# taz.de -- Antidiskriminierungsstelle des Bundes: Meist rassistisch motiviert | |
> Fast ein Drittel der gemeldeten Diskriminierungsfälle betraf 2019 die | |
> ethnische Herkunft. Die Betroffenen bräuchten mehr Schutz, fordert die | |
> Linke. | |
Bild: 7. März, Berlin: Demo gegen Rassismus | |
BERLIN taz | Menschen, die wegen rassistischer Diskriminierung Hilfe | |
suchen, machen weiterhin den größten Anteil der Fälle aus, die bei der | |
Antidiskriminierungsstelle des Bundes eingehen. Der Anteil der Anfragen mit | |
Bezug zur ethnischen Herkunft lag 2019 bei über 32 Prozent. Das geht aus | |
der Antwort des Bundesfamilienministeriums auf eine Kleine Anfrage der | |
Linken-Bundestagsabgeordneten Ulla Jelpke hervor, die der taz vorliegt. | |
[1][Im Vorjahr waren es 31 Prozent.] | |
Im Jahr 2019 haben sich demnach 4212 Menschen an die | |
Antidiskriminierungsstelle des Bundes gewandt, in 3545 der Fälle hatten die | |
gemeldeten Diskriminierungsfälle Bezug zu einem der Schutzgründen des | |
Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG). Dazu gehören Diskriminierung | |
wegen des Geschlechts, der ethnischen Herkunft, wegen Behinderung, Alter, | |
Religion, sexueller Identität oder Weltanschauung. Damit entspricht die | |
Fallzahl etwa der des Vorjahres (4216, davon 3455 mit AGG-Bezug). | |
In fast 29 Prozent der Fälle spielte Diskriminierung aufgrund des | |
Geschlechts eine Rolle, auf Platz drei folgt Diskriminierung aufgrund von | |
Behinderung mit 26 Prozent. Mehrfachnennungen sind dabei möglich. Im | |
vergangenen Jahr betrafen die meisten Anfragen (1292) den Zugang zum | |
Arbeitsmarkt, gefolgt von privaten Dienstleistungen und dem Zugang zu | |
Gütern (923). Dazu zählt etwa [2][Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt] | |
oder im Bereich Verkehr oder Personenbeförderung. Für das erste Quartal | |
2020 seien 1253 Anfragen verzeichnet worden. | |
Sowohl aus der Zahl als auch aus der Verteilung der Anfragen ließen sich | |
aber „nur schwer Aussagen ableiten“, erklärt das Ministerium, „da | |
Vulnerabilität, Meldebereitschaft, Sprach- und sonstige Barrieren von | |
Betroffenen sowie das Problem des sogenannten Underreporting“ jeweils sehr | |
unterschiedlich seien, ebenso wie die Häufigkeit und die Verteilung | |
örtlicher Beratungsstrukturen. | |
## Einfluss auf das Meldeverhalten | |
Die Zahl der tatsächlichen Diskriminierungsfälle liegt demnach | |
wahrscheinlich deutlich höher – doch viele Betroffene melden diese Fälle | |
nicht, etwa, weil sie kein deutsch sprechen oder weil sie glauben, eine | |
Meldung werde ohnehin nichts bringen. Zudem stehen ihnen nicht überall | |
gleichermaßen Unterstützungsangebote zur Verfügung, die sie auf einem | |
solchen Weg begleiten könnten. Gleichzeitig kann eine aktuelle öffentliche | |
Diskussion etwa über rassistische Diskriminierung dazu führen, dass sich im | |
Nachgang mehr von Rassismus betroffene Menschen Hilfe suchen. | |
Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes ist eine unabhängige Anlaufstelle | |
für Menschen, die von Diskriminierung betroffen sind. Sie wurde 2006 | |
entsprechend des damals neu eingeführten Allgemeinen | |
Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) eingeführt und soll dieses bekannter | |
machen, sowie Menschen für das Thema Diskriminierung sensibilisieren. | |
Eine Auskunft darüber, wie viele Klagen wegen mutmaßlicher Verstöße gegen | |
das Gleichbehandlungsgesetz es seit dessen Einführung gegeben hat, kann die | |
Bundesregierung nur bedingt geben. Als das Gesetz 2016 evaluiert wurde, | |
seien in der Datenbank juris 3.112 Gerichtsentscheidungen gezählt worden, | |
in denen Bezug auf das AGG genommen wurde. | |
Doch auch diese Zahl könne nur „eingeschränkt Auskunft über AGG-relevante | |
Klagen“ geben. Auch eine „umfassende Einschätzung der Bundesregierung dazu, | |
wie das AGG im Hinblick auf die einzelnen Diskriminierungsmerkmale dazu | |
beigetragen hat, Diskriminierung abzubauen, liegt nicht vor“. | |
## „Schutz verbessern“ | |
„Die Zahl der bei der Antidiskriminierungsstelle des Bundes gemeldeten | |
Diskriminierungsfälle ist nur die Spitze des Eisbergs“, sagte die | |
Abgeordnete von der die Anfrage ausging, Ulla Jelpke, der taz. | |
Diskriminierung sei in Deutschland „eine Alltagserfahrung, der Millionen | |
von Menschen regelmäßig ausgesetzt sind“. | |
Das AGG habe dazu beigetragen, dieses Problem sichtbarer zu machen. „Aber | |
der Schutz für Betroffene muss dringend verbessert werden“, sagte Jelpke. | |
Möglich sei dies etwa durch ein Verbandsklagerecht für qualifizierte | |
Antidiskriminierungsverbände, oder indem der Geltungsbereich des AGG auf | |
staatliche Institutionen ausgeweitet wird. | |
„So könnte beispielsweise ein besserer Schutz für Menschen geschaffen | |
werden, die aus [3][rassistischen Motiven von der Polizei kontrolliert | |
werden].“ Dass die Bundesregierung in der Antwort auf die Kleine Anfrage | |
diesbezüglich lediglich auf die Zuständigkeit der Länder verweist, nannte | |
Jelpke ein „Armutszeugnis“. | |
28 Apr 2020 | |
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## AUTOREN | |
Dinah Riese | |
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