| # taz.de -- Klimakrise und Rassismus: Die gleiche Wurzel | |
| > Macht statt Logik: Wir wehren uns kollektiv gegen Änderungen eines | |
| > Lebensstils, der sich aus Kolonialismus und Rassismus entwickelt hat. | |
| Bild: Eine Frau sammelt Trinkwasser aus einem überfluteten Brunnen in Bogra, B… | |
| Vergangene Woche schrieb ich in einem Beitrag für die taz, dass wir die | |
| Klimakrise und Rassismus enger zusammendenken müssten, weil beide die | |
| gleichen Wurzeln haben. Eine rassistische Klimabewegung könne niemals eine | |
| gerechte Zukunft bringen. | |
| Prompt wurde ich gefragt, wie ich darauf käme. Für die globale Erwärmung | |
| sind Treibhausgase verantwortlich. Rassismus ist, wenn Menschen wegen ihres | |
| Aussehens Vorurteile gegen andere haben. Was hat beides miteinander zu tun? | |
| Wissenschaftler*innen wissen seit 1824, dass CO2 in der Atmosphäre das | |
| Klima anheizt. Seit den 90er Jahren besteht ein eindeutiges Verständnis | |
| dafür, dass menschliche Aktivitäten die Hauptquelle für erhöhte Emissionen | |
| des Treibhausgases sind: Industrie- und Fleischproduktion, industrielle | |
| Landwirtschaft, Transport auf der Basis fossiler Brennstoffe. Seit mehr als | |
| drei Jahrzehnten ist klar, dass ein kohlenstoffintensiver Lebensstil, wie | |
| ihn die Industrieländer als Modell entwickelt haben, für den Klimawandel | |
| verantwortlich ist. Der CO2-Fußabdruck eines durchschnittlichen Deutschen | |
| ist 17-mal größer als der eines durchschnittlichen Menschen in Bangladesch. | |
| ## Veränderung war keine Option | |
| Um die Klimakrise zu stoppen, hätte der Fokus von Anfang an darauf liegen | |
| müssen, dieses CO2-intensive Modell zu verändern. Dies war jedoch keine | |
| Option. Schwellenländer wie China, die für die ganze Welt produzieren, um | |
| ihrer eigenen Bevölkerung eine bessere Lebensqualität zu bieten, | |
| orientieren sich stattdessen an dem klimaschädlichen Entwicklungsmodell des | |
| globalen Nordens. | |
| Länder, die der Klimawandel am stärksten trifft, bekommen Geld, um sich an | |
| die Folgen anzupassen. In Bangladesch lernen Landwirte, Gemüse auf | |
| schwimmenden Bambusplatten anzubauen oder salzresistente Pflanzensorten zu | |
| nutzen, die Überschwemmungen und dem Anstieg des Meeresspiegels | |
| standhalten. Die Diskussion, wie der Klimawandel abgemildert werden kann, | |
| kommt jedoch kaum voran. Die Länder mit den größten Emissionen sind nicht | |
| bereit, diese zu reduzieren. Dies zeigt, dass die Klimapolitik mehr von | |
| Macht als von Wissenschaft oder Logik geprägt ist. | |
| ## Zehn weitere Erden nötig | |
| Dass wir kurz vor dem ökologischen Zusammenbruch und der Zerstörung der | |
| biologischen Vielfalt stehen, liegt in der Leistungsdynamik unseres | |
| Systems: Wir wehren uns kollektiv, Änderungen zu akzeptieren, die fair und | |
| notwendig wären. Unsere Volkswirtschaften fördern nach wie vor kurzfristige | |
| Gewinne und wirtschaftliches Wachstum statt langfristige Nachhaltigkeit und | |
| kollektives Wohlergehen. Unsere politischen Verhandlungen und Diskussionen | |
| werden von auf Eigeninteressen basierenden Agenden dominiert, anstatt von | |
| verantwortungsvollen Entscheidungen für das Ganze. | |
| Die Entwicklungsgeschichte der frühen Industrienationen, die heute von | |
| allen anderen Ländern als Vorbild verwendet wird, basiert auf der | |
| kolonialen Ausbeutung von Märkten, Arbeitskräften und Ressourcen. [1][Dabei | |
| wird übersehen, dass wir zehn weitere Erden bräuchten, um diesen Lebensstil | |
| für alle Menschen weltweit zu erreichen.] Und diese Entwicklungsgeschichte | |
| baut auf Rassismus auf. Die koloniale Ausbeutung und frühe | |
| Kapitalakkumulation wurden im Namen verschiedener Formen der Überlegenheit, | |
| einschließlich einer racial superiority gerechtfertigt. Auch wenn die alte | |
| Erzählung dieser Letzteren so nicht mehr existiert, ist sie in unseren | |
| Normen und Vorurteilen noch präsent. Und Rassismus kann auch „unsichtbar“ | |
| sein. Ihn als individuelle Vorurteile abzutun, ist zu einfach. | |
| Rassistische Einstellungen sind Überreste eines Erbes, das tief durch | |
| unsere Struktur geht. Dieselbe Struktur und Machtdynamik dominiert die | |
| Klimapolitik. Wenn wir auf neue Regeln und soziale Normen drängen, müssen | |
| wir die Geschichte und Begrenztheit der alten anerkennen. | |
| [2][Ein führender Energieexperte warnt, wir hätten nur noch sechs Monate | |
| Zeit, um den Verlauf der Klimakrise zu ändern.] Alle nachfolgenden | |
| Bemühungen würden wegen der bis dahin festgeschriebenen Reboundeffekte | |
| weniger fruchtbar sein. Keine der geotechnischen Lösungen gilt heute als | |
| nachhaltig. Wir kommen nicht drum herum: Wir müssen unsere Lebensweise | |
| ändern, unsere Wirtschaft drastisch umorganisieren. Diese Veränderung muss | |
| Menschen und Gerechtigkeit ins Zentrum stellen. Produktion und Vertrieb | |
| müssen sich am kollektiven Wohlergehen ausrichten, keine Form der | |
| Ausbeutung ist gerechtfertigt. | |
| 25 Jun 2020 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Earth-Overshoot-Day-2019/!5613676 | |
| [2] https://www.theguardian.com/environment/2020/jun/18/world-has-six-months-to… | |
| ## AUTOREN | |
| Tonny Nowshin | |
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