu dualistische Links-rechts-Schema
der französischen Parteienlandschaft zu überwinden, an der Regierung aber
tendierte sie unter Führung von Premierminister Édouard Philippe klar nach
rechts zu einer [2][neoliberalen, antisozialen Politik]. Klimapolitik
hingegen blieb ein weitgehend leeres Wort. Für die EELV öffnete sich da
eine politische Marktlücke.
Und nicht nur die Grünen haben profitiert, sondern auch die diversen linken
Parteien, die Sozialisten, La France insoumise, Génération.s und die
Kommunisten. Man muss sogar sagen: Der Erfolg hat sich gegenseitig bedingt.
Denn ohne rot-grüne Allianzen mit wechselnder Zusammensetzung je nach Stadt
und lokaler Vorgeschichte wäre der Triumph weder in Lyon noch in Bordeaux
denkbar gewesen.
## Macron und Rechte gegen Rot-Grün
Das französische Wahlsystem in zwei Durchgängen macht taktische oder
[3][strategische Bündnisse] fast unabdingbar. Das vermittelt in gewissen
Fällen den unschönen Eindruck von opportunistischen Absprachen, die mehr
persönlichen Karriereinteressen entsprechen als politischen oder gar
gemeinnützigen Zielsetzungen. Wer nicht bündnisfähig ist, bleibt isoliert
und schlecht repräsentiert.
Das hatten die französischen Grünen jedes Mal erfahren müssen, wenn sie zu
sehr auf ihrer Unabhängigkeit bestanden, weil sie es leid waren, [4][als
Juniorpartner der links-hegemonischen Sozialisten] die zweite Geige zu
spielen. Das haben die Grünen bei der ersten landesweiten
Regierungskoalition mit den Sozialisten (1997–2002) gespürt, bei der auch
noch andere Kleinparteien dabei waren und deshalb „Gauche plurielle“ (Linke
im Plural) genannt wurde. Zwar ging mit Dominique Voynet erstmals das
Umweltministerium an eine grüne Politikerin. Andererseits waren die Grünen
unter dem sozialistischen Premierminister Lionel Jospin nur ein kleiner
Partner.
Am Montag hat sich das Kräfteverhältnis gedreht. Es sind die Grünen, die
erstarken und in der Debatte um Allianzen und Koalitionen den Ton angeben.
Die EELV ist auf der linken Überholspur, rechts ist für sie eine politische
Einbahnstraße. Spätestens nach diesen Kommunalwahlen und den geradezu
spektakulären Erfolgen in Lyon, Bordeaux, Straßburg, Besançon etc. kommt
ihnen eine Führungsrolle zu.
Diese hatte bisher der Ex-Präsidentschaftskandidat Jean-Luc Mélenchon für
seine Bewegung La France insoumise beansprucht, doch die WählerInnen haben
es anders gesehen. Die Sozialisten haben sich noch kaum von der
Wahlschlappe nach der [5][Präsidentschaft von François Hollande]
(2012–2017) erholt, sie feiern nun ein unverhofftes Comeback, wissen aber
nur zu gut, dass dieses ohne grüne Unterstützung weder in Paris noch in
Rouen oder Nancy kaum möglich gewesen wäre.
## Sozis unterstützen Grünen Kandidaten
Sehr bescheiden oder auch einfach pragmatisch erklärte der sozialistische
Parteichef Olivier Faure am Sonntagabend angesichts der grünen Welle in den
Städten, er sei in Hinblick auf die Präsidentschaftswahlen von 2022 bereit,
sich hinter eine gemeinsame Kandidatur einer Persönlichkeit aus den Reihen
der Grünen zu stellen. Das ist neu und zwingt zugleich die französischen
Grünen, diese neue Verantwortung für die Bildung neuer (grün-rot-bunter)
Allianzen wahrzunehmen. Dazu muss diese immer noch unter [6][internen
Rivalitäten leidende Partei] aus den lokalen Erfahrungen lernen.
Kein politisches Terrain ist bürgernäher als die Kommunalpolitik. Diese
erlaubt es, ganz konkret im Straßenverkehr, in den Schulrestaurants, in der
Raumplanung und lokalen Wirtschaftsförderung sowie mit der Unterstützung
von Bürgerinitiativen und Vereinen zu zeigen, was vor Ort aus dem Rathaus
heraus anders und besser gemacht werden kann, um viel weiter gehende
Änderungen einzuleiten.
Der lokale Triumph der Grünen öffnet den Weg zu einer neuen klima- und
umweltpolitisch geprägten linken Mehrheit für Frankreich (und Europa).
[7][Mehr als vielleicht in Deutschland] macht es die konservative Rechte in
Frankreich den Grünen durch eine fast permanente Ablehnung einer ambitiösen
Verkehrs-, Energie- und Umweltpolitik oder auch einer nachhaltigen
Landwirtschaft leicht, die Partnerwahl auf der linken Seite der politischen
Landschaft zu treffen. Umgekehrt mussten namentlich die Sozialisten
selbstkritisch von früheren Positionen, zum Beispiel in der Frage der
Atomenergie, abrücken.
Macron versucht mit dem von ihm initiierten [8][Bürgergremium zum Klima] zu
kontern. Er steht auch in der Bringschuld, hat er doch auch hinsichtlich
des Klimaschutzes Wahlversprechen einzulösen. Vor seiner Abreise zu einem
Treffen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel am Montag traf der Präsident noch
die 150 Mitglieder des Bürgergremiums „Convention citoyenne pour la
climat“, das ihm 149 zum Teil sehr ehrgeizig klingende Vorschläge zur
Einhaltung der Klimaziele vorgelegt hat.
## Grüner Macron?
Macron versicherte, er wolle allen Anregungen Rechnung tragen außer dreien:
die Debatte über eine Senkung der Geschwindigkeit auf Autobahnen, die
Forderung nach einer vierprozentigen Abgabe auf Dividenden zur Finanzierung
des Klimawandels sowie die Verankerung des Umwelt- und Artenschutzes als
Verfassungsauftrag der Republik.
Macron gibt sich aber deutlich grüner – und geht damit einen Schritt auf
die Grünen zu. Für die EELV ist aber gar nicht garantiert, dass Macrons
LREM nach 2022 überhaupt noch existiert. Das wird sie davon abhalten, sich
zu sehr von Macrons Klimaversprechen um den Finger wickeln zu lassen.
Außerdem ist die Allianz mit der Linken aus Erfahrung erfolgversprechend.
29 Jun 2020
## LINKS
[1] /Kommunalwahlen-in-Frankreich/!5697478
[2] /Rentenreform-in-Frankreich/!5660795
[3] /Kommunalwahlen-in-Frankreich/!5696871
[4] /Praesidentschaftswahl-in-Frankreich/!5383946
[5] /Bilanz-von-Francois-Hollande/!5406372
[6] /Krise-der-Gruenen-in-Frankreich/!5058399
[7] /Klimapolitik-der-CDU/!5626941
[8] /Buergergremium-in-Frankreich/!5691065
## AUTOREN
Rudolf Balmer
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