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# taz.de -- Neuartiges Doping-Urteil: Verbotene Vollkontakte
> Boxer Felix Sturm wird wegen Dopings und damit verbundener
> Körperverletzung bestraft. Auch Fußballer sollten sich das Urteil
> anschauen.
Bild: Verbotene Hiebe: Felix Sturm traktiert beim WM-Kampf Fjodor Tschudinow
Die 12. Große Strafkammer des Kölner Landgerichts schrieb Rechtsgeschichte.
Ende April verurteilte es [1][den einstigen Box-Star Felix Sturm] in erster
Instanz zu drei Jahren Haft – wegen Steuerdelikten, aber auch wegen Dopings
und einer aus dem Dopingverstoß abgeleiteten Körperverletzung.
Steuerbetrügereien und Doping kennt man bei Profisportlern.
Körperverletzung als Folge von Doping ist neu. Das Gericht argumentierte:
Wer dopt, verletzt die Regeln des Sports. Und zu den Regeln des Boxsports
gehört, dass Athleten, die in einen Kampf einwilligen, sich damit
bereiterklären, die empfangenen Hiebe nicht als Körperverletzung zu werten.
Mit dem Doping setzte Sturm aber diese Regeln außer Kraft, so das Gericht.
Die Dopingprobe stammt aus dem WM-Kampf gegen den Russen Fjodor Tschudinow
im Februar 2016. Sturm wurde positiv auf das Muskelmittel Stanozolol
getestet. Nachgewiesen wurde eine geringe Menge, „nur 16 Picogramm“, wie
Sturms Anwalt Nils Kröber mitteilte. Im Sportrecht reicht dies für eine
Verurteilung. Sturm war das egal. Er beendete seine Karriere.
Im aktuellen Strafverfahren kam das alte Delikte erneut auf den Tisch. Seit
Dezember 2015, zwei Monate also vor dem WM-Kampf, ist Doping ein
Straftatbestand in Deutschland.
## „Messerscharfe Herleitung“
Die Verknüpfung von Doping und Körperverletzung mag wie ein juristischer
Trick wirken. Fachleute halten das aber für legitim. „Das ist eine
messerscharfe juristische Herleitung, die vollkommen zutreffend ist“,
erklärt [2][Michael Lehner, der wohl bekannteste deutsche Dopinganwalt],
gegenüber der taz. „Beim Boxen und auch in anderen Kampfsportarten wird
eingewilligt in eine körperliche Auseinandersetzung. Sie erfolgt nach
bestimmten Regeln. Werden diese Regeln nicht eingehalten, wird auch die
Vereinbarung unwirksam und es handelt sich um Körperverletzung“, begründet
er. Auch Sturms Anwalt Kröber hält die Argumentation des Gerichts für
„grundsätzlich nachvollziehbar“.
Berufung legte er dennoch ein. „Für uns als Verteidigung bleibt es
erforderlich, dass nachgewiesen werden muss, dass vorsätzlich gedopt wurde.
Ich kann nicht aus dem Umkehrschluss folgern, nur weil der Angeklagte
keinen überzeugenden Weg darlegen konnte, wie die Substanz in seinem Körper
kam, muss es zwangsläufig vorsätzliches Doping gewesen sein“, sagt er.
Hintergrund sind die unterschiedlichen Beweislasten im Sportrecht und im
Strafrecht. Im Sportrecht muss der Sportler selbst beweisen, dass eine
verbotene Substanz nicht durch vorsätzliche Einnahme in seinen Körper
gelangt ist. Im Strafrecht muss dem Angeklagten hingegen der Vorsatz
bewiesen werden.
Die Dopingjäger begrüßten das Urteil. „Es hat sicher eine Signalwirkung.
Damit wird eine Tür geöffnet“, sagt Lars Mortsiefer, Justiziar und
Vorstandsmitglied der Nationalen Anti-Doping Agentur. „Ich glaube schon,
dass der einzelne Ermittler, Polizist, Staatsanwalt, sich in Zukunft
genauer die Möglichkeiten anschaut, die durch das Urteil aufgezeigt werden.
Handelt es sich um einen Zweikampfsport? Kann der Ermittler im Falle von
Doping auch eine Körperverletzung annehmen?“ Mortsiefer sieht auch andere
Kontaktsportarten wie Fußball oder Handball als betroffen an. Anwalt Lehner
stimmt zu: „Überall, wo es Vollkontakt Mann gegen Mann oder Frau gegen Frau
gibt, kann das angewendet werden.“ Er sieht sogar neue Anwendungsgebiete:
„Ein Spieler, der verletzt wurde und bislang keinen Anspruch auf
Schadensersatz hatte, könnte jetzt, wenn der Verursacher der Verletzung
gedopt sein sollte, Schadensersatz geltend machen.“
Allerdings dürften solche Fälle in der Praxis eher selten auftreten.
Realistischer ist, dass Staatsanwälte bei Dopingvergehen in Zukunft einen
Verdacht auf Körperverletzung abprüfen. Doper in Kontaktsportarten müssen
jetzt zumindest in Deutschland ihre Risikoabwägung um diesen Punkt
erweitern.
12 May 2020
## LINKS
[1] /Kritik-am-Werbetraeger-unerwuenscht/!5106333
[2] /Rechtsanwalt-ueber-Anti-Doping-Gesetz/!5018962
## AUTOREN
Tom Mustroph
## TAGS
Boxen
Doping
Fußball
Anti-Doping-Agentur
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
Boxen
Frauen-WM 2019
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