# taz.de -- Gantz und Netanjahu einigen sich: Israel bekommt große Koalition | |
> Der Oppositionelle Gantz hatte ein Bündnis mit Netanjahus Likud wegen der | |
> Korruptionsklage gegen den Premier lange abgelehnt. Nun einigten sich die | |
> Politiker doch. | |
Bild: Die Vereinbarung beider Parteien beendet Monate des politischen Stillstan… | |
JERUSALEM dpa | Israels rechtskonservativer Regierungschef Benjamin | |
Netanjahu und sein oppositioneller Rivale Benny Gantz haben sich auf die | |
Bildung einer großen Koalition geeinigt. Eine Vereinbarung für eine | |
„nationale Notstandsregierung“ werde im Moment unterzeichnet, teilten | |
Netanjahus Likud-Partei und Gantz' Mitte-Bündnis Blau-Weiß am Montag | |
gemeinsam mit. | |
Nach Medienberichten ist in der großen Koalition eine Rotation im Amt des | |
Ministerpräsidenten vorgesehen. Netanjahu soll als Erster eineinhalb Jahre | |
lang das Amt bekleiden und dann von Gantz abgelöst werden. Die umstrittene | |
Einigung soll eine seit mehr als einem Jahr andauernde Pattsituation | |
zwischen Netanjahus rechts-religiösem Block und dem Mitte-links-Lager um | |
Gantz beenden. Beide Seiten haben betont, angesichts der Corona-Krise sei | |
eine große Koalition notwendig. | |
[1][Die Verhandlungen waren immer wieder ins Stocken geraten]. Blau-Weiß | |
hatte zuletzt gedroht, ohne eine Einigung werde man am Montag im Parlament | |
ein Gesetz einbringen, das eine künftige Beauftragung Netanjahus mit der | |
Regierungsbildung wegen einer Korruptionsanklage gegen ihn verhindern | |
solle. Am Sonntagabend hatten in Tel Aviv Tausende Israelis gegen Netanjahu | |
und aus ihrer Sicht antidemokratische Maßnahmen unter anderem [2][im Kampf | |
gegen das Coronavirus] demonstriert. | |
Ein zentraler Streitpunkt in den Koalitionsverhandlungen war laut | |
Medienberichten die Forderung von Netanjahus Likud-Partei nach einem | |
Vetorecht bei der Besetzung von Richtern. Netanjahu wollte sich demnach | |
außerdem absichern für den Fall einer Entscheidung des obersten Gerichts, | |
dass er wegen einer Korruptionsanklage nicht als Ministerpräsident oder | |
Vize-Ministerpräsident amtieren kann. Er forderte den Angaben zufolge einen | |
Mechanismus zur Umgehung eines solchen Urteils als Teil der | |
Koalitionsvereinbarung. | |
## Übergangsregierung seit Ende 2018 | |
Gantz' Mandat zur Regierungsbildung war nach einer Verlängerung am | |
Mittwochabend ausgelaufen. Präsident Reuven Rivlin gab das Mandat daraufhin | |
dem Parlament. Binnen drei Wochen konnte jeder Abgeordnete – auch Gantz und | |
Netanjahu – versuchen, sich die Unterstützung von 61 der insgesamt 120 | |
Parlamentarier zu sichern. Ohne Einigung hätte Israel zum vierten Mal seit | |
April 2019 ein neues Parlament wählen müssen. | |
Im Streit über den Schritt von Gantz war sein Mitte-Bündnis Blau-Weiß | |
zerbrochen. Er tritt daher nur mit dem verbleibenden Teil von Blau-Weiß in | |
die Koalition ein. Das Restbündnis verfügt über 17 von 120 Mandaten im | |
Parlament, während Netanjahus Likud mit 36 Sitzen stärkste Fraktion wurde. | |
Israel wird seit Ende 2018 von einer Übergangsregierung unter Netanjahu | |
verwaltet. Am 2. März hatten die Bürger zum dritten Mal innerhalb eines | |
Jahres ein neues Parlament gewählt. Dabei gab es erneut keinen klaren | |
Sieger, Gantz erhielt aber den Auftrag zur Regierungsbildung. Netanjahu | |
rief unter Hinweis auf die Coronakrise mehrfach zur Bildung einer | |
Notstandsregierung auf. | |
## Korruptionsprozess gegen Netanjahu beginnt im Mai | |
Gantz hatte bislang eine große Koalition mit der Likud-Partei mit Netanjahu | |
an der Spitze abgelehnt, weil dieser wegen Korruption in drei Fällen | |
angeklagt ist. Mitte März sagte Gantz jedoch im Parlament mit Verweis auf | |
die Coronakrise, er werde sich mit aller Macht für die Bildung einer großen | |
Koalition einsetzen. Kritiker werfen ihm seither vor, er habe sein | |
zentrales Wahlkampfversprechen gebrochen. | |
Aus dem Mitte-links-Lager hatte es scharfe Kritik an Gantz' Schritt | |
gegeben. Jair Lapid gehört zu dem Teil von Blau-Weiß, der Gantz' Schritt | |
vehement ablehnt. Er sagte im vergangenen Monat: „Benny Gantz hat sich | |
Netanjahu kampflos unterworfen und ist in seine Regierung gekrochen.“ Die | |
Coronakrise sei „kein Grund, Werte aufzugeben“. Tamar Sandberg von der | |
Merez-Partei schrieb bei Twitter, der Ex-Militärchef habe sich zum | |
„Fußabtreter eines wegen Korruption Angeklagten, Hetzers und Rassisten | |
gemacht“. | |
Unter dem Eindruck der Coronakrise war der Beginn des Korruptionsprozesses | |
gegen Netanjahu Mitte März verschoben worden. Er soll nun erst am 24. Mai | |
beginnen. Die Generalstaatsanwaltschaft wirft Netanjahu Betrug und Untreue | |
sowie Bestechlichkeit vor. Es geht um den Verdacht der Beeinflussung von | |
Medien, angeblich krumme Deals mit Unternehmen und Luxusgeschenke | |
befreundeter Geschäftsleute im Gegenzug für politische Gefälligkeiten. Der | |
Regierungschef hat alle Vorwürfe zurückgewiesen. | |
20 Apr 2020 | |
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