# taz.de -- Geisterspielakkustik in der Bundesliga: Geschnaufe und Geknirsche | |
> Die Geräusche aus den Stadien gehören zu den größeren Zumutungen des | |
> Corona-Spielbetriebs. Eingespielte Fangesänge machen es nicht besser. | |
Bild: Immer am Schreien: Paderborns Trainer Steffen Baumgart | |
Das Hygienekonzept der DFL für den gefahrlosen Kick in Coronazeiten ist | |
vielfach gelobt worden. Dabei enthält es eine eklatante Sicherheitslücke: | |
Es fehlt das Sauerstoffzelt für Steffen Baumgart. Der Trainer des SC | |
Paderborn brüllt, scheucht und motiviert seine Mannschaft nämlich bei jedem | |
Spiel so lautstark, dass die Zuschauer vor den Fernsehgeräten bang auf den | |
Moment warten, in dem der massige Coach unter Luftknappheit röchelnd | |
darniedersinkt. In der Pressekonferenz nach den Spielen ist Baumgart dann | |
immer so heiser, als hätte er tagelang mit seiner Clique im Sauerlandstern | |
herumgegrölt. | |
Nun könnte man die gesellige Ader des Coachs erst einmal unterhaltsam | |
finden. Die lautstarke Performance des Steffen Baumgart wirft jedoch auch | |
ein grelles Schlaglicht auf eine der größeren Zumutungen, die der | |
[1][Geisterspielbetrieb der Bundesligen] mit sich bringt: die Geräusche auf | |
dem Spielfeld. Die wurden vor der Coronakrise gnädig vom [2][Schallteppich | |
des Stadionlärms] zugedeckt, nun hören wir das Geschnaufe der | |
Abwehrspieler, das dumpfe Geknirsche, wenn Schienbeine auf Stollen treffen, | |
und vor allem die Rufe von der Trainerbank zum Spielfeld. | |
Hatten wir bisher gedacht, die Trainer würden wenigstens einigermaßen | |
gehaltvolle taktische Anweisungen zum Verhalten im ballfernen Raum | |
hineinrufen, so stellen wir nun ernüchtert fest, dass sich die Befehle der | |
Profitrainer nicht wesentlich von dem verzerrten Gebrüll mancher | |
Kreisligacoachs unterscheiden. Das beginnt schon mit der markigen | |
Standardeinleitung: „Männer!“, mit der früher sicher auch an der Ostfront | |
zur Flucht aus dem Russenkessel aufgerufen wurde. | |
Und es geht nicht viel gehaltvoller weiter. In der Regel geht es nicht um | |
Deckungsschatten, abkippende Sechser und Überzahl in Ballnähe, sondern in | |
unterschiedlichen Formulierungen immer nur darum, zu kämpfen, zuzupacken, | |
nicht nachzulassen. | |
## Die Hacken zusammen! | |
Sicher, schon zuvor hatte es mal Versuche gegeben, dem Zuschauer zu Hause | |
zu vermitteln, was auf dem Feld so gesprochen wird. Als bei der EM 2008 der | |
italienische Schiedsrichter Massimo Busacca und sein Team verkabelt wurden | |
und einer der Assistenten den Boss vor kommendem Regen warnt, raunzte | |
Busacca nur: „Nicht mein Problem, halt die Klappe.“ Ähnlich markant gab | |
sich auch der deutsche Referee Deniz Aytekin, der aufmüpfige Spieler derart | |
in den Senkel stellte, dass diese am Ende am liebsten noch brav die Hacken | |
zusammengeknallt hätten. | |
Da schaut man anfangs noch fasziniert bis angewidert hin, will dann aber am | |
liebsten zur Fernbedienung greifen und schnell die inzwischen überall | |
angebotene Option „Fangesänge“ aufrufen. Das allerdings ist ein noch | |
obszöneres Unterfangen. Auf menschenleere Stehränge zu starren und dabei | |
donnernde Choräle zu hören, macht schlechte Laune, zumal sich die TV-Sender | |
nicht einmal die Mühe gemacht haben, die Gesänge der jeweiligen | |
Spielsituation anzupassen. | |
Als sich Schalke 04 bei Borussia Dortmund kürzlich willenlos aus dem | |
Stadion hat schießen lassen, donnerten, immer wenn der Ball im Schalker | |
Netz zappelte, königsblaue Gesänge über die Tonspur. Dabei weiß doch jeder, | |
dass der gemeine Schalker Fan nach Gegentoren immer ungefähr zwei Sekunden | |
schweigt, um dann umso lauter den Rausschmiss des Trainers zu fordern. | |
Es müssen also neue, kreativere Lösungen her, um den Originalton aus dem | |
Stadion nicht mehr hören zu müssen. Vielleicht könnte die | |
„Jeopardy“-Melodie in Dauerschleife laufen. Oder ein professioneller | |
Geräuschemacher untermalt jeden Ballkontakt mit einem lustigen Geräusch. | |
Dann entspannt sich vielleicht endlich auch Steffen Baumgart. | |
8 Jun 2020 | |
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## AUTOREN | |
Jenni Wulfhekel | |
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