# taz.de -- Sanktionen für mündige Fußballprofis: Wirrer Widerspruch | |
> Antirassistische Bekenntnisse gehören nicht bestraft. Sogar die Fifa | |
> stellt fest, dass ihre Regeln mit dem gesunden Menschenverstand | |
> unvereinbar sind. | |
Bild: Solidarität: Dormunds Jadon Sancho fordert Gerechtigkeit im Fall von Geo… | |
Die Lage ist verwirrend. Einerseits finden die großen Fußballverbände | |
Rassismus, Diskriminierung und Gewalt so im Allgemeinen voll daneben. Um | |
das zu demonstrieren, bedrucken sie Spielertrikots gern mit dem Wort | |
„Respekt“, damit es auf dem Spielfeld vor Respektbotschaftern nur so | |
wimmelt. Besonders beliebt ist es unter den passionierten Spielregelhütern, | |
dem Rassismus einfach mal plakativ die rote Karte zu zeigen. Andererseits | |
mögen die Fußballfunktionäre beim DFB und der Fifa Proteste, die für die | |
konkrete Umsetzung dieser Grundsätze werben, gar nicht. Plötzlich kippt das | |
Ganze in ihren Augen ins Politische. Und Politik hat auf dem Spielfeld | |
nichts zu suchen. Eine eherne Sportregel, die sich in den Satzungen der | |
Sportverbände wiederfindet. | |
Deshalb hat der DFB nun erklärt, dass man [1][die Gedenkbekundungen am | |
Wochenende von Weston McKennie, Marcus Thuram, Jadon Sancho und Achraf | |
Hakimi] mit dem verstorbenen Schwarzen US-Amerikaner George Floyd, der | |
Opfer rassistischer Polizeigewalt wurde, einerseits irgendwie toll und | |
andererseits irgendwie blöd findet. DFB-Präsident Fritz Keller bekundete, | |
er sei stolz auf Spielerinnen und Spieler, die Haltung zeigten. Und: | |
„Moralisch kann ich die Aktionen am vergangenen Wochenende absolut | |
verstehen.“ | |
[2][Erläutert wurde aber in dem gleichen Schriftsatz], warum die DFB-Justiz | |
nun Untersuchungen anstellen muss. Es ginge um einen möglichen Verstoß | |
einer Fifa-Regel, der man sich unterworfen habe und die man brav zitierte: | |
„Die Ausrüstung darf keine politischen, religiösen oder persönlichen | |
Slogans, Botschaften oder Bilder aufweisen.“ | |
Sprich: Der um moralisch Integrität bemühte DFB verwies auf eine höhere | |
Macht. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass im Jahre 2014 bereits | |
der damals für den 1. FC Köln stürmende Anthony Ujah sich mit einer | |
T-Shirt-Botschaft solidarisch mit dem Schwarzen US-Amerikaner Eric Garner | |
zeigte, der zu der Zeit ebenfalls von einem weißen Polizisten zu Tode | |
gewürgt wurde. Trotz der Fifa-Regel verzichtete der DFB in diesem Fall auf | |
eine Strafe. DFB-Chefankläger Anton Nachreiner kündigte damals jedoch an, | |
mehr Ausnahmen werde es künftig aber nicht mehr geben. | |
## Angst vor Imageschaden | |
Möglicherweise hat die Erinnerung daran die Fifa nun aufgeschreckt. Um in | |
der politisch aufgeheizten Atmosphäre einen größeren Imageschaden vom | |
Fußball abzuwenden, empfahl der Weltverband am Montagabend bei der | |
Beurteilung der aktuellen Ereignisse in der deutschen Bundesliga die | |
Nutzung des „gesunden Menschenverstands“. Man verstehe „die Tiefe der | |
Gefühle und Bedenken, die viele Fußballer angesichts der tragischen | |
Umstände des Falles George Floyd zum Ausdruck bringen“. | |
[3][Die Fifa wirbt also unverhohlen für einen Freispruch der Regelbrecher.] | |
Das Eingeständnis, dass das eigene Regelwerk nicht in Einklang mit dem | |
gesunden Menschenverstand gebracht werden kann, ist so spektakulär wie | |
folgerichtig. Das Bekenntnis der Fußballverbände zum Antirassismus ist mit | |
einer neutralen politischen Haltung noch nie zu kombinieren gewesen. In der | |
zugespitzten politischen Stimmungslage scheint dieser Widerspruch selbst | |
den Fifa-Funktionären nicht mehr vermittelbar zu sein. | |
Gegen den gesunden Menschenverstand verstieß es allerdings auch, als die | |
Fifa 2016 die britischen Fußballverbände mit einer Geldstrafe | |
sanktionierte, weil sie in ihren WM-Qualifikationsspielen mit einer | |
Klatschmohnblüte an den Tag des Waffenstillstandes im Ersten Weltkrieg | |
erinnerte. Die Fifa sollte die aktuellen Ereignisse zum Anlass nehmen, ihr | |
Regelwerk zu überarbeiten. Sie sollte nicht diejenigen kriminalisieren, die | |
das umgesetzt sehen wollen, wofür die Fifa und der DFB sich gern mit großen | |
Kampagnen einsetzen: für Respekt und ein Miteinander ohne Rassismus, | |
Diskriminierung und Homophobie. | |
Wenn der DFB-Chefankläger nun dank der Fifa-Einflüsterung vermutlich von | |
einer Sanktion absieht, sollte er in seiner Begründung das Wort Ausnahme | |
meiden. Die Ausnahme muss endlich zur Regel gemacht werden. Engagement | |
gegen Rassismus sollte nicht allein den PR-Strategen in den Verbänden | |
vorbehalten bleiben. | |
2 Jun 2020 | |
## LINKS | |
[1] /Statement-gegen-Rassismus-im-Fussball/!5686200 | |
[2] https://www.dfb.de/news/detail/justice-for-george-darum-prueft-der-dfb-kont… | |
[3] https://www.sportschau.de/fussball/allgemein/george-floyd-proteste-fifa-mod… | |
## AUTOREN | |
Johannes Kopp | |
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