Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Politik und Geschäft in Corona-Zeiten: Burkahass und Maskenpflicht
> Fußballer sollen spielen, Rezo wird zum Populisten und die Kanzlerin
> entscheidet die K-Frage für sich. Maas und Merz sind vergessen.
Bild: Solidarität sucht sich einen neuen Namen – und ein neues Gesicht
taz: Herr Küppersbusch, was war schlecht vergangene Woche?
Friedrich Küppersbusch: [1][Trumps Idee], sich Desinfektionsmittel zu
spritzen, wurde zu schnell wegdiskutiert.
Und was wird besser in dieser?
Bild setzt Merkels fünfte Amtszeit durch.
[2][Norbert Blüm ist tot]. Was rufen Sie ihm nach?
Blüm erzählte, wie Linke 68er bei Opel in Rüsselsheim auf den Werkbänken
revolutionäre parolae latrinae verteilten. Da sei er mit seinen
christlichen Gewerkschaftskumpels noch früher aufgestanden und habe die
Flugblätter vor der Schicht schnell wieder eingesammelt. Er war ein
Entertainer, sein Sohn trommelt bei einer Kölsch-Rock-Band, und der Senior
schwappte auch gern mal über vor folkloristischem Pathos.
Permanenzkarnevalist, Hitsingle „Die Rente ist sischa“. Blüm hatte einen
massiven Anker in der christlichen Soziallehre, konnte das populär
übersetzen und war für den Chef Kohl so der Unabsetzbarste. Paranoid genug,
schickte ihn Kohl trotzdem nach Politisch-Sibirien, um in Düsseldorf ein
paar Wahlen an der Sprachbarriere zu verlieren. Die Pflegeversicherung und
ihre absurde Finanzierung spielte Blüm allen Gegnern spitzbübisch durch die
Hosenträger, mit der vierten Säule der Sozialversicherung steht er im
Geschichtsbuch. Ironie, dass Merkel ihn und alle „Herz-Jesu-Marxisten“
anfangs abräumte, um am Ende selbst blümerant zu regieren. Wer sich mit
Kondolenz schwertut: Norbert Blüm zu respektieren, heißt Friedrich Merz
ärgern.
Tragen Sie [3][eine Maske]? Oder sind solche Fragen schon eine
biopolitische Zumutung?
Bin gespannt, wie Sachsen Vermummungsverbot, Burkahass und Maskenpflicht
langfristig vereinbart. Ich hab ein Halstuch, das ziehe ich bei Bedarf bis
zur Nase hoch und lerne, die Augen der Mitbürger zu lesen. Mimik war ’ne
schöne Sache.
[4][Rezo beschäftigt sich in einem Video] mit Schulöffnungen und Abitur
während der Coronakrise. Ist das das Ende der deutschen Bildungspolitik?
Na so [5][richtig zerstört sieht die CDU inzwischen auch nicht mehr aus].
Rezo lehnt Schulbesuch und Abschlussprüfung unter Corona ab. Sein Fazit: Er
habe keine Lösung, man solle aber die Parteien der sämtlich eingeblendeten
Kultusminister nicht mehr wählen. Keine Lösung haben und alles doof finden
ist – da haben Rezos Kritiker diesmal einen Punkt – von Populismus schwer
zu unterscheiden. „Lehrerzimmer demoliert – Wiederwahl des Schülersprechers
gilt als gesichert“.
Am vergangenen Wochenende hätte der CDU-Parteitag stattfinden sollen. Wer
von den Kandidaten hat sich in der Coronakrise am meisten empfohlen?
Das Unvorstellbare ist passiert: Helmut Schmidt im Trachtenjanker. Stand
heute würde Markus Söder Kanzlerkandidat, der lasche Laschet CDU-Chef und
Merz und Röttgen raus.
Geschafft, die letzten deutschen Touristen sind zu Hause. Was lernen wir
aus der Aktion Luftbrücke?
Dass ein Außenminister bei innerer Krise trotz 240.000 Heimholungen nicht
profitiert. Auf der Spiegel-Umfragetreppe rangieren Steinmeier und Scholz
vor Maas.
Woran müssen Sie als Erstes denken, wenn jemand von „europäischer
Solidarität“ spricht?
Franz Müntefering erzählte mal von sprachkundlichen Umfragen des
Brandt-Hauses: „Solidarität“ habe einen solchen Bedeutungswandel erlitten,
dass die SPD den Begriff habe ausrangieren müssen. Von „Die da oben müssen
auch mal was abgeben“ hin zu „Die wollen mir ans Geld“. Daran dürfte die
Benamung „Solidaritätsbeitrag“ schuld sein. Bei „europäischer
Solidarität“ denkt man an Schurkenstaaten, die keine Flüchtlinge aufnehmen,
und natürlich an Geld. Man sollte also ein anderes Wording finden für
Regeln und Lösungen unter Corona, erst recht für finanzielle Hilfen.
Irgendwas mit „Heimat“ und [6][auf keinen Fall „Eurobonds“].
Verdienen Fußballprofis genug, dass über sie und ihre Gesundheit verfügt
werden darf, als wären sie Roboter?
Fragen Sie mal den BVB, der die Jungs [7][24 Stunden nach einem
Bombenattentat auf den Bandbus wieder auflaufen hieß]. Die Vereine bekommen
derzeit keine Fernsehgelder, und viele Spielerverträge enden im Juni; da
implodiert ein Geschäftsmodell. Sorgen, die der Breitensport gern hätte –
die kleinen Vereine gehen einfach so kaputt. Wenn man ganz sicher gehen
will, dass Corona viele Fußballfans erwischt, muss man Geisterspiele
exklusiv von Sky übertragen lassen, dann sind die Wohnzimmer proppevoll.
Und was machen die Borussen?
Klubchef Watzke trommelt für Spiele ohne Fans. Manche sagen: Schon immer.
Fragen: Ambros Waibel
26 Apr 2020
## LINKS
[1] /US-Praesident-Trump-in-der-Coronakrise/!5680835
[2] /Nachruf-auf-Norbert-Bluem/!5678407
[3] /Fragen-und-Antworten-zu-Masken/!5678470
[4] https://www.youtube.com/watch?v=ZiYLQXS-ufs
[5] /Youtuber-kritisiert-Regierungsparteien/!5597282
[6] /EU-Gipfel-und-Corona/!5680824
[7] /Kolumne-Liebeserklaerung/!5398203
## AUTOREN
Friedrich Küppersbusch
## TAGS
Kolumne Die Woche
Schwerpunkt Coronavirus
CDU
Borussia Dortmund
Markus Söder
Donald Trump
Kolumne Die Woche
Schwerpunkt Fridays For Future
Schwerpunkt Rassismus
Kolumne Die Woche
## ARTIKEL ZUM THEMA
Joko, Klaas, Kemmerich und Corona: Eine Woche mit Verdauungsproblemen
Die Pandemie verschiebt die Koordinaten der politischen Debatte. Längst
Vergangenes kommt wieder hoch – und Fernsehclowns fehlt der Mut.
Demos, Pandemieschutz, Merkel: Appetit auf ein neues Problem
Kann man vom Wohnzimmer aus die Welt retten? Ja, einfach die Hits der
Viruskrise covern! Und möglichst nicht in Sachsen demonstrieren.
Leben in Zeiten von Corona: Zivildienst war 'ne geile Sache
Der Spargel ist systemrelevant, Bankräuber werden plötzlich höflich und
selbst für die Bundesliga gibt's Ersatz. Manches aber bleibt unverändert.
Von Corona bis Dornap: Spargel-Studenten und Meuthen-Meute
Radelnd gegen die Regeln verstoßen, europäische Waffen gegen Orbán und dann
bitte endlich die virtuelle Stadion-Bratwurst.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.