| # taz.de -- Deutsche Bahn und Kulanz: Fahrkarte zurückgeben? Keine Chance | |
| > 30 Verkehrsexperten mussten wegen der Pandemie ihre Exkursion absagen – | |
| > und könnten nun knapp 5.000 Euro wegen verfallener Tickets verlieren. | |
| Bild: Leere Bänke und leere Geldbeutel bei Bahnreisenden | |
| Es sollte eine spannende Gruppenreise werden. Vorigen Dezember, als Corona | |
| noch kein Thema war, buchte Jürgen Murach die Zugtickets für eine Exkursion | |
| von 30 Bahnexperten und Verkehrsplanern aus Berlin und Brandenburg nach | |
| Ex-Jugoslawien. Mitte Mai sollte es von der Spree über Salzburg nach Zagreb | |
| gehen, zwei Wochen später zurück über Graz und Prag. Doch wegen der | |
| strikten Reisebeschränkungen nach Ausbruch der Coronapandemie ist der | |
| Bildungsurlaub geplatzt. | |
| Für Murach bedeutete das eine Menge Arbeit. Sämtliche Tickets mussten | |
| storniert werden, denn frühestens im Mai 2021 kann die abgesagte Exkursion | |
| nachgeholt werden. Das klappte zunächst prima. „Die [1][ÖBB in Österreich] | |
| erstattete Anschlussfahren und Reservierungen anstandslos per | |
| Rücküberweisung“, berichtet der Berliner Verkehrsplaner. Schon zuvor kam | |
| zudem aus Wien eine Mail, dass alle grenzüberschreitenden Züge für Mai | |
| gestrichen und die Grenzen geschlossen sind. | |
| Ganz anders die Deutsche Bahn AG, bei der Murach insgesamt 60 | |
| internationale Fahrkarten für fast 5.000 Euro online gekauft hat: „Für die | |
| Strecke gab es keine Gruppenfahrscheine, deshalb habe ich den | |
| Super-Sparpreis Europa mit Zugbindung in Fünfer-Paketen gebucht.“ Das | |
| Problem: Diese Billigtickets verfallen ersatzlos, wenn nicht zum | |
| festgelegten Termin gefahren wird. | |
| Wegen der Coronabeschränkungen erlaubt die DB AG zwar, dass Spartickets | |
| noch bis Ende Oktober auf der gebuchten Strecke ohne Zugbindung genutzt | |
| werden können, so wie sonst nur viel teurere flexible Fahrkarten. Reisenden | |
| bringt das aber überhaupt nichts, wenn Geschäftstermine, Familienfeiern | |
| oder Gruppen- und Urlaubsreisen ersatzlos ausfallen. | |
| ## Bahntickets in Gutscheine umtauschen | |
| Der Fahrgastverband Pro Bahn fordert daher seit Wochen eine verlängerte | |
| Kulanzregelung. Für Reisen bis zum 4. Mai hatte der Staatskonzern einen | |
| raschen Online-Umtausch auch von Spartickets in Gutscheine ermöglicht, die | |
| dann drei Jahre für alle Bahnreisen gültig sind. Für Tickets ab 5. Mai geht | |
| das nicht mehr, es wird nur noch die verlängerte Nutzung bis Ende Oktober | |
| gewährt. | |
| So schnell lässt sich die Exkursion nicht nachholen. Die Besuchstermine bei | |
| der slowenischen, kroatischen und serbischen Staatsbahn müssen neu | |
| organisiert werden. Und die Teilnehmer, darunter auch Mitglieder des | |
| Berliner Abgeordnetenhauses und des Deutschen Bahnkundenverbands, sind erst | |
| mal anderweitig verplant. Wie bei anderen Kunden verweist die DB AG stur | |
| auf die geltenden Storno- und Kulanzregeln. Murach wurde erst mal auf den | |
| 4. Mai vertröstet, dann gebe es neue Bedingungen. Doch stattdessen lief der | |
| Online-Umtausch in Gutscheine ersatzlos aus. Derzeit würden „[2][Kunden | |
| unnötig verärgert und gehen sogar für die Bahn verloren]“, kritisiert der | |
| Fahrgastverband Pro Bahn. | |
| Die Politik dürfe die Betroffenen nicht im Stich lassen und solle für eine | |
| angemessene Entschädigung zu sorgen, fordert der Ehrenvorsitzende | |
| Karl-Peter Naumann. Wenn die Bundesregierung Kunden des insolventen | |
| Veranstalters Thomas Cook entschädige, der viele klimaschädigende | |
| Fernreisen verkaufte, dann sollte das „bei Reisenden, die umweltfreundlich | |
| die Bahn nutzen wollten, doch erst recht möglich sein“. | |
| ## Das Geld bleibt auf der Strecke | |
| Auf eine faire Regelung hofft auch Jürgen Murach: „Die bisher einzig | |
| angebotene Kulanz, die verlängerte Nutzung bis Oktober, wäre für mich eine | |
| Katastrophe. Denn wie soll ich 60 internationale Fahrkarten bis dahin | |
| verfahren?“ So droht die Gruppe auf den fast 5.000 Euro ersatzlos | |
| sitzenzubleiben, was den Verkehrsplaner ärgert: „Alle Hotels, die | |
| Bahngesellschaften in Österreich, Serbien und Kroatien waren kulant – nur | |
| nicht die DB AG.“ | |
| Stattdessen bekam Jürgen Murach für seine Gruppen-Exkursion kurz vor dem | |
| gescheiterten Start auch noch satirereife Fahrplanänderungen. Demnach | |
| sollte die Reise Berlin–Zagreb laut DB-Info sagenhafte 56 Stunden dauern, | |
| durchs Hochrisikogebiet Venedig und Triest führen, dann vier Kilometer per | |
| Fuß und mit Gepäck über die abgesperrte Grenze zum nächsten Bahnhof in | |
| Slowenien und auf Nebenstrecken mit der einzigen Regionalbahn nach | |
| Kroatien. Diese Bahn allerdings, weiß der Experte, sei nur für Pendler und | |
| Diplomaten zugelassen. | |
| Murach gibt nicht auf und hofft, dass er doch noch Gutscheine für die | |
| bezahlten Tickets bekommt, die nächstes Jahr für die Exkursion genutzt | |
| werden könnten. Seine Hinweise, dass es zur gebuchten Reisezeit gar keinen | |
| durchgehenden, grenzüberschreitenden Bahnverkehr gab, den die Gruppe hätte | |
| nutzen können, würden von der DB AG geprüft, sagt er. Und fügt hinzu: | |
| „Dafür braucht man nur im Internet der jeweiligen Staatsbahnen | |
| nachzusehen.“ Als DB-Kunde fühlt sich der Verkehrsexperte weiter | |
| hingehalten und schlecht behandelt. | |
| Wenn es um eigene Einbußen wegen Corona geht, zeigt sich der [3][größte | |
| Staatskonzern] weniger knickrig und zögerlich als bei seinen Kunden. | |
| DB-Chef Richard Lutz und sein Vize Ronald Pofalla wollen 5 Milliarden Euro | |
| Finanzhilfen von den Steuerzahlern – und zwar so schnell wie möglich. | |
| 11 Jun 2020 | |
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| ## AUTOREN | |
| Thomas Wüpper | |
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