# taz.de -- Trauerfeiern in Corona-Zeiten: Abschied mit Mundschutz | |
> Ein Bestatter und Trauerredner erzählt, warum trotz Lockerungen der Zwang | |
> zur bescheidenen Trauerfeier auf vielen Friedhöfen bleibt. Ein Protokoll. | |
Bild: Im Himmel mit Mundschutz | |
„Es gibt diese Sachen zwischen Himmel und Erde, die man nicht endgültig | |
erklären kann. Zum Beispiel, wenn die sterbende Oma wartet, bis alle Kinder | |
und Enkel noch mal da waren. Ich fürchte, dass viele Menschen, die ihren | |
Weg jetzt aus Infektionsschutzgründen alleine gehen mussten, diesen Weg | |
schwerer gegangen sind. Das ist für alle extrem hart. | |
Ich bin seit 2002 in Berlin Bestatter und Trauerredner. Warum ich das | |
geworden bin? Klassische Frage, die höre ich immer wieder. Bei mir war es | |
so: Oma war verstorben. Der Trauerredner hat Namen und Daten verwechselt. | |
Der Urnenträger konnte sich das Lachen nicht verkneifen bei den vielen | |
traurigen Gesichtern. Es war furchtbar. Ich war zu der Zeit sowieso dabei, | |
mich umzuorientieren und hab mich dann querbeet bei Berliner Bestattern | |
beworben als Trauerredner. Nach einem Praktikum habe ich dann bei der IHK | |
eine Ausbildung zum Bestatter gemacht. | |
Die klassischen Aufgaben des Bestatters – Überführung des Verstorbenen in | |
die Kühlräume beziehungsweise ins Krematorium, Beschaffung der Papiere, | |
hygienische Versorgung, Einbettung – Das hat sich alles nicht verändert. Es | |
sei denn: Der Arzt, der die Leichenschau durchgeführt hat, hat auf dem | |
Leichenschein vermerkt: infektiös. Das hatten wir schon mehrfach und dann | |
gelten narürlich besondere Schutzmaßnahmen. Wir tragen dann Overall und | |
Maske, Handschuhe. Die oder der Verstorbene wird in eine sogenannte | |
Hygienehülle verpackt und in den Sarg gelegt. Es wird ansonsten nichts mehr | |
am Verstorbenen vorgenommen vor der Bestattung und es gibt natürlich auch | |
keine Abschiednahme am offenen Sarg für die Angehörigen. | |
Was sich aber für alle Angehörigen verändert hat in den vergangenen Wochen, | |
ist der Umgang mit der Trauerfeier. Alles, was der Bestatter mit den | |
Angehörigen vereinbart hatte – Blumenschmuck, musikalische Untermalung und | |
so weiter – war ja schlagartig hinfällig, weil die Friedhofskapellen | |
weitgehend geschlossen wurden. Das Hauptproblem war, dass alle Friedhöfe | |
unterschiedlich mit den Beschränkungen umgegangen sind: Es gab keine klare | |
Linie und diese Nichtorganisiertheit war für die Bestatter und die | |
Angehörigen eine Katastrophe. | |
## Ein gewisser Galgenhumor | |
Ich erzähl das mal an einem Beispiel: Mit einem evangelischen Friedhof war | |
vereinbart worden, dass bei einer Trauerfeier 10 Personen in die Kapelle | |
dürfen. Und dann stehen wir am nächsten Tag früh um 9 Uhr mit den | |
Angehörigen vor der Kapelle und der Friedhofsmitarbeiter sagt: „Seit heute | |
wird die Kapelle gar nicht mehr aufgeschlossen.“ In diesem und in vielen | |
anderen Fälle haben wir dann eine kleine Trauerfeier direkt am Grab | |
abgehalten. Zum Glück hat das Wetter da mitgespielt. | |
Bei manchen Angehörigen herrschte auch ein gewisser Galgenhumor vor. Da | |
hieß es dann: „Ach er war doch eh immer so bescheiden, hätte ihm gefallen, | |
dass es jetzt nur so ein kleiner Rahmen ist“. Manche wollten jetzt aber | |
auch abwarten, bis sie wieder eine richtige Trauerfeier machen könne. Da | |
wurden die Urnen solange aufbewahrt. Nur Erdbestattungen müssen ja in einer | |
gewissen Zeit stattfinden. | |
Natürlich ändern sich mit den aktuellen Lockerungen für die Bevölkerung | |
auch die Verfahrensweisen auf den Friedhöfen. Angehörige können nun wieder | |
Abschied in Form einer Trauerfeier in der Kapelle mit Redner oder Pfarrer, | |
Organist und individueller Dekoration mit Bezug zum Verstorbenen gestalten. | |
Aber auch das ist auf jedem Friedhof anders und hängt davon ab, wie viele | |
Menschen mit Mindestabstand in die Kapellen passen. | |
Das sind dann zum Beispiel auf einem Friedhof in Westend maximal 35, in | |
einer beliebten Stahnsdorfer Kapelle bis zu 50, auf einem Friedhof in | |
Ruhleben höchstens 20 Trauergäste. Teilweise mit Mundschutz. Wir selbst | |
gestalten in unserer eigenen Trauerhalle wieder Feiern mit bis zu 20 | |
Trauergästen, allerdings weiter ohne Catering. Da orientieren wir uns an | |
den derzeit geltenden Bestimmungen für Cafes und Restaurants. | |
Für die Bestattungsunternehmen bedeuten die ganzen Beschränkungen natürlich | |
auch Umsatzverlust, ist ja klar. Aber ich sehe es als meine allererste | |
Aufgabe, einen Weg zu finden, einen Abschied auch in dieser Zeit pietätvoll | |
und feierlich zu gestalten. Das heißt: Wir achten auf die Regelungen. Aber | |
ich reiße am Grab auch keine Angehörigen auseinander, die sich trauernd in | |
den Armen liegen.“ Protokoll: Manuela Heim | |
20 May 2020 | |
## AUTOREN | |
Manuela Heim | |
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