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# taz.de -- Bewegung Berlin: Sich selbst und andere schützen
> Der Doku „Radical Resilience“ geht es um die Selbstsorge im Aktivismus,
> der Initiative 19. Februar um einen Raum für Erinnerung in Hanau.
Bild: Was tun bei Burnout? Aktivist*innen aus der Doku „Radical Resilience“
„Für mich selbst zu sorgen ist kein persönlicher Luxus“, schrieb einst die
Schwarze Schriftstellerin, Aktivistin und Wahlberlinerin Audre Lorde
(1934-1992). „Es ist Selbsterhalt und damit ein Akt politischer
Kriegsführung.“ Ohne verschiedene Kämpfe gleichsetzen zu können, scheint es
eine Dynamik zu geben, die für Aktivist*innen unterschiedlicher Prägung den
aktiven Selbsterhalt unumgänglich machen. Denn es droht das Burnout und
dann die Resignation.
Viele Jahre nach Lorde beschreibt eine junge Umweltaktivistin in der
Dokumentation „Radical Resilience“ diese Dynamik. „Während du auf der ei…
Seite die Notwendigkeit siehst, gegen die Zerstörung anzuarbeiten“, erklärt
die Besetzerin eines gefährdeten Waldes, „siehst du jeden Morgen nach dem
Aufstehen, dass noch mehr zerstört wurde. Und irgendwann zerbricht etwas in
dir.“
Audre Lorde wollte gegen die zerstörerische Macht des Rassismus in
Deutschland anarbeiten, als dieser noch weniger benannt wurde, als dies
heute der Fall ist. „Wir sehen Rostock“, schrieb sie etwa 1992 kurz nach
dem dortigen Pogrom an Bundeskanzler Helmut Kohl, „und unsere Herzen werden
uns schwer aus Angst um unsere eigene Sicherheit, aus Angst um die
Sicherheit unserer afrodeutschen Geschwister, von Juden und Ausländern und
allen anderen, die Weiße, reaktionäre Deutsche womöglich für inakzeptabel
halten.“
Mut mache ihr die langsam wachsende Zahl Weißer deutscher Bürger*innen, so
Lorde in dem offenen Brief, die beginne sich zu organisieren und Protest zu
üben an der rassistischen Gewalt, die in ihrem Namen begangen werde. „Doch
diese Zahl muss wachsen, schnell wachsen.“
Was wäre wohl in Lorde zerbrochen, hätte sie miterleben müssen, dass im Mai
1993 die SPD der Einschränkung des Asylrechts unter Kohl zustimmte? Was
wäre wohl in ihr zerbrochen, hätte sie miterleben müssen, dass
rassistische, rechtsextreme, antisemitische Gewalt Deutschland weitere
dreißig Jahre prägen und das Asylrecht zur hohlen Formel verkommen wird.
Dass die Mehrheit der weißen Deutschen solches noch immer zulässt.
Doch Mut hätte Lord sicherlich geschöpft aus den neuen Initiativen von
Antifaschist*innen mit Migrationsgeschichte. Mit ihrem Raum der Begegnung
und Erinnerung in Hanau zeigt etwa die Initiative 19. Februar, welchen
widerständigen Charakter die Selbstsorge, Beratung und Vernetzung haben
kann. Gegenüber eines der Tatorte gibt es hier 140 Quadratmeter für das,
was Angehörige, Freunde und Betroffene von Rassismus in Hanau jetzt
brauchen und wollen. Gleichzeitig erinnert der Raum mitten im Stadtzentrum
an die Taten und fordert durch seine Präsenz Aufklärung und Gerechtigkeit.
Mut kann auch der Wandel in den benachbarten sozialen Bewegungen machen,
von dem „Radical Resilience“ erzählt. Die Selbstsorge und Sorge für die
Mitstreitenden bricht sich auch in ihnen an vielen Stellen Bahn, wird
selbst zum Akt des politischen Kampfes. In der Umwelt- und
Klimaschutzbewegung, im Kampf um soziale Teilhabe.
Teilhaben kann mensch an dieser Entwicklung am 29. Mai ab 18.30 Uhr. Bei
einem Online-Filmscreening soll „Radical Resilience“ gezeigt werden,
anschließend stehen die Macher*innen für eine Diskussion zur Verfügung. Am
30. Mai soll es einen Workshop zur Selbstsorge im Aktivismus geben. Weitere
Informationen findet ihr auf [1][radicalresilience.noblogs.org].
Weiße Deutsche können an der Arbeit der Initiative 19. Februar teilhaben,
in dem sie sich erkundigen, wie sie unterstützen können. Spenden für die
Miete der 140 Quadratmeter sind in jedem Fall erwünscht. Alle Informationen
findet ihr auf [2][19feb-hanau.org].
28 May 2020
## LINKS
[1] https://radicalresilience.noblogs.org/
[2] http://19feb-hanau.org/
## AUTOREN
Stefan Hunglinger
## TAGS
Kolumne Bewegung
taz Plan
Schwerpunkt Rechter Anschlag in Hanau
Afrodeutsche
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