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# taz.de -- Entwurf für die neue Sternbrücke: Ein zu großes Spielzeugbauteil
> Der neue Entwurf für die Sternbrücke in Hamburg ist überdimensioniert.
> Wer darf entscheiden, wie die unsere Stadt aussieht? Wem gehört die
> Stadt?
Bild: Soll abgerissen werden: Sternbrücke in Hamburg
Hast du den Entwurf der neuen Sternbrücke gesehen“, sagt mein Sohn am
Telefon. „Nein“, sage ich und frage mich, was daran so spektakulär sein
soll, dass mein Sohn es im Telefonat mit seiner Mutter erwähnt. Ich finde
es schnell heraus, ein Wunder, dass es mir nicht eher untergekommen ist,
weil es überall ist, auf Facebook, Twitter, auf den Websites der Hamburger
Tageszeitungen, in den regionalen Nachrichten, Vereine, denen ich folge,
reden darüber, es ist ein größeres Thema. [1][Endlich, ein anderes Thema!]
Die Sache ist die: Eine Eisenbahnbrücke scheint marode zu sein, die Bahn
will [2][investieren und eine neue bauen], die natürlich dann auch noch in
vielerlei Hinsicht besser sein soll als die alte. Ein Auftrag wird
vergeben, ein Entwurf wird ausgesucht und präsentiert. Und dann das: Viele
Leute sind entsetzt. Und amüsiert. Amüsiert entsetzt, könnte man vielleicht
sagen. Schon kursieren die ersten Bildmontagen. Die Elbphilharmonie als
Sternbrücke. Andere gigantische Bauwerke als Sternbrücke.
„Die Brücke wirkt auf dem Bild leicht überdimensioniert“, lautet ein
Kommentar zum NDR-Bericht. Höflicher kann man es kaum ausdrücken. Meine
Kinder haben früher auf ihrem Kinderzimmerboden kleine Welten aufgebaut.
Und die Größenverhältnisse waren natürlich manchmal nicht ideal.
Manchmal war ein Mensch größer als ein Haus, und die Schaumstoffbauteile
waren immer zu groß im Verhältnis zu allem. Und so sieht diese Brücke auf
diesem Entwurf aus, als sei sie eines jener Bauteile, die aus einer anderen
Spielreihe stammt und in den aktuellen Verhältnissen falsch dimensioniert
ist.
## Clubs wie hübsche Giftpilze
Das ist das eine. Das andere sind die Clubs, die abgerissen werden sollen.
Ich kenne die Kreuzung unter der Sternbrücke gut. Ich wohne nicht weit weg
und ich sage es mal so, ich würde mir keinen Klappstuhl aufstellen, um dort
einen gemütlichen Nachmittag zu verbringen.
Es ist naturgemäß laut und es stinkt. Aber genau an solchen Orten gedeihen
dann die Clubs wie hübsche Giftpilze, der Lärm ist ihr Humus, der Dreck ihr
Dünger. Niemand beschwert sich über Lärm und biertrinkende Leute auf der
Straße. In der Astra-Stube habe ich einst die nettesten, überraschendsten
Konzerte erlebt.
Für den Neubau müssten die Astra-Stube, Fundbureau und Waagenbau „weichen�…
wie man es ausdrückt. Dann gibt es da auch noch die Beat Boutique, das Soul
Edge und den Brückenstern. „Mit mehreren Live-Clubs und Kneipen ist die
Kreuzung Max-Brauer-Allee/Stresemannstraße einer der hottesten Spots der
Stadt“, heißt es auf der Seite von „Hamburg Tourismus“. Und einer dieser
„hottesten Spots der Stadt“ soll nun also „weichen“?
## Hat Denkmalschutz einen Effekt?
Es ist natürlich alles überhaupt nicht einfach. Weiß ich, ob diese Brücke
abgerissen werden muss? Die Bahn sagt, ja. Die Kulturbehörde sagt, die
Brücke hält noch eine ganze lange Weile, da gibt es also unterschiedliche
Gutachten. Und wenn sie denn abgerissen werden muss, obwohl sie unter
Denkmalschutz steht (was, wie ich immer mehr den Eindruck gewinne, in
Hamburg keine größere Bedeutung hat), kann dann diese Riesenbrücke wirklich
die beste Lösung sein?
Der Denkmalverein Hamburg ist gegen diesen Entwurf und setzt sich für einen
Erhalt der alten Brücke ein, ebenso wie die Initiative Sternbrücke. Der
Bund Deutscher Architekten kritisiert den Abriss, den vorgestellten Entwurf
und gleich auch überhaupt den „Umgang mit dem baulichen Erbe Hamburgs“,
rückblickend auf einige in der Vergangenheit getroffene Entscheidungen.
Der BDA möchte eine öffentliche Beteiligung an der Entscheidungsfindung:
„Verfahren, in dem Tatsachen unter Ausschluss der Öffentlichkeit
herbeigeführt werden, sind abzulehnen“ – und bietet seine Mithilfe an.
Ist das nicht wunderbar? So viele Menschen wollen an der Gestaltung der
Stadt beteiligt werden, sie sorgen sich um ihr Ansehen, ihr Aussehen, ihre
kulturelle Identität. Sie wollen ihre Zeit und Arbeitskraft investieren,
sie möchten gerne unsere Stadt mitgestalten. Ist denn dieser Ruf wieder und
immer noch zu leise? Und über all dem steht die alte Frage: Wem gehört die
Stadt?
22 Apr 2020
## LINKS
[1] /Vom-Rueckzug-ins-Private/!5675476&s=seddig/
[2] /Abriss-der-Hamburger-Sternbruecke/!5676304/
## AUTOREN
Katrin Seddig
## TAGS
Fremd und befremdlich
Sternbrücke
Hamburg
Denkmalschutz
Hamburg
Hamburg
Hamburg Schanzenviertel
Clubszene
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