# taz.de -- Griechischer Spielfilm „Pause“: Erweckung im Groove der 50er Ja… | |
> Die Regisseurin Tonia Mishiali lässt in ihrem Spielfilm „Pause“ eine Frau | |
> in den Wechseljahren gegen einen patriarchalen Ehemann rebellieren. | |
Bild: Außer hundert Beschwerden nichts Besorgniserregendes: Stela Fyrogeni in … | |
Dieser verdammte Blauara. Sein regelmäßiges Krächzen begleitet die | |
griechische Hausfrau Elpida (Stela Fyrogeni) von morgens bis abends. Sobald | |
das Tuch vom Käfig genommen wird, schreit er los – und erinnert die | |
Mittvierzigerin daran, wie ähnlich das Vogelleben ihrem eigenen ist: Ihr | |
Käfig ist nicht aus Stahl und hat keine Gitterstäbe. Aber mehr als ein | |
gefangener Papagei erlebt sie auch nicht. | |
Elpida, deren Name „Hoffnung“ bedeutet, ist seit dem Auszug der erwachsenen | |
Tochter ausschließlich für ihren älteren Mann Costas (Andreas Vasiliou) | |
zuständig – sie putzt, kocht und zählt ihm die Pillen ab, um nach einem | |
kommunikationslosen Abend an zwei separaten Fernsehern (selbstverständlich | |
muss Elpida Kopfhörer benutzen) neben seinem Schnarchen einzuschlafen und | |
dem jungen Nachbarspärchen beim nächtlichen Sex-Stöhnen zuzuhören. | |
Der Arzt, den Elpida wegen undefinierbarer Symptome aufsucht, betet eine | |
fünfminütige Menopausenliste von Nachtschweiß über Mundtrockenheit bis | |
Panikattacken herunter. „Nichts Besorgniserregendes“, lautet seine | |
Diagnose. | |
Erst als ein junger Anstreicher das Haus neu tünchen soll, in dem Elpida, | |
Costas und Elpidas Freundin Eleftheria (Popi Avraam) wohnen, scheint die | |
resignierte Frau, deren Hormone altersbedingt kräftig zulangen, endlich an | |
Peggy Lees weise Lebensbejahung „Is that all there is?“ zu denken. Und – | |
zunächst nur in grotesken Tagträumen ihrer Fantasie – neuen Mut zu finden �… | |
## Emanzipation altmodisch | |
Regisseurin Tonia Mishiali zeigt mit „Pause“ gute Absichten: Im besten und | |
altmodischsten Sinne erzählt sie von einer Emanzipation. Eine Frau wehrt | |
sich – wenn auch lange ohne die nötige Nachhaltigkeit – gegen die | |
patriarchale Struktur, in der sie gefangen ist, sie rebelliert immer | |
lauter, will immer deutlicher aus der lieblosen Ehe fliehen. | |
Stela Fyrogeni als Elpida verleiht ihrer Figur eingesunkene Schultern und | |
einen sehnsüchtig-vorsichtigen Blick, der introvertiert, aber deutlich auf | |
den ordinären Macho Costas fällt, wenn er das Essen reinschaufelt und sich | |
beschwert, weil sie ihm nicht schnell genug die Moussaka nachlegt. | |
Doch der Film hat etwas Anachronistisches, das ihm Authentizität raubt: | |
Elpida, Costas und die unbeschwert-frivole Eleftheria, die Elpida immer | |
wieder aus dem unfrohen Küchenschabendasein herausholen will, wirken als | |
Charaktere wie aus der Zeit gefallen. | |
Zu viel 50er-Jahre-Groove steckt im Setting, als dass man es wirklich | |
glauben und darum mitfühlen kann: Ist eine Frau in einer griechische Stadt | |
der Jetztzeit, die Mutter einer selbstständigen, erwachsenen Tochter und | |
Oma einer Enkelin ist, die im Malkurs andere Menschen trifft, die eine | |
moderne Freundin und ein eigenes Auto hat, tatsächlich derartig von allem | |
depriviert? | |
## Röhrenfernsehapparat mit Bildrauschen | |
Muss der Mann auch noch das Internet hassen und das Auto seiner Frau über | |
ihren Kopf hinweg verkaufen? Muss sogar der Röhren-Fernsehapparat aus den | |
50ern stammen und nach Programmschluss graues Bildrauschen zeigen? Und | |
warum erfolgt Elpidas Erweckung ausgerechnet durch einen anderen Mann? | |
Das ausgeprägte Machotum in vielen Teilen der griechischen Gesellschaft | |
könnte Mishialis Geschichtengrundlage stärken – zudem gibt es Hinweise auf | |
Elpidas Genese: Sie kommt aus der Fremde und „wurde mit Costas | |
verheiratet“, sagt ihre Freundin, die Ehe war von Anfang an keine | |
glückliche, Elpidas Frust insofern logisch. | |
Dennoch fällt einem die Empathie mit der schüchternen Frau, die konsequent | |
farblose, beutelige Klamotten trägt, sich weder schminkt noch die Haare | |
färbt und wie zu viele Heldinnen vor ihr ausgerechnet bei einem | |
Disco-Karaoke-Besuch aus sich herausgeht, zunehmend schwer. Schade: Um sie | |
auf diese Heldinnenreise zu begleiten, wären weniger Klischees mehr | |
gewesen. | |
23 Jun 2020 | |
## AUTOREN | |
Jenni Zylka | |
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