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# taz.de -- Luxus und Notwendigkeit: Krise kratzt an Überzeugungen
> Die Regierung hat mit Lädenschließungen in der Corona-Krise gezeigt: Was
> brauchen wir – und was ist nur nett? Den Unterschied sollten wir uns
> merken.
Bild: Von der Bundesregierung als systemrelevant eingestuft: das Handwerk der F…
Auf unseren Wandertouren gilt die Devise: „Wir suchen nur das Nötigste raus
– und nehmen davon dann die Hälfte mit.“ Der Vorteil: Man schleppt nicht so
viel mit sich herum. Und man merkt, wie wenig man eigentlich braucht. Ein
ähnliches Downsizing zeigt auch die Entscheidung von Bund und Ländern am
Beginn der Woche, welche Branchen in der [1][Corona-Krise] schließen müssen
und was offen bleiben muss: Das ist der Unterschied zwischen Luxus und
Notwendigkeit. Was ist uns wirklich wichtig?
Diese Triage am öffentlichen Leben ist vernünftig und kaum umstritten. Das
staatliche Siegel „systemrelevant“ bekommen jetzt Energie- und
Wasserversorgung, Polizei, Feuerwehr, jede Art von medizinischer Hilfe.
Dann zum Beispiel Supermärkte, Banken, Tankstellen, Zeitungskioske,
Reinigungen, Tierbedarfsmärkte (!), Getränkemärkte (!) und Friseure (?).
Ohne die bricht das Land zusammen. Vergessen wurden nur die
Klopapierproduzenten.
Noch interessanter ist, was wir laut dieser offiziellen Liste nicht
brauchen: Schulen, Kitas, Kneipen, Restaurants, Sportplätze, Spielplätze,
Bordelle, Gotteshäuser, Theater und Museen. Motto: „Ist das Kunst? Und kann
das weg?“ Dazu kommt: Auch die deutschen Autokonzerne machen dicht, die
Fluggesellschaften, der Tourismus. Alles plötzlich nicht mehr so wichtig
wie eben gerade noch.
Es fällt auf: Systemrelevante Arbeit wird oft lausig bezahlt: Die
Bedingungen in den Krankenhäusern und Pflegeheimen sind manchmal prekär.
Feuerwehrleute und PolizistInnen werden eher selten reich. Wer im
Supermarkt kassiert oder Regale auffüllt, bekommt ein Extra-Lob der
Kanzlerin, aber oft nur Mindestlohn. Wer Haare schneidet oder Spargel
erntet, oft nicht mal das.
Es macht einen Unterschied, ob wir in der Krise kurz- oder mittelfristig
auf etwas verzichten oder es gänzlich abschaffen. Aber auch wenn es hart
auf hart kommt, sollten wir Kultur nicht als Gedöns begreifen. Ohne sie
wird das Leben zur Legebatterie. Und auch ohne VW müssen die Steuern erst
mal erwirtschaftet werden, von denen die Subventionen für Oper und Theater
bezahlt werden.
## Welchen Luxus gönnen wir uns?
Aber Langeweile in der Quarantäne könnte ja auch zum Nachdenken zwingen:
Welchen Luxus gönnen wir uns? Die Hände öfter mal zu waschen, ist eine gute
Idee, auch wenn gerade nicht die Welt untergeht. Dem Nachbarn was vom
Bäcker mitbringen könnte genauso richtig sein wie Pflegeberufe vernünftig
zu bezahlen. Und vielleicht ist es in Zukunft ja weniger systemrelevant,
was Fußball-Millionäre so meinen, ob die Bestellung im Restaurant gleich
kommt oder ob es für jedes Brötchen einen Kassenbon geben muss.
Bei mir kratzt die Krise jedenfalls schon an den Überzeugungen. Seit alle
Leute husten und niesen und als potenzielle Virenschleudern unterwegs sind,
ertappe ich mich im Supermarkt bei dem Gedanken: Vielleicht ist die Idee
nicht so schlecht, Brokkoli und Äpfel in Plastikfolie zu verpacken.
23 Mar 2020
## LINKS
[1] /Corona-Krise-weltweit/!5672392
## AUTOREN
Bernhard Pötter
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