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# taz.de -- Übersterblichkeit durch Corona: 160.000 Tote allein in Europa
> Die Corona-Pandemie wirkt offenbar gravierender als bekannt. Anscheinend
> werden in Europa nur drei Viertel aller Covid-19-Opfer erkannt.
Bild: Auf einem Mailänder Friedhof grenzen kleine Kreuze neue Bereiche für Be…
Berlin taz | Die Zahl der Todesopfer während der Coronaepidemie ist
offenbar deutlich größer als bisher bekannt. Das geht aus [1][Grafiken des
European Mortality Monitoring (Euromomo)] hervor, das aktuelle Sterbezahlen
aus 20 europäischen Ländern zusammenträgt. Die daraus erstellten Kurven
schießen nun exorbitant in die Höhe.
Darauf beruhende Rechnungen der taz zeigen, dass seit Ende Februar in
diesen Ländern schon mindestens 160.000 Menschen mehr gestorben sind als zu
dieser Jahreszeit üblich. Die [2][Johns Hopkins University, die eine
weltweit Statistik zur Corona-Epidemie führt, hatte am Montagmorgen] für
die beteiligten Ländern hingegen erst gut 117.000 Covid-19-Tote gezählt.
Der Verdacht liegt also nahe, dass nur drei Viertel der Pandemie-Opfer auch
erkannt werden.
Die Diskrepanz von mehr als 40.000 Toten kann man nicht komplett dem
Coronavirus anlasten. Es ist gut möglich, dass einige Opfer andere
Krankheiten wie etwa Herzinfarkte hatten, die aufgrund der Überlastung der
Krankenhäuser nicht mehr wie üblich behandelt werden konnten. Auch können
erhöhte Sterberaten durch Nebeneffekte des Lockdown nicht komplett
ausgeschlossen werden. Dennoch lässt der massive Anstieg der Zahlen bei
Euromomo vermuten, dass die tatsächliche Zahl der Pandemieopfer um viele
Zehntausend höher liegt als bisher bekannt.
Wer das Ausmaß der Pandemie mit der Zahl der bestätigten Infizierten oder
der als Covid-19-Tote Klassifizierten ermitteln will, steht stets vor dem
Problem, dass eine Dunkelziffer bleibt, die die Hochrechnungen verzerrt.
Bei der Übersterblichkeit nähern sich die Statistiker dem Problem von der
anderen Seite. Sie ermitteln erst anhand von tatsächlichen Todeszahlen
Auffälligkeiten und suchen dann einen Grund dafür. So können Auswirkungen
von Epidemien und anderen Katastrophen im Nachhinein berechnet werden.
So wurde zum Beispiel anhand der auffällig hohen Übersterblichkeit im
Frühjahr 2018 errechnet, dass der damaligen Grippewelle bis zu 25.000
Menschen allein in Deutschland zum Opfer gefallen sein könnten, obwohl nur
gut 1.600 Influenzafälle tatsächlich diagnostiziert wurden.
## Gravierender als jede Grippewelle
Wegen dieser hohen Zahl hatten viele Kritiker die jetzigen
Lockdown-Maßnahmen infrage gestellt. Mittlerweile zeigt sich aber sehr
deutlich, dass die Corona-Pandemie gravierender ist als selbst die
härtesten Grippewellen der vergangenen Jahre. Während es 2017 und 2018 in
den Euromomo-Zahlen maximal zu einer Übersterblichkeit von 10.000 pro Woche
kam, liegt sie in diesem April mehr als dreimal so hoch.
So wurden in der 14. Kalenderwoche 86.380 Tote registriert, üblich wären
nur 54.984 gewesen. Es kamen in der Woche Ende März/Anfang April also
31.000 oder 57 Prozent mehr Menschen ums Leben, als in normalen Zeiten
erwartbar gewesen wäre. Tatsächlich muss diese bereits festgestellte
Exzessmortalität in den nächsten Tagen sogar noch nach oben korrigiert
werden, da laut Euromomo noch gar nicht alle Fallzahlen der letzten Wochen
vorliegen.
Besonders betroffen sind der Süden und Westen Europas. Italien, Frankreich,
Spanien, Belgien, Großbritannien und den Niederlanden wird von Euromomo
aktuell eine „extrem hohe Übersterblichkeit“ attestiert – die höchste
Stufe. Dahinter liegt Schweden mit der Stufe „sehr hoch“. In Norwegen,
Finland, Estland, Griechenland oder auch Österreich hingegen wird derzeit
gar keine Übersterblichkeit registriert.
## Zahlenwüste Deutschland
Deutschland ist ein Sonderfall in dieser Statistik. Zwar ist auch hier
keine Übersterblichkeit zu erkennen. Das könnte aber auch daran liegen,
dass es keine bundesweiten aktuelle Zahlen gibt. Sie werden schlichtweg
nicht erhoben. Bei Euromomo fließen nur Statistiken aus Hessen und Berlin
ein.
Diese beiden Bundesländer sind laut Zahlen des Robert-Koch-Instituts bisher
in der Corona-Epidemie relativ glimpflich davongekommen. So gab es in
Bayern – umgerechnet auf die Einwohnerzahl – bisher zwei- bis dreimal so
viel Corona-Tote wie in Hessen. „Wenn man wenig misst, stellt man wenig
fest“, kritisierte der Virologe [3][Alexander Kekulé daher im Podcast des
MDR]. Hessen und Berlin hält er als alleinige Messgrundlage für die
aktuelle Entwicklung für nicht geeignet.
27 Apr 2020
## LINKS
[1] https://www.euromomo.eu/graphs-and-maps/
[2] https://coronavirus.jhu.edu/map.html
[3] https://www.mdr.de/nachrichten/podcast/kekule-corona/uebersterblichkeit-mor…
## AUTOREN
Gereon Asmuth
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