# taz.de -- Umgang mit der Fanszene: Polizisten als Postboten | |
> Polizisten haben einen Braunschweiger Fußballfan zu Hause besucht, um ihm | |
> eine Vorladung persönlich zu übergeben. Die Fans fühlen sich provoziert. | |
Bild: Eintracht-Fans und Polizei sind sich schon lange nicht grün: hier nach e… | |
BRAUNSCHWEIG taz | Zeit für konstruktive Gespräche wäre jetzt genug. | |
Während der Fußball wegen Corona ruht, könnten die [1][Fanszene] in | |
Braunschweig und die ortsansässige Polizei sich annähern. Aber das | |
Misstrauen ist groß, weil sich der harte Kern der Stadionbesucher von | |
Eintracht Braunschweig durch Ordnungshüter unter Druck gesetzt fühlt. | |
Das jüngste [2][Beispiel] sieht so aus: Die Blau-Gelbe Hilfe, eine aus der | |
Eintracht-Fanszene entstandene Interessenvertretung, unterstellt der | |
Polizei bewusste Einschüchterungsversuche. Beamte haben einen Fan zu Hause | |
besucht, um ihm eine Vorladung persönlich auszuhändigen. „Die Polizei | |
Braunschweig“, heißt es dazu auf der Webseite der Blau-Gelben Hilfe, „hat | |
zum wiederholten Mal versucht, Druck auf einen vermeintlich beschuldigten | |
Eintracht-Fan auszuüben.“ | |
Der Stein des Anstoßes ist aus Sicht der Fanszene und der Polizei eine | |
Kamera. Im Eintracht-Stadion an der Hamburger Straße in Braunschweig ist | |
vor der Saison 2019/20 die Sicherheitstechnik um sechs neue Kameras ergänzt | |
worden. Eine davon wird bei Heimspielen regelmäßig von Zuschauern beklebt | |
und damit dienstunfähig gemacht. | |
Wegen dieser Form von Sachbeschädigung wird gegen einen Fan ermittelt. Eine | |
Vorladung auf dem postalischen Weg hat angeblich nicht geklappt. Also wurde | |
das Schriftstück von Polizisten vor Ort übergeben. | |
## Polizei traut Post nicht | |
„Wir als Behörde müssen ermitteln. Da ist es legitim, eine Vorladung | |
persönlich zuzustellen, wenn sie postalisch nicht zugestellt werden | |
konnte“, sagt Stefan Weinmeister, Pressesprecher der Polizei Braunschweig. | |
Man würde in einem solchen Fall – trotz der Außenwirkung – selbst einen | |
Besuch beim Arbeitgeber für gerechtfertigt halten. | |
Kaum überraschend ist, dass das Vorgehen der Polizei auf Fan-Seite auf | |
wenig Zustimmung stößt. „Das ist unverhältnismäßig und betrifft nicht nur | |
unsere Fanszene. Das hat schon System“, sagt Mike Wasner, Sprecher der | |
Blau-Gelben Hilfe. | |
2017 hatte es ähnliche Vorwürfe gegenüber der Polizei auch im Umfeld des FC | |
St. Pauli gegeben. Hier kam die „Braun-Weiße Hilfe“ zu dem Schluss, dass es | |
sich um gezielte Einschüchterungsversuche der Polizei gegenüber | |
Vereinsanhängern gehandelt habe. | |
Bei den Ermittlungen in Braunschweig, für die am 12. März bei dem | |
Beschuldigten an der Haustür geklingelt wurde, geht es nüchtern betrachtet | |
um eine ganz normale Straftat. Das Bekleben der Überwachungskamera, damit | |
diese keine tauglichen Bilder mehr liefern kann, wird von der Polizei als | |
Manipulation und Sachbeschädigung gewertet. | |
Die Blau-Gelbe Hilfe bestätigt, dass die teure Videoüberwachung immer | |
wieder mit Folie beklebt wird. Diese sei aber leicht ablösbar. Und | |
überhaupt: „Wir wollen keine Straftaten decken. Aber wir möchten gerne | |
wissen: Wer betreibt diese Kameras? Was ist mit dem Datenschutz?“, fragt | |
Wasner für die Blau-Gelbe Hilfe. | |
Die Fronten zwischen Fanszene und Polizei seien verhärtet. Man habe | |
mehrfach einen Dialog angeboten, bekomme aber keine Rückmeldung. Die | |
Polizei wiederum legt Wert darauf, zu betonen, dass man vor allem bezüglich | |
der Kamera in Block Neun viele Gespräche geführt habe. Einer Deinstallation | |
der umstrittenen Überwachungstechnik könne nicht zugestimmt werden. | |
Sind die Kameras im Stadion Teil einer wichtigen Gewaltprävention durch die | |
Polizei oder handelt es sich um eine Provokation gegenüber den Fans? Bei | |
dieser Frage auf einen Nenner zu kommen, scheint beiden Seiten zu | |
misslingen. Dass eine Vorladung an der Haustür, und damit potenziell vor | |
Publikum wie etwa Nachbarn, zugestellt wird, erhitzt die Gemüter. | |
Die Polizei Braunschweig pocht darauf, dass es ihr gutes Recht sei, nicht | |
immer nur Briefe zu schreiben, sondern auch vor Ort zu erscheinen. „Wir | |
setzen etwas um. Und dem Grund des Besuches geht etwas voraus“, sagt | |
Pressesprecher Weinmeister. | |
29 Mar 2020 | |
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## AUTOREN | |
Christian Otto | |
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