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# taz.de -- Schule nach Corona: Schulen in den Kiez öffnen
> Besondere Zeiten erfordern besondere Schulkonzepte. Stefanie Remlinger,
> Bildungspolitikerin der Berliner Grünen, will einen „Kleinen Ganztag“.
Bild: Leere Schulen durch Corona
Ein geregelter Schulbetrieb ist unter den Bedingungen der Coronapandemie
nicht möglich. Es ist unklar, wie lange das noch anhalten wird.
Schichtweise Unterricht, verkürzt und in vielen kleinen Lerngruppen, im
digitalen Lernraum und zu Hause, kaum pädagogische Betreuung, geschweige
denn ein verlässliches Ganztagsprogramm – das ist nicht nur für diejenigen
ein Problem, die sozial oder technisch benachteiligt sind und mit dem
selbstbestimmten Lernen nicht zurechtkommen, sondern für alle Familien.
Nach der Überlastung durch Lockdown, Homeoffice und Homeschooling folgt
jetzt die totale Zersplitterung des Tagesablaufs.
Außerdem droht eine Reduktion auf die sogenannten Kernfächer Deutsch,
Mathematik und Englisch. Dem gesetzlichen Auftrag nach umfassender Bildung,
Erziehung und Beteiligung wird der Staat so nicht gerecht.
Eine neue Perspektive könnte der „Kleine Ganztag“ eröffnen. Abgeleitet vom
Konzept Ganztagsunterricht wäre das ein Mischbetrieb für alle Kinder mit
Unterricht in den Kernfächern sowie weiteren Bildungs- und
Betreuungsangeboten, die mindestens eine Kernarbeitszeit abdecken und es
den Eltern erlauben zu arbeiten.
Praktikabel wird das, wenn wir jenseits der Schulgebäude nach zusätzlichen
Bildungsräumen suchen und uns Gedanken machen über die Einbindung weiterer
Berufsgruppen aus dem Bildungskontext. Dafür kämen etwa Volkshochschulen in
Frage sowie kommunale Jugend-, Stadtteil- und Nachbarschaftszentren oder
Bibliotheken. Gleichzeitig könnte das derzeit unterbeschäftigte oder nicht
bezahlte Personal dieser Einrichtungen über eine Honorarvereinbarung
eingebunden und sozial abgesichert werden. Ihre qualitative, künstlerische
oder handwerkliche Arbeit und ihre Netzwerke wären eine Bereicherung für
das schulische Lernen.
Auf organisatorischer Ebene stellt eine derartiger Mischbetrieb einen
erheblichen Aufwand dar. Auf keinen Fall darf dies zu einer zusätzlichen
Belastung für die Lehrkräfte und Schulleitungen werden. Neue lokale
Koordinierungsstellen können das leisten. Sie suchen nach geeigneten
Räumen, verhandeln mit den Einrichtungen, managen die Raumvergaben und den
Informationsfluss in Abstimmung mit den Schulen. Es stehen erfahrene
Bildungsträger bereit, die in der Lage sind, eine solche koordinierende
Rolle zu übernehmen.
## Koordinierungsstellen für neue Teamarbeit
Hierin liegt der Schlüssel für das Neue: Jugend- und Stadtteilzentren,
Volkshochschulen und Bibliotheken gab es schon immer, was es nicht gibt,
ist eine inhaltlich und konzeptionell abgestimmte Zusammenarbeit zwischen
schulischen und außerschulischen Einrichtungen. Das liegt nicht zuletzt
daran, dass Lernen traditionell gleichgesetzt wird mit Unterricht. Formaler
Unterricht aber, samt Prüfungen und Notengebung, darf qua Schulgesetz nur
von Lehrkräften erteilt werden.
An dieser Stelle brauchen wir eine Öffnung und ein neues Verständnis:
Lehrkräfte spielen eine zentrale Rolle beim Lernen und doch ist viel Lernen
auch an anderen Orten und mithilfe von anderen Professionen möglich. Dies
gilt umso mehr, weil es nicht nur um Stofflernen geht. Es geht auch um
Motivation, Neugier, Forschergeist, es geht darum, Probleme lösen zu
können, Gelerntes anzuwenden und immer wieder neue Fragen zu stellen.
Um das zusammenzubringen, soll eine neue Form von Teamarbeit aufgebaut
werden, in der Raum ist für die verschiedenen Ansätze und Methoden der
unterschiedlichen Berufsgruppen. Auch hierbei unterstützen die
Koordinierungsstellen. Sie helfen, bestehende Trennlinien aufzubrechen und
neue Verbindungen zu schaffen: zwischen Schule und Jugendhilfe, zwischen
formalem und informellem Lernen, zwischen Theorie und Praxis.
Und zwischen analog und digital. Denn der Lockdown hat uns gezeigt: Wie
jedes Lernen braucht auch das Lernen mit digitalen Medien den Kontakt zu
realen Menschen an realen Orten. Auch deshalb brauchen wir den
verlässlichen „Kleinen Ganztag“. Wir sollten jetzt damit anfangen, es lohnt
die Anstrengung.
Denn nichts von dem, was wir hier aufbauen, wäre umsonst mit Blick auf die
Zukunft. Herauszufinden, wie qualitativ hochwertiges digitales Lernen
funktioniert, wird von Bedeutung sein auch nach Corona. Je mehr die Kinder
und Jugendlichen am Handy, Tablet oder Laptop hängen – desto mehr sollten
sie damit auch raus dürfen in die Stadt und in den Wald.
30 May 2020
## AUTOREN
Stefanie Remlinger
## TAGS
Grüne Berlin
Schule
Schwerpunkt Coronavirus
Schwerpunkt Coronavirus
Schwerpunkt Coronavirus
Schwerpunkt Coronavirus
Sandra Scheeres
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