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# taz.de -- Corona und Einkaufen: Apnoe im Späti
> Nicht nur unter Wasser muss man die Luft anhalten, sondern neuerdings
> auch im Kiosk. Der Einkauf darf deshalb nicht länger als zwei Minuten
> dauern.
Bild: Und weiter Luft anhalten! In einem Späti in Berlin
Beim Apnoetauchen lernt man, lange die Luft anzuhalten. So kann man unter
Wasser den Tieren nahekommen, ohne sie mit dem Blubbern von
Pressluftflaschen zu verschrecken. Auch Haie kommen so näher an einen ran.
Die sind nämlich die größten Angsthäschen des Ozeans, müssen Sie wissen,
und es verhält sich vielleicht ähnlich wie mit Elefanten, die Angst vor
sehr kleinen Dingen wie Mäusen haben sollen. Haie haben eben Angst vor
kleinen Luftblasen, wenn’s am Bauch kitzelt und sie wissen nicht, warum.
Coronabedingt hatte ich also genug Zeit in diesen Wochen, wieder ins
Training zu kommen. Auf der Couch zu liegen und die Luft anzuhalten hat
eine beruhigende Wirkung. Die Meditation der Atempause passt zu den
Achtsamkeitsstrategien, zu denen solche Homeoffice-Privilegierten wie ich
nun gedrängt werden.
Irgendwann möchte man aber die Schwierigkeitsstufe erhöhen. Nicht nur fürs
Nirwana herum meditieren, sondern rein ins Getümmel und die hart erkämpften
Apnoetalente alltagstauglich machen: Coronasport Späti-Apnoe.
Da ich derzeit nicht in den Tauchurlaub reisen kann, liegt ein Kurztrip in
einem Kiosk nahe, denn wie Sie wissen, ist Luft anhalten derzeit nicht nur
ein Bonmot, sondern auch an Land eine Überlebensstrategie. Also habe ich
mit meinem Späti eine Abmachung getroffen. Mit meinen zwei Spätis genau
genommen.
Denn wenn man sich in den 2000ern noch fragte „Wie viele Galerien passen in
die Auguststraße“, so fragt man sich nun: „Wie viele Spätis passen
eigentlich in die Wrangelstraße?“ Ich brauche bei beiden keine Maske,
sondern halte die Luft an, während ich mich mit meinen Bedürfnissen zur
Nacht eindecke.
## Viel Luft in den Torso
Beziehungsweise habe ich ihnen gesagt, dass ich statt [1][Schutzmaske] mit
Taucherbrille und Schnorchel antanzen werde, wenn sie da nicht mitspielen.
(Auch wenn ich weiß, ich hätte die Gunst der Stunde nutzen sollen, als
Masken noch Mangelware waren und Provisorien akzeptabler erschienen.) Auf
der Couch, ruhig liegend, schaffe ich drei Minuten Atempause. 3,43 Minuten
höchstens. Wenn man sich bewegt, wird der Sauerstoff aber in Nullkommanix
verjubelt.
Wenn ich im Späti herumschlendere, schaffe ich nur zwei Minuten. Das passt,
um Gemüsechips, Eis oder ein Bier zu erwerben, aber nur, wenn alles am
gewohnten Platz steht und ich nicht ewig mit fragendem Blick suchend vor
der Auslage stehe, während sich in meinem Gehirn die von Sauerstoffarmut
induzierte Sinnestäuschung ausbreitet.
Vor der Tür sauge ich also demonstrativ viel Luft in meinen Torso, zuerst
in den Buddha-Bauch, dann die geblähte Brust und schließlich ziehe ich die
Schultern hoch, um deutlich zu machen, dass meine Lungen wirklich bis zum
letzten Zipfel voll mit Sauerstoff sind. Nun verschließe ich meinen Mund
mit der Hand und tauche in die Untiefen des Kiosks ein, betrachte die Leute
darin wie Fische und möchte bitte ob dieser Zirkusnummer keine Kritik
hören!
Aber die Fische im Späti entrüsten sich hin und wieder über mich
Maskenlose. Da bleiben mir nur zwei Alternativen: Erklärungsnot oder
Atemnot! Erklärungsnot, weil ich mich nicht wehren kann, denn zum Erklären
meiner Apnoestrategie reicht der Sauerstoff in meinen Lungen dann doch
nicht. Atemnot, sollte ich doch zu einer Erklärung ausholen, weil meinen
Gegenübern der Corona-Geduldsfaden reißt und zum Hai wird. Normalerweise
rettet mich die Verkäuferin. „Apnoe? Wie?!“ – „Luft anhalten, dat kann
die!“
Ich schwöre, ich schummle nicht und atme am Ende durch die Nase, auch wenn
ich schon mit zitternden Fingern meine Münzen aus dem Portemonnaie krame
und den 10er nicht finde. Schließlich bin ich mit meinem Asthma
Risikogruppe. (Verpetzen Sie mich bitte nicht bei meinem Taucharzt.)
30 Jun 2020
## LINKS
[1] /Keine-selbstgenaehte-Maske-fuers-Kind/!5683937
## AUTOREN
Sarah Diehl
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Schwerpunkt Coronavirus
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