# taz.de -- Berliner Kleinverlag für Krimis: Morbide Expressivität mit Niveau | |
> Frank Nowatzki macht mit Pulp Master eines der besten Programme im | |
> Krimibereich, wofür er jetzt mit dem Deutschen Verlagspreis ausgezeichnet | |
> wurde. | |
Bild: Doch noch erwischt: Frank Nowatzki verlegt Krimis und hat einen Preis daf… | |
Berlin taz | Die Buchrücken sind mit so viel Understatement gestaltet, dass | |
man sie kaum sieht. Nur deswegen konnte es passieren, dass Tom Franklins | |
grandioser Südstaatenthriller „Krumme Type, krumme Type“ länger als ein | |
Jahr unbemerkt bei mir im Regal stand. Das wäre nicht passiert, wenn das | |
Buch mit der Vorderseite nach oben herumgelegen hätte, denn die Coverbilder | |
des Hamburger Künstlers 4000 sind von so morbider Expressivität, dass man | |
unmittelbar auf sie reagiert. | |
Diese Mischung aus Undercovergestus nach außen und Kompromisslosigkeit im | |
Inhalt gehört sicher zu dem, was den Verlag Pulp Master im Kern ausmacht. | |
Seit 30 Jahren arbeitet der Verleger Frank Nowatzki in diesem Geiste und | |
macht zusammen mit einem kleinen Team engagierter ÜberzeugungstäterInnen | |
so ziemlich die besten Crime-noir-Romane (wenn man nun unbedingt ein Label | |
dafür finden will) des deutschen Sprachraums. Dafür gab es jetzt endlich | |
einmal ordentlich Lorbeeren: Pulp Master wurde mit dem Deutschen | |
Verlagspreis 2020 ausgezeichnet. Auch eine Finanzspritze ist damit | |
verbunden, die, wie Frank Nowatzki sagt, gerade jetzt nach dem | |
coronabedingten Umsatzeinbruch hochwillkommen sei – „theoretisch. Aber | |
ich glaub das sowieso erst, wenn das Geld auch da ist.“ | |
Wir treffen uns in seiner Mittagspause zum Gespräch. Weil es schwierig ist, | |
vom Büchermachen zu leben, wenn man beharrlich in einer Marktnische agiert | |
und außerdem Familie hat, übt der Verleger nämlich einen Brotjob aus. Vier | |
Tage die Woche arbeitet er bei einem Wissenschaftsverlag in der | |
EDV-Abteilung. „Nee, Admin-Qualitäten hab ich nicht“, sagt er, „aber ich | |
hab den Admin schon mal vertreten.“ | |
Tatsächlich hat Frank Nowatzki eine Lehre als Verlagskaufmann | |
abgeschlossen, macht also mit Pulp Master genau das, wofür er ausgebildet | |
wurde. Zum großen Teil jedenfalls. Das Kaufmännische dabei ist wohl eher | |
etwas untergeordnet, denn der Verleger konzentriert sich ausschließlich auf | |
das, was er gut findet. Und das ist eben diese spezielle Nische, in der die | |
abseitigeren Geschichten aus der weiten Welt der Thriller- und | |
Kriminalliteratur zu Hause sind. Vieles davon könnte mit dem Noir-Label | |
belegt werden, aber so sehr hat Nowatzki es nicht mit Labels, sagt er. | |
## Finster grundierte Genreliteratur | |
Einst war er für längere Zeit in San Francisco und entdeckte für sich diese | |
Art von subversiver, finster grundierter Genreliteratur, die in Deutschland | |
weder ein Pendant hatte noch bis dahin in angemessener Breite übersetzt | |
worden war. Zurück in Berlin, begann Nowatzki Ende der Achtziger Titel der | |
amerikanischen Black Lizard Books in deutscher Übersetzung herauszubringen, | |
verlor die Lizenz wieder und lernte dann den Verleger Erich Maas kennen, | |
der ihm anbot, sich zusammenzutun. Also nahm Pulp Master seinen Anfang als | |
Imprint im Maas Verlag. | |
„Der Name kam damals natürlich von ‚Pulp Fiction‘ “, sagt Nowatzki und | |
deutet ein Grinsen an. „Da haben wir den Hype um den Film schon gezielt | |
ausgenutzt.“ Mit dem Londoner Unterweltroman „Roter Nebel“ des | |
Krimipreisträgers Derek Raymond und den Storys von Dashiell Hammetts | |
Black-Mask-Zeitgenosse Paul Cain startete die Reihe. Beide Titel sollen | |
demnächst – ein kleiner Anflug von Nostalgie – neu aufgelegt werden. | |
Während der kleine Berliner Verlag fürs breite Lesepublikum immer noch eher | |
ein Geheimtipp ist, machte Pulp Master sich in der Genreszene und bei der | |
Kritik schnell einen Namen. Ein bisschen sogar zum eigenen Schaden. Der | |
Australier Garry Disher, den Nowatzki entdeckt und als Erster auf Deutsch | |
herausgebracht hatte, landete mit den Folgetiteln bei einem deutlich | |
potenteren Konkurrenzverlag und kam dort groß heraus. | |
Umgekehrt profitierte Pulp Master aber auch von der gestiegenen Prominenz | |
des Autors, als mit „Hitze“ vergangenes Jahr nach langer Zeit wieder einmal | |
ein ins Deutsche übersetzter Disher-Roman aus Berlin kam. Auch dass | |
Nowatzki sich die deutschen Rechte an zwei Romanen von Tom Franklin sichern | |
konnte, der in den USA längst einen großen Namen hat, war ein Coup, der nur | |
gelingen konnte, weil Pulp Master eben über einen ausgezeichneten Ruf | |
verfügt – und weil kein anderer deutschsprachiger Verlag hatte zugreifen | |
wollen. | |
## Alle in Heimarbeit | |
Über eigene Verlagsräume verfügt Pulp Master bislang nicht. Alle arbeiten | |
dort, wo sie auch wohnen: Nowatzki bei sich zu Hause, die Lektorin Angelika | |
Müller und Ango Laina, der bisher für Pulp Master die meisten Titel | |
übersetzt hat, in Hamburg. Und wo sind dann all die Bücher, von denen | |
[1][es auf der Website] heißt, dass man die auch direkt beim Verlag | |
bestellen kann?, frage ich. „Na ja, so oft kommt das nun auch nicht vor, | |
dass jemand das macht“, sagt Nowatzki. „Die stehen eben irgendwo im Regal.�… | |
Im Brandenburgischen hätten er und seine Frau aber auch noch eine Datsche | |
mit Garten, da wolle er sich allmählich eine Art Büro einrichten. | |
Ob es ein bewusstes Programm ist, dass bei Pulp Master mit wenigen | |
Ausnahmen nur Übersetzungen aus dem englischen Sprachraum erscheinen, will | |
ich noch wissen. Na ja, sagt Nowatzki, er lese eben im Prinzip gern alles | |
selbst, vertraue aber durchaus dem Urteil anderer. Zum Beispiel habe er | |
auch zwei italienische Titel gemacht, weil die ihm von einem Agenten | |
überzeugend nahegebracht worden seien. | |
Dass bei Pulp Master nur männliche Autoren erscheinen, sei im Übrigen keine | |
Absicht. „Aber irgendwie sind die weiblichen Autorinnen, die für mich | |
interessant wären, alle schon bei Else Laudan“, sagt er. Laudan ist die | |
Herausgeberin der neuen Ariadne-Bücher im Argument Verlag. „Die macht im | |
Prinzip ein ähnliches Programm wie ich, nur hat sie eben die Frauen.“ | |
Gerade sei er selbst allerdings auch an einer tollen Autorin dran, es sei | |
aber noch nicht raus, ob daraus etwas werde, sie sei vielleicht eine Nummer | |
zu groß. Meinen jedenfalls die Agenten. Dass die Bücher, die er macht, auch | |
von vielen Frauen gelesen werden, habe ihn erst fast etwas erstaunt. „Zum | |
Beispiel auf der Buchmesse, wenn junge Frauen an den Stand kommen, die nur | |
ein paar Jahre älter sind als meine Tochter“, sagt er. „Dass diese junge | |
Generation auch so was liest!“ | |
Ermutigt davon und von der Tatsache, dass ja in Baden-Württemberg Tom | |
Franklin Schullektüre ist, also sozusagen Mainstream, habe er der | |
18-jährigen Tochter dann neulich auch mal „Krumme Type, krumme Type“ in die | |
Hand gedrückt. „Aber irgendwie“, er zuckt die Achseln, „war ihr das, wei… | |
auch nicht, zu viel oder so.“ Er wirkt ernsthaft enttäuscht. | |
Ich versuche ihn damit zu trösten, dass die 80-jährige Mutter einer | |
Freundin, der ich den Roman empfohlen habe, ihn mit großer Hingabe liest. | |
Schwer zu sagen, ob ihn das freut. Irgendwie gehört es ja auch zum Image | |
von Pulp Master, der Verlag mit den finsteren Büchern über kaputte und | |
harte Männer zu sein. | |
21 Jun 2020 | |
## LINKS | |
[1] https://www.pulpmaster.de/wp/ | |
## AUTOREN | |
Katharina Granzin | |
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