Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Deutsche Wohnen statt Lufthansa: Kapitalistentausch im Dax
> Eine Airline fliegt aus dem Dax, ein anderer Großkapitalist steigt auf:
> Deutsche Wohnen bietet vielen ein Dach über dem Kopf – steht aber in der
> Kritik.
Bild: Gegner würden sie gerne enteignen: Deutsche Wohnen
Berlin taz | Das wirtschaftsschwache Berlin hat wieder ein Dax-Unternehmen.
Nachdem die [1][Lufthansa] (aus Frankfurt am Main) mangels Wert am
Donnerstagabend aus der Top-Liga der deutschen Aktiengesellschaften
abgestiegen ist, konnte die [2][Deutsche Wohnen] AG nachrücken. Unterkünfte
zu vermieten bringt eben derzeit mehr Geld ein, als Leute durch die Gegend
zu fliegen.
Neben der etwa doppelt so großen [3][Vonovia] befindet sich damit nun eine
zweite Immobilienfirma im Dax. Die Deutsche Wohnen vermietet 164.400
Einheiten mit Schwerpunkten in Berlin und Rhein-Main. Wie viele andere
moderne Unternehmen auch ist sie durch Fusionen auf ihre heutige Größe
angeschwollen.
Die Ursprünge des ältesten Firmenteils gehen auf das Jahr 1924 zurück. Er
wurde in Berlin als gemeinnützige Hausbau-Gesellschaft „Gehag“ gegründet,
um die Wohnungsnot zu lindern. Nach dem Zweiten Weltkrieg half sie, im
zerstörten Berlin rasch wieder Mietshäuser zu bauen. Trotz des urigen,
offiziell klingenden Namens tritt das Unternehmen heute jedoch rein
gewinnorientiert auf.
Der auffällige Name ist auch nicht etwa Liebesbekenntnis zur Nation,
sondern liegt an der Firmengeschichte. Es war die Deutsche Bank, die die
heute dominierende Vorläuferfirma 1998 als Tochtergesellschaft gegründet
hat. Wie bei anderen ihrer Gründungen jener Jahre hat sie das „Deutsche“
als Markenbestandteil davorgesetzt. Der Name ist also eher mit „Deutsche
Securities“ oder „Deutsche Networks Services“ vergleichbar.
## Willen zur Expansion
Das richtig schnelle Wachstum hat die Deutsche Wohnen jedoch erst
hingelegt, nachdem die Bank sich von ihrer Tochter getrennt hat. Im Jahr
1999 wurde sie an die Börse entlassen – damals mit einer vergleichsweise
bescheidenen Bewertung. Im Jahr 2007 wurde dann Michael Zahn zu ihrem Chef.
Zahn kam von der Gehag – und brachte den Willen zur Expansion mit. Er
verdreifachte den Wohnungsbestand genau in der Zeit, in der die Preise
weltweit enorm anzogen. Damit trug er enorm zur Ausweitung des Firmenwerts
bei. So kommt man in den Dax.
Doch das Unternehmen ist auch umstritten. Der Zuzug in die Städte führte zu
hoher Nachfrage, während die Kaufpreise für neue Objekte stiegen. Nach
reiner Marktlogik verlangte das höhere Mieten. Das ergibt sich einerseits
aus Angebot und Nachfrage, andererseits aus dem Renditeversprechen an die
Investoren.
Doch Wohnen ist nicht irgendein Wirtschaftsgut. Jeder braucht eine Bleibe,
daher war die Debatte schnell gesellschaftlich und politisch aufgeladen. In
Berlin kam sogar die Forderung nach einer Verstaatlichung auf. Zahn tat
diese Idee als „irre“ ab, doch mit zunehmender Diskussion über
Enteignungen, und dem Beschluss eines Mietendeckels, zeigt sich nun auch
die Deutsche Wohnen sozialer. Sie verspricht stabilere Mieten.
Ob der Aufstieg in den Dax die kapitalistischen Instinkte nun wieder mehr
befeuert, wie der Deutsche Mieterbund befürchtet, oder ob die gesteigerte
öffentliche Rolle nun zu noch mehr Entgegenkommen zwingt, muss sich zeigen.
Fest steht, dass weiter der Wunsch nach Wachstum und Renditesteigerung da
ist.
Deutsche-Wohnen-Chef Zahn stellte den Investoren des Immobilienkonzerns
nach dem Aufstieg in den Dax weiteres Wachstum in Aussicht. „Wir haben uns
nicht auf einer Position ausgeruht, und werden dies auch in Zukunft nicht
tun“, sagte er am Freitag bei der virtuellen Hauptversammlung des
Unternehmens laut Redetext. Der „Sprung in den Dax“ sei „Verantwortung und
Ansporn zugleich, unsere Wachstumsstrategie auch in Zukunft fortzusetzen.
Wir werden uns weiterhin gegenüber unseren Marktteilnehmern behaupten.“
5 Jun 2020
## LINKS
[1] /Lufthansa-akzeptiert-EU-Auflagen/!5689274
[2] /Mietstreik-in-Berlin/!5686251
[3] /Gute-Zahlen-der-Immobilienwirtschaft/!5683241
## AUTOREN
Finn Mayer-Kuckuk
## TAGS
Dax-Unternehmen
Deutsche Wohnen
Gentrifizierung
Lufthansa
Schwerpunkt Gentrifizierung in Berlin
Schwerpunkt Gentrifizierung in Berlin
Miete
## ARTIKEL ZUM THEMA
Deutsche Wohnen investiert in Altbau: Ungedeckeltes Shoppingvergnügen
Mit der Aufnahme in den DAX steigt der Renditedruck der Deutsche Wohnen.
Angekaufte Altbauten könnten in Eigentum umgewandelt werden.
Mietstreik in Berlin: Da streikt sich was zusammen
Das Bündnis „Wir zahlen nicht“ wirbt für die Beteiligung an einem
Mietstreik. Die Coronahilfen von Bund und Senat reichten nicht.
Gute Zahlen der Immobilienwirtschaft: Keep calm, vermiete weiter
Die Wirtschaft stürzt ab, den großen Vermietern geht es prächtig. Doch
Mietvereine warnen vor massiven Problemen.
Mietenprotest in Berlin: Mit Tweet und Topfdeckel
Nach Absage der großen Mietendemo wegen Corona demonstrieren Aktivist*innen
und Betroffene am Samstag mit vielen Einzelaktionen – on- und offline.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.