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# taz.de -- Digitales Engagement in der Corona-Krise: Sofaheldin in Quarantäne
> Manche Menschen müssen etwas tun, wenn um sie alles den Bach runtergeht.
> Sie bekämpfen damit das eigene Ohnmachtsgefühl – und helfen anderen.
Bild: Sofa, Handy – mehr braucht es nicht für das digitale Engagement
Hamburg taz | Die Corona-Krise war noch dabei, sich diesen Namen vollends
zu verdienen, da war die Corona-Hilfe längst angelaufen. Auf Facebook, in
Telegram-Gruppen oder einfach über Whatsapp fanden sich Leute zusammen, die
was tun wollen.
Ich lebe mit einer von ihnen zusammen. Ich nenne sie neuerdings gern
„Sofaheldin“. Wenn dabei anfangs ein leicht spöttischer Unterton
mitschwang, spreche ich das Wort mittlerweile zärtlich und mit einer
Portion Bewunderung aus.
Die Sofaheldin kam vor drei Wochen von einer Dienstreise aus einem Land
zurück, das kurz darauf als [1][Corona-Risikogebiet] eingestuft wurde. Am
Flughafen wurde sie weder registriert noch nach ihrem Befinden gefragt. Sie
begab sich aber sicherheitshalber in freiwillige Selbstquarantäne. In ihrem
Reisegepäck fanden sich Restbestände von Desinfektionsmittel und
[2][FFP3-Atemschutzmasken], die sie vor der Reise in weiser Voraussicht
beschafft hatte, als sie noch leicht verfügbar waren.
Am nächsten Morgen begann die Sofaheldin, auf ihrem Handy die Lage zu
checken. Und die war schlecht. Obdachlosenhilfe – [3][zusammengebrochen].
Arztpraxen [4][ohne Schutzkleidung]. In ein paar Stunden wusste sie, wo der
Schuh drückt. Sie wurde unruhig. Irgendwas musste sie doch tun! Auch wenn
sie nicht aus dem Haus konnte.
## Irgendwas tun!
Desinfektionsmittel und Atemschutzmasken gingen an eine Arztpraxis mit
Corona-Sprechstunde, in der zwei Arzthelferinnen sich bis dahin eine Maske
teilten. Ein paar Tage später lagen neue Atemschutzmasken auf dem
Küchentisch. Wo die herkamen? Sie hatte einen jungen Chinesen aufgetan, der
welche liefern konnte, zu annähernd normalen Preisen. Das [5][Arztmobil]
bekam welche, das in Hamburg Obdachlose versorgt, und die Geflüchtetenhilfe
um die Ecke, die über Nacht auf Lunchpakete für Obdachlose umgestellt
hatte.
Nun ist eine Großbestellung auf dem Weg, die sich mehrere Gruppen und
Institutionen teilen. Eine Pharma-Firma will Masken spenden.
Desinfektionsmittel trudelt in kleinsten Chargen peu à peu aus teils
entlegenen Ecken der Stadt ein. Die Klinik, in der der Arztmobil-Arzt seine
Brötchen verdient, bekommt was davon.
Die Sofaheldin sagt, das sei doch alles nichts. Ist es aber doch. Ein paar
Leute macht all das sehr, sehr glücklich. Und die Sofaheldin wenigstens ein
kleines bisschen weniger unglücklich.
Sie kann das nämlich nicht – einfach so rumsitzen und so tun, als ginge sie
das ganze Elend um sie herum nichts an. Das hält sie nicht aus. Das weiß
ich seit dem Sommer 2015, als vor unserer Haustür [6][Deutschlands größte
Flüchtlingsunterkunft] entstanden war und ich über die Straße gehen musste,
wenn ich sie mal sehen wollte.
## Klatschen auf dem Balkon
Viele Aktivist*innen von damals sind plötzlich wieder da, die Netzwerke
funktionieren wie eine gut geölte Maschine. Als hätten sie nur einen
Winterschlaf gehalten. Sie übersetzen Corona-Informationen in alle
möglichen Sprachen, kümmern sich um Obdachlose ohne Ansehen ihrer Herkunft,
setzen die Stadt unter Druck, wo sie pennt. Und abends klatschen sie auf
dem Balkon.
Am Anfang war mir das suspekt, da dachte ich: Wartet damit doch, bis es
ernst wird. Mittlerweile denke ich: Selbst wenn ihr euch damit vor allem
gegenseitig Mut zuklatscht – auch okay.
Den ganzen Schwerpunkt zur neuen Solidarität in Corona-Zeiten lesen Sie in
der taz am Wochenende – in der gedruckten Ausgabe am Kiosk oder [7][hier].
3 Apr 2020
## LINKS
[1] /Umgang-mit-der-Coronavirus-Krise/!5667313
[2] https://de.wikipedia.org/wiki/Atemschutzmaske
[3] /Hilfe-fuer-Obdachlose-in-Corona-Zeiten/!5673845
[4] /Corona-Tests-in-Hamburg/!5672782
[5] /Arztmobil-fuer-Papierlose-unter-Druck/!5549955
[6] /Fluechtlinge-in-Messehallen/!5219908
[7] /e-kiosk/!114771/
## AUTOREN
Jan Kahlcke
## TAGS
Soziales Engagement
Schwerpunkt Coronavirus
Flüchtlingshilfe
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