# taz.de -- Präsidentschaftswahl in Polen: Duell um das Amt | |
> Der amtierende PiS-Präsident und der KO-Politiker Trzaskowski müssen in | |
> die Stichwahl. Kann er die PiS-Vorherrschaft durchbrechen? | |
Bild: Warschaus Bürgermeister Rafal Trzaskowski am Sonntag nach den ersten Erg… | |
WARSCHAU taz | „Das ist nicht das Ende des Krieges!“ titelt Polens | |
Boulevardblatt Superexpress nach der Präsidentenwahl am Sonntag. Dazu | |
strahlen allerdings sowohl Andrzej Duda als auch Rafal Trzaskowski so | |
siegessicher, als sei der kommende Wahlkampf und die Stichwahl in zwei | |
Wochen das reinste Vergnügen. Der amtierende Präsident Polens Duda kam nach | |
Auszählung von rund 99 Prozent aller Wahlkreise auf knapp 44 Prozent und | |
verfehlte damit die für einen Sieg notwendigen 50 Prozent, während der | |
Oberbürgermeister Warschaus Trzaskowski auf rund 30 Prozent kam und damit | |
sein selbst gesetztes Ziel von über 30 Prozent knapp erreichte. | |
Jetzt geht es für die beiden 48-Jährigen von der nationalpopulistischen | |
Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) und der liberalkonservativen | |
Bürgerkoalition (KO) [1][in die nächste Runde]. Am Sonntag, dem 12. Juli, | |
steht die Stichwahl an. | |
Obwohl Trzaskowski mit knapp 15 Prozent zurückliegt, räumen ihm viele | |
politische Beobachter in Polen eine reelle Chance ein. Ausschlaggebend für | |
den Sieg in zwei Wochen werden die Stimmen der Wählerinnen und Wähler sein, | |
die in der ersten Runde für einen der neun anderen Kandidaten gestimmt | |
hatten. Schon am Wahlabend, als Duda sich von seinen Fans feiern ließ, warb | |
er um die Wählergunst der nationalistischen und EU-feindlichen | |
Konfederacja. Knapp 1,4 Millionen Menschen hatten am Sonntag für den | |
Konfederacja-Chef Krzysztof Bosak gestimmt, was ihm 6,7 Prozent der Stimmen | |
und Platz Vier unter den Präsidentenkandidaten einbrachte. Seine | |
Wählerinnen und Wähler sind allerding gegen die vielen Sozialleistungen im | |
Gießkannenprinzip, für die Duda steht. | |
Trzaskowski wiederum hat es vor allem auf die Stimmen des | |
parteiunabhängigen Publizisten und Fernsehmoderators Szymon Holownia | |
abgesehen. Der bekennende Katholik, der sich aber erstaunlich klar für die | |
Trennung von Staat und Kirche in Polen ausspricht, konnte mit fast 14 | |
Prozent den dritten Platz für sich erobern. | |
## Keine leichte Aufgabe für Trzaskowski | |
Trzaskowski muss den Wählerinnen und Wählern Holownias klarmachen, dass er | |
als Präsident Polens kein Parteisoldat der liberalkonservativen | |
Bürgerkoalition (KO) sein wird. Leicht wird ihm das nicht fallen, hatte er | |
doch noch vor den Wahlen versichert, dass er als Oberbürgermeister | |
Warschaus die Warschauerinnen und Warschauer nicht verraten werde. | |
Von Interesse für Duda und Trzaskowski sind auch die rund 450.000 Stimmen, | |
die Wladyslaw Kosiniak-Kamysz von der Bauernpartei auf sich vereinigen | |
konnte, sowie – nur für Trzaskowski – die rund 425.000 Stimmen von | |
[2][Robert Biedron, dem ersten offen homosexuell lebenden Politiker | |
Polens]. Beide, der Bauernchef wie auch Biedron, der für die Vereinigte | |
Linke antrat, hatten um die 10 Prozent angepeilt und mussten mit 2,3 bzw | |
2,2 Prozent herbe Niederlagen einstecken. | |
Sie hatten ein Glaubwürdigkeitsproblem: dem stets elegant gekleideten Arzt | |
Kosiniak-Kamysz fehlte gewissenmaßen der Stallgeruch, um die | |
Landbevölkerung von sich zu überzeugen. Biedron hatte mit seiner | |
Parteigründung „Wiosna“ (Frühling) viele Hoffnungen auf eine Alternative … | |
verknöcherten Parteiensystem Polens geweckt. | |
Doch nach den Europawahlen, in denen Wiosna drei Mandate holte, entschwand | |
Biedron nach Brüssel auf den gut besoldeten EU-Parlamentarierposten, | |
während der „Frühling“ sang- und klanglos in der Vereinigten Linken | |
aufging. Zudem war es Trzaskowski in den Präsidentschaftswahlen gelungen, | |
das ureigene Thema Biedrons – LGBT – zu seinem eigenen zu machen. | |
Favorit für die Stichwahl am 12. Juli ist aber der Jurist Duda. Sollte es | |
ihm, der PiS und dem Staatssender TVP gelingen, die bisherigen PiS- und | |
Duda-Wählerinnen und -Wähler zu gewinnen sowie diejenigen von Bosak und | |
seiner Federacja, hätte Duda schon gewonnen. Dann könnte die PiS weitere | |
drei Jahre durchregieren, ohne Rücksicht auf die Opposition nehmen zu | |
müssen. Im Sejm, dem polnischen Abgeordnetenhaus, hat sie die absolute | |
Mehrheit, kann also jedes Gesetz durchwinken, das am Ende der | |
PiS-“Kugelschreiber“ alias Andrzej Duda unterschreibt. | |
## Trzaskowski will nun auf Tour durch die Dörfer gehen | |
Genau diese Situation ist es andererseits, die dem weltoffenen Politologen | |
Trzaskowski viele Wählerinnen und Wähler zutreiben könnte, denen an einer | |
Destabilisierung dieser Machtkonstellation gelegen ist. Biedron wird sicher | |
wieder nach Brüssel gehen, aber Holownia, Bosak und Kosiniak-Kamysz werden | |
ihre Parteiprojekte nur durchziehen können, wenn das PiS-Machtsystem wieder | |
abgelöst wird von einer pluralistischen Demokratie. Das ist die Chance | |
Trzaskowskis. | |
Schon am Wahlabend kündigte Trzaskowski an, nun die Ochsentour auf sich zu | |
nehmen, die Duda schon hinter sich hat. Er will so viele Orte wie nur | |
irgend möglich in allen 16 polnischen Wojewodschaften besuchen, den Leuten | |
zuhören, für sein Programm und sich selbst werben. Im ersten Wahlgang hat | |
Trzaskowski gerade mal drei Wojewodschaften gewinnen können, allesamt in | |
Westpolen, Duda hingegen dreizehn. Expräsident Aleksander Kwasniewski, der | |
einzige Ex-Präsident Polens, dem bislang eine Wiederwahl gelang, empfiehlt | |
Trzaskowski das zigtausendfache Händeschütteln und das „Bad in der Menge“. | |
Denn Wahlen werden in Polen immer noch auf dem Dorf gewonnen, nicht in den | |
Städten. | |
29 Jun 2020 | |
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## AUTOREN | |
Gabriele Lesser | |
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