# taz.de -- Coronagefahr durch Lebensmittel: Experten geben Entwarnung | |
> Prinzipiell stellen kontaminierte Lebensmittel eine Gefahr dar. Bisher | |
> jedoch konnte noch kein Covid-19-Fall auf Essen zurückgeführt werden. | |
Bild: Hygieneregeln sollten auf jeden Fall eingehalten werden | |
München taz | Vermutlich hat die Corona-Pandemie ihren Ursprung auf einem | |
[1][Fischmarkt im chinesischen Wuhan.] Ein weiterer Ausbruch von Covid-19 | |
wurde auf einen Pekinger Lebensmittelmarkt zurückgeführt. Und nun [2][gerät | |
mit Tönnies ein weiterer großer Fleischverarbeiter in die Schlagzeilen], da | |
dort mehr als 1.300 Arbeiter positiv auf Corona getestet wurden. Auch wenn | |
das neuartige Virus Sars-CoV-2 Erreger einer Lungenkrankheit ist, könnte | |
eine Übertragung mit Lebensmitteln nicht doch möglich sein? | |
Immerhin 13 Prozent der Befragten halten laut dem Juni-Monitor des | |
Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) eine Ansteckung über Lebensmittel | |
für sehr wahrscheinlich, Geschirr sehen sogar 19 Prozent der Befragten als | |
hohes Risiko. Doch beim BfR gibt man Entwarnung: „Es gibt derzeit keine | |
Fälle, bei denen nachgewiesen ist, dass sich Menschen über den Verzehr | |
kontaminierter Lebensmitteln mit dem neuartigen Coronavirus infiziert | |
haben.“ Auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) und die | |
US-Gesundheitsbehörde Food and Drug Administration (FDA) bestätigen dies. | |
Denn: Das Virus wird vor allem über Tröpfchen übertragen, also beim Husten, | |
Niesen, Sprechen oder Ausatmen. Gelangen diese Viren in ausreichend großen | |
Mengen in die Nasen- oder Mundschleimhaut oder das Auge einer anderen | |
Person, kann sich diese anstecken. Eine Verletzung der Schleimhaut ist für | |
eine Infektion wohl nicht notwendig. Vielmehr braucht das Virus bestimmte | |
Rezeptorproteine, um in die Wirtszellen eindringen zu können. | |
Vor allem der Weg über die Nase scheint für die Eindringlinge einfach zu | |
sein. Denn dort, so hat ein internationales Forscherteam um Carly Ziegler, | |
Medizinerin am MIT in Boston, kürzlich herausgefunden, befinden sich genau | |
solche Membranproteine (ACE2) in größerer Anzahl. Die Menge an ACE2 nimmt | |
entlang des Weges von den oberen zu den unteren Atemwegen ab. Die | |
Nasenhöhle wurde in den Versuchen also besonders stark mit Viren infiziert, | |
und von dort gelangen die Viren dann, so vermutet Ziegler, über | |
Körperflüssigkeiten in tiefere Bereiche der Lunge. | |
## Ein mögliche Infektionskette | |
Ein zweiter möglicher Weg, sich mit Corona anzustecken, ist eine sogenannte | |
Schmierinfektion. Hier wird der Erreger über eine Kette an Berührungen | |
weitergereicht. Wenn also zum Beispiel eine infizierte Person in die Hand | |
niest, dann eine Türklinke anfasst und diese dann von einer anderen Person | |
benutzt wird, können Erreger auf dessen Hand übergehen. Und wenn dieser | |
sich dann die Augen reibt oder in der Nase bohrt, ist eine Übertragung | |
möglich. | |
Im Falle von Lebensmitteln heißt das: Eine erkrankte Person müsste auf das | |
Fleisch oder den Apfel niesen oder diesen mit kontaminierten Händen | |
anfassen. Dann müsste eine zweite Person dieses Lebensmittel in relativ | |
kurzer Zeit berühren und sich in das Gesicht langen. „Aufgrund der relativ | |
geringen Stabilität von Coronaviren in der Umwelt ist dies aber nur in | |
einem kurzen Zeitraum nach der Kontamination wahrscheinlich“, so die | |
BfR-Wissenschaftler. | |
Eine kürzlich im renommierten New England Journal of Medicine erschienene | |
Studie zeigte: Nach starker Kontamination blieben Viren bis zu vier Stunden | |
auf Kupferoberflächen, bis zu 24 Stunden auf Karton und 2 bis 3 Tage auf | |
Edelstahl oder Plastik infektiös. „Damit ist die Stabilität deutlich | |
geringer als von vielen anderen Krankheitserregern“, so die | |
Studienautoren. In der Praxis sei zudem zu erwarten, dass die Viren durch | |
Tageslicht, schwankende Temperatur und Luftfeuchtigkeit noch weniger | |
überlebensfähig sind als in diesem Laborversuch. | |
Zudem können Coronaviren sich in Lebensmitteln nicht vermehren. Eine | |
Ansteckung über Fleisch etwa von Tönnies ist also sehr unwahrscheinlich. | |
## Viren brauchen einen Wirt zum Überleben | |
Viren benötigen einen lebenden Wirt, um sich zu vermehren. Ihr natürlicher | |
Wirt ist vermutlich die Fledermaus, das legen DNA-Studien nahe. Wie könnte | |
der Erreger also von der Fledermaus auf den Menschen übertragen worden | |
sein? Darüber machte sich Katri Jalava, Hygiene-Expertin an der University | |
of Finnland, Gedanken. Tatsächlich wird auf dem Fischmarkt in Wuhan nicht | |
nur Seegetier verkauft, sondern auch wilde Tierarten wie Hühner, Fasane, | |
Hasen, Murmeltiere, Rehe, Schlangen oder eben Fledermäuse. „In China gibt | |
es den Glauben, dass der Konsum von exotischen Tieren | |
gesundheitsförderliche Effekte habe“, so Jalava. | |
Trotzdem vermutet sie keine Infektion über einen Verzehr der Tiere, wie | |
dies zu Beginn der Epidemie kolportiert wurde. Möglich wäre etwa eine | |
starke Kontamination des Fischmarktes, der Becken oder der Luft – | |
schließlich ist der Markt überdacht und Tiere werden dort auch lebend | |
verkauft. Gestresste Tiere bieten obendrein ein größeres Reservoir für | |
Viren. Auch werden Zwischenwirte diskutiert: Schlangen, Schuppentiere oder | |
Marderhunde. In jedem Fall sind Tiermärkte, wo lebende Tiere gehalten | |
werden, die in der Natur nicht aufeinandertreffen, höchst riskant. | |
Hierzulande gilt es derweil, die üblichen Hygieneregeln beim Einkauf und | |
bei der Zubereitung von Lebensmitteln einzuhalten. Das heißt: Hände waschen | |
und mit Mund- und Nasenschutz einkaufen gehen. Zu Hause sollte der Einkauf | |
ausgepackt, verstaut und dann sollten nochmals die Hände gewaschen werden. | |
Es empfiehlt sich, Obst und Gemüse vor dem Verzehr zu waschen. Wasser | |
schwemmt nämlich bereits einen Großteil der Viren auf Lebensmitteln weg. Ob | |
Obst und Gemüse lose oder in Plastik verpackt ist, ist egal. „Der Griff zu | |
verpacktem Obst und Gemüse bietet keinen zusätzlichen Schutz“, sagt Wiebke | |
Franz von der Verbraucherzentrale Hessen. Im Lockdown war es zu einem | |
erhöhten Aufkommen an Müll aus Einwegverpackungen gekommen. | |
## Salat abwaschen tötet Mikroben? Bislang unklar | |
Trinkwasser ist in jedem Fall unbedenklich, da durch die Aufbereitung etwa | |
mittels Oxidation Viren zuverlässig abgetötet werden. In der Küche lassen | |
sich mögliche Viren besonders effektiv durch Erhitzen verringern, das gilt | |
für Lebensmittel, aber auch für Geschirr. Das Schälen von Gurken, Äpfeln & | |
Co. kann das sehr geringe Infektionsrisiko nochmals reduzieren. Generell | |
gilt aber, dass in den Schalen oft besonders viele Nährstoffe stecken, | |
Schälen daher vor allem bei Gesunden nicht nötig ist. Die Verwendung von | |
Gemüsebürsten kann laut BfR den Reinigungseffekt unterstützen. Allerdings | |
sollten die Bürsten regelmäßig im Geschirrspüler bei über 60 Grad gereinigt | |
werden. | |
Ob das Waschen etwa von Salat mit Essigwasser die Mikroben abtötet, ist | |
unklar. Es gibt zwar Hinweise, dass Coronaviren pH-Werte unter 4 nicht gut | |
überleben. Allerdings ist die Einwirkzeit von Essigwasser während des | |
Gemüsewaschens vermutlich zu kurz, um tatsächlich Viren zu inaktivieren. | |
Das Tiefgefrieren von Lebensmitteln kann Viren dagegen wenig anhaben. Im | |
Falle von Mers und Sars-CoV-1 weiß man etwa, dass diese Viren nach zwei | |
Jahren im Tiefkühlschrank noch infektiös waren. | |
Und wenn nun also doch irgendwie Viren über ein Lebensmittel in den Mund | |
gelangen? Könnten sich diese etwa beim Kauen im Rachen festsetzen? Auch das | |
ist sehr unwahrscheinlich, weil die Viren ja von Speisebrei umhüllt sind. | |
Abschließend ist das aber noch nicht zu beurteilen, so schreiben Forscher | |
der französischen Lebensmittelbehörde Anses. Sicher ist hingegen, dass | |
Viren, die mit der Nahrung in den Magen gelangen, das Säurebad nicht oder | |
nur schwer überleben. Und in der Darmschleimhaut wurden zwar | |
Rezeptorproteine für das Virus nachgewiesen, eine Virusvermehrung im Darm | |
konnte bisher aber laut BfR nicht belegt werden. | |
Dennoch hat man Erbsubstanz von Sars-CoV-2 in Stuhlproben von Patienten | |
nachgewiesen. Diese könnten jedoch auch über das Blut in den Darm und damit | |
in den Stuhl gelangt sein. Ob hier ein weiterer Übertragungsweg schlummert, | |
muss sich noch herausstellen. Im Falle von Tönnies ist klar: Die Ansteckung | |
der Arbeiter sind auf deren prekäre Arbeitsbedingungen zurückzuführen. | |
27 Jun 2020 | |
## LINKS | |
[1] /Coronavirus-in-China/!5653677 | |
[2] /Corona-Massnahmen-in-NRW-und-Berlin/!5696818 | |
## AUTOREN | |
Kathrin Burger | |
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