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# taz.de -- Ansteckungsrisiko in Pflegeheimen: 15 Tote und eine Frage
> In einem Wolfsburger Pflegeheim sterben 15 Menschen am Corona-Virus. Das
> Heim ist auf Demenzkranke spezialisiert – was die Eindämmung erschwert.
Bild: Pflegekräfte in Schutzkleidung am Hanns-Lilje-Heim in Wolfsburg
Minden taz | Der lang befürchtete Ausbruch kam schnell und mit Wucht:
Binnen einer Woche sind im Wolfsburger Hanns-Lilje-Haus, einem
Diakonie-Pflegeheim für Demenz-Erkrankte, 15 Menschen an dem Coronavirus
gestorben. 72 der 165 Bewohner sind inzwischen infiziert. Wie schon in
Würzburg, wirft der Fall die Frage auf, wie Bewohner in Pflegeheimen gegen
das Virus geschützt werden können.
Das Wolfsburger Heim versucht nun verzweifelt, die Infizierten von den
Nichtinfizierten zu trennen. Alle positiv Getesteten werden in die dritte
Etage verlegt, die durch Schleusen vom Rest des Heimbetriebs getrennt wird.
Den Plan, einen Teil der Bewohner zu evakuieren und in ein leer stehendes
Hotel zu verlegen, hat der Krisenstab wieder verworfen.
Die Einrichtung ist auf hochbetagte Demenzkranke spezialisiert. „Durch eine
Verlegung würde sich ihr Gesundheitszustand rapide verschlechtern“, sagt
Heimleiter Torsten Juch. Der Stress durch die ungewohnte Umgebung schwäche
die Bewohner zusätzlich. Stürze und andere Erkrankungen seien unweigerlich
die Folge. Er hatte sich intensiv mit seinem Kollegen in Würzburg beraten –
[1][im dortigen St.-Nikolaus-Haus hat es einen ähnlichen Ausbruch gegeben],
den bundesweit ersten in Deutschland.
Auf einer Pressekonferenz am Samstag machte Juch deutlich, wie dramatisch
und belastend die Situation für alle Beteiligten sei. „Unsere Bewohner
verstehen nicht, warum sie plötzlich ihre Zimmer nicht mehr verlassen
dürfen.“ Schon der Anblick des Pflegepersonals in Schutzkleidung verstöre
sie so, dass selbst die alltägliche Versorgung schwierig werde.
Normalerweise dürfen sich die Bewohner frei im Haus bewegen, ein
Uhrendummie sendet ein Signal an die Pflegekräfte, wenn sie dabei den
geschützten Raum verlassen – viele an Demenz Erkrankte haben einen hohen
Bewegungsdrang. Der muss nun unterdrückt werden. Auch für die Angehörigen
ist die Situation extrem schwierig: Sie können den Sterbeprozess nicht
begleiten, sich von den Toten nicht verabschieden.
Die Angestellten arbeiteten zur Zeit deutlich mehr als in ihren Verträgen
stünden, zusätzlich seien 28 freiwillige Helfer im Einsatz, ergänzte ein
Sprecher der Diakonie. Zu Testergebnissen beim Personal gab es zunächst
keine Angaben.
Gelangte das Virus durch einen neuen Bewohner ins Haus?
Den ersten Toten hatte das Heim am Montag zu beklagen. Kurz zuvor war ein
Bewohner im Klinikum positiv getestet worden. Noch während umfassende Tests
aller übrigen Bewohner am Donnerstag anliefen, häuften sich die Todesfälle.
Allein am Donnerstag und Freitag starben jeweils vier Bewohner, am Sonntag
drei. Manche völlig ohne Symptome, hieß es aus dem Krisenstab. Diese
Beobachtung hatten die Würzburger Kollegen auch schon berichtet.
Wie das Virus ins Haus kam, ist noch unklar. Das Heim versicherte, man habe
frühzeitig umfangreiche Hygienemaßnahmen ergriffen und ein
[2][Besuchsverbot verhängt]. Heimleiter Juch äußerte den Verdacht, wonach
das Virus möglicherweise mit einem Mitte März neu aufgenommenen Bewohner
ins Heim gelangt sei.
Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) und der hannoversche
Landesbischof Ralf Meister äußerten sich bestürzt über die hohe Zahl der
Toten. „Wir alle blicken mit Anteilnahme und großer Sorge nach Wolfsburg“,
erklärte Weil. Der evangelische Bischof Meister sagte: „Ich bin erschüttert
und tieftraurig. Mein Mitgefühl ist bei den Angehörigen der Verstorbenen.“
Gesundheitsministerin Carola Reimann (SPD) warnte indes, angesichts der
Ereignisse in Wolfsburg „vorschnell Debatten über eine Aufhebung der
Kontaktverbote zu führen und falsche Hoffnungen auf ein schnelles Ende der
Krise zu wecken“.
29 Mar 2020
## LINKS
[1] /Wuerzburger-Seniorenheim-ist-Hotspot/!5674965
[2] /Protokoll-zu-Corona-im-Pflegeheim/!5672937
## AUTOREN
Nadine Conti
## TAGS
Schwerpunkt Coronavirus
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