Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Gesetzesverschärfung bei Kindesmissbrauch: Kein Vergehen, ein Verb…
> Die Justizministerin will Gesetze gegen Kindesmissbrauch verschärfen. Wer
> in sexueller Absicht berührt, soll mindestens ein Jahr ins Gefängnis.
Bild: Christine Lambrecht (SPD) hat mehrere umstrittene Verschärfungen im Sexu…
Karlsruhe taz | Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) gibt dem Druck
nach. Künftig sollen auch einfache Berührungen von Kindern als Verbrechen
bestraft werden, wenn diese Berührungen in sexueller Absicht erfolgten. Die
CDU/CSU und die Bild-Zeitung hatten schon seit Tagen gefordert, dass
sexueller Missbrauch generell als Verbrechen eingestuft werden müsse.
Seit rund zwanzig Jahren kommt die Forderung immer wieder auf, den
Missbrauch von Kindern nicht mehr als „Vergehen“ zu behandeln, sondern als
„Verbrechen“ zu bestrafen. Mindesthaftstrafe wäre dann ein Jahr, eine
Einstellung des Verfahrens gegen Zahlung einer Geldauflage wäre nicht
möglich. Derzeit ist im Strafgesetzbuch eine Mindeststrafe von sechs
Monaten Gefängnis vorgesehen.
NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) ist in der Diskussion besonders laut,
denn er steht [1][seit dem mehrjährigen Missbrauch auf dem Campingplatz von
Lügde (NRW)] besonders unter Druck. Beim Versuch der Aufklärung
verschwanden immer wieder Beweise in der NRW-Polizei. Dem Täter war vom
örtlichen Jugendamt sogar ein Pflegekind überlassen worden. Auch beim jetzt
aufgedeckten Missbrauchsnetzwerk von Münster stand wieder NRW im Fokus.
Kurz vor Lambrechts Umfaller erklärte Reul: „Für mich ist sexueller
Missbrauch wie Mord, damit wird das Leben von Kindern beendet – nicht
physisch, aber psychisch.“ Die CDU verwies auf einen Beschluss der
Innenministerkonferenz (IMK) aus dem Frühjahr 2019. Auf Betreiben von Reul
war damals empfohlen worden, dass sowohl der sexuelle Missbrauch von
Kindern als auch der Besitz und die Verbreitung von Kinderpornografie zum
Verbrechen hochgestuft werden soll. Justizministerin Lambrecht lehnte das
bisher (wie ihre Vorgängerinnen) ab. Die Strafvorschriften erfassten ein
sehr breites Spektrum an Taten, auch Handlungen, die eindeutig kein
Verbrechen seien. Als Beispiel nannte das Ministerium, dass ein Sportlehrer
einmal seine Hand auf die Brust einer Schülerin legt. Nun will Lambrecht
darin auch ein Verbrechen sehen.
## Mehrere umstrittene Verschärfungen
Die IMK hatte 2019 vorgeschlagen, solche Fälle „zur Vermeidung unbilliger
Härten“ als „minder schwere Fälle“ zu werten. Allerdings war 2004 der
„minder schwere Fall des sexuellen Missbrauchs von Kindern“ abgeschafft
worden. Den Opfern sollte nicht mehr zugemutet werden, dass die Tat von der
Rechtsordnung nur als „minder schwer“ gewertet wird.
Die SPD-Fraktion wird die von Lambrecht angekündigte Verschärfung
vermutlich mitmachen. Ihr rechtspolitischer Sprecher Johannes Fechner hatte
zuvor der Bild-Zeitung erklärt: „Wir sind offen, die Erhöhung des
Strafrahmens des sexuellen Missbrauchs von Kindern zu prüfen.“
Bisher verwies das Justizministerium noch darauf, dass das Strafgesetzbuch
für schwere Fälle schon heute schwere Strafen vorsehe. So beträgt die
Mindesthaftstrafe zwei Jahre, wenn das Kind penetriert wird oder eine
erhebliche Schädigung der Entwicklung droht. Wenn das Kind in Lebensgefahr
gerät, beträgt die Mindesthaftstrafe sogar fünf Jahre. Der Haupttäter von
Lügde wurde im September 2019 zu immerhin 13 Jahren Gefängnisstrafe mit
anschließender Sicherungsverwahrung verurteilt.
Lambrecht, die erst seit Juni 2019 Justizministerin ist, hat in diesem Jahr
schon mehrere umstrittene Verschärfungen im Sexualstrafrecht auf den Weg
gebracht. So ist der Polizei etwa die Herstellung von
[2][computergenerierter Kinderpornografie] erlaubt, damit sich Beamte
Zugang zu Tauschbörsen im Darknet verschaffen können. Außerdem wurde
bereits der Versuch des Cybergrooming unter Strafe gestellt. Damit können
nun auch Täter bestraft werden, die sich im Internet an vermeintliche
Kinder heranmachen, die aber von Polizisten gespielt werden.
11 Jun 2020
## LINKS
[1] /Luegde-Untersuchungsausschuss/!5687637
[2] /Vorgehen-gegen-Kinderpornografie/!5644359
## AUTOREN
Christian Rath
## TAGS
sexueller Missbrauch
Kinderrechte
Strafverfolgung
Kindesmissbrauch
Illegale Autorennen
Sexualisierte Gewalt
Kindesmissbrauch
Kindesmissbrauch
Schwerpunkt Coronavirus
Schwerpunkt Coronavirus
## ARTIKEL ZUM THEMA
Missbrauchskomplex Bergisch Gladbach: 30.000 Verdächtige
Der Missbrauchskomplex Bergisch Gladbach erreicht eine neue Dimension:
Ermittler entdeckten Tarnnamen und Spuren von mehr als 30.000 Verdächtigen.
Bundesgerichtshof zu Ku’damm-Rennen: Autoraser können Mörder sein
Der BGH bestätigt das Urteil zum tödlichen Ku’damm-Rennen. Der Fahrer sei
mit „äußerstem Risiko“ gerast, ein Mordvorsatz daher gegeben.
Studie zu sexualisierter Gewalt: EKD will Missbrauch aufarbeiten
Die evangelische Kirche hat eine Studie zu sexualisierter Gewalt in
Gemeinden beschlossen. Sie soll helfen, zukünftige Übergriffe zu
verhindern.
Kinderschutz in Deutschland: Mehr als Law and Order
Härtere Strafen gegen Kindesmissbrauch helfen nur bedingt. Wichtiger ist,
dass Kinder angehört und beteiligt werden, wenn es um ihr Wohl geht.
Sexualisierte Gewalt in Münster: Entsetzen über Kindesmissbrauch
In einer Gartenlaube in Münster wurden Kinder zum sexuellen Missbrauch
angeboten. Die Polizei nimmt elf Tatverdächtige fest, Datenträger werden
ausgewertet.
Gewalt in Coronazeiten: Kinderschutz in der Krise
Kinder, die in Familien sexuelle Gewalt erleben, sind besonders schutzlos.
Auch ihren Helfern fehlt die Lobby.
Sexuelle Gewalt gegen Kinder: Das hört nicht einfach auf
Missbrauch ist ein Massenphänomen. Einen Anlass für mehr Prävention bieten
die Ausgangsbeschränkungen.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.