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# taz.de -- Liste der vergessenen Konflikte: „Ein Tornado an Notlagen“
> Der Norwegische Flüchtlingsrat hat die zehn am wenigsten beachteten
> humanitären Krisen aufgelistet. Bis auf eine Ausnahme liegen alle in
> Afrika.
Bild: Einer von vielen vergessenen Konflikten: Binnenvertriebene aus dem Norden…
Berlin taz | Millionen Vertriebene, über die kaum jemand spricht – und
denen deshalb kaum geholfen wird: Jedes Jahr veröffentlicht der Norwegische
Flüchtlingsrat (NRC) die Liste der [1][zehn am stärksten vernachlässigten
humanitären Krisen in der Welt]. Mit einer Ausnahme – Venezuela – liegen
derzeit alle in Afrika: Kamerun, die DR Kongo, Burkina Faso, Burundi, Mali,
Süd-Sudan, Nigeria, die Zentralafrikanische Republik und Niger. „Trotz
eines Tornados von Notlagen stoßen ihre Hilferufe auf taube Ohren“, sagt
Jan Egeland, Generalsekretär des NRC.
Neu auf der Liste ist Burkina Faso. In dem Sahel-Staat mit rund 20
Millionen EinwohnerInnen lebten Anfang 2019 rund 80.00 Binnenvertriebene.
Heute sind es über zehnmal so viele – fast 850.000. Das UN-Flüchtlingswerk
UNHCR rechnet damit, dass im Laufe des Jahres 2020 insgesamt 300.000 neue
Binnenvertriebene registriert werden.
In dem Land sind zuletzt Anfang Juni bei einer Serie mutmaßlich von
Dschihadisten verübter Anschläge mindestens 50 Menschen getötet worden. Die
Angreifer seien auf Motorrädern in einen Markt eingedrungen und hätten um
sich geschossen, sagte ein Einwohner der Nachrichtenagentur AFP.
Auf den Staat ist wenig Verlass: Militärs würden oft nicht anders verhalten
als die von ihnen verfolgten Islamisten, heißt es in einem am Mittwoch
veröffentlichten [2][Bericht von Amnesty International]. Die Bevölkerung
sei beiden Seiten gleichermaßen ausgeliefert, sagte die
Amnesty-International-Direktorin für West- und Zentralafrika, Samira Daoud.
In Burkina Faso hätten Antiterroreinheiten erst kürzlich an einem einzigen
Tag 31 Menschen verhaftet und erschossen.
## Wo die Medien hinschauen, ist entscheidend
Eine der Folgen ist Hunger. Denn viele der Vertriebenen sind Kleinbauern,
die nun nicht mehr in der Lage sind, ihre Familien zu versorgen. Schon
jetzt sind in Burkina Faso etwa zwei Millionen Menschen von
Nahrungsunsicherheit betroffen, wie aus einem aktuellen Bericht der
Regierung hervorgeht.
Um die Liste der vernachlässigten Krisen zu erstellen, setzt der
Norwegische Flüchtlingsrat die Zahl der betroffenen Menschen ins Verhältnis
zur Aufmerksamkeit internationaler Medien. Grundlage dafür ist der
Meltwater Media Monitor, eine Auswertung der privaten Beraterfirma
Meltwater. Die Zahl der jeweiligen Medienberichte wird mit der Zahl der
Berichte über den international am stärksten beachteten Konflikt – Mexiko �…
und dem am wenigsten beachteten – Kongo – verglichen. Die Methodik ist
stark konstruiert, zeigt aber, wo hingeschaut wird und wo nicht. Und
Medienaufmerksamkeit entscheidet oft mit darüber, ob lebenswichtige
Unterstützung privater und staatlicher Geber fließt oder nicht.
Das Budget des UN-Flüchtlingswerks für Burkina Faso etwa liegt für das
gesamte Jahr 2020 bei gerade einmal 40 Millionen Dollar – das sind rund 50
Dollar pro Vertriebenem. Das Welternährungsprogramm WFP bittet für die
zweite Jahreshälfte für Burkina Faso um 71 Millionen Dollar für die
Versorgung von 1,1 Millionen Menschen. Das sind 10,70 Dollar pro Person und
Monat. Und die Appelle werden von den Gebern in der Regel nicht voll
erfüllt.
„Die tiefen Krisen, die Millionen von vertriebenen Afrikanern zur Folge
haben, sind wieder einmal die am stärksten unterfinanzierten, ignorierten
und depriorisierten Krisen der Welt. Sie sind geplagt von diplomatischer
und politischer Lähmung, schwachen Hilfsaktionen und geringer
Aufmerksamkeit der Medien“, klagt der NRC- Generalsekretär Egeland.
Das NRC geht davon aus, dass sich die humanitären Krisen in diesen Ländern
durch die Coronakrise im Laufe des Jahres 2020 verschlimmern. „Covid-19
breitet sich in ganz Afrika aus, und viele der am meisten vernachlässigten
Gemeinschaften sind bereits durch die wirtschaftlichen Schocks der Pandemie
verwüstet“, sagt Egeland. „Wir brauchen jetzt mehr denn je Solidarität mit
diesen von Konflikten heimgesuchten Gemeinschaften, damit das Virus nicht
noch mehr unerträgliche Katastrophen zu den unzähligen Krisen hinzufügt,
denen sie bereits ausgesetzt sind.“
10 Jun 2020
## LINKS
[1] https://www.nrc.no/shorthand/fr/the-worlds-most-neglected-displacement-cris…
[2] https://www.amnesty.org/en/latest/news/2020/06/sahel-soldiers-rampage-throu…
## AUTOREN
Christian Jakob
## TAGS
Schwerpunkt Flucht
Humanitäre Hilfe
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Burkina Faso
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