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# taz.de -- Norddeutsche Ferienorte machen dicht: Touristen nicht mehr willkomm…
> Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern fordern
> Besucher auf, ihre Quartiere zu verlassen. Neue Gäste werden abgewiesen.
Bild: Nicht mehr viel los: der Strand von Schönberg in Schleswig-Holstein in C…
Neumünster taz | Die norddeutschen Ferienorte machen dicht. Hotels,
Campingplätze und Ferienwohnungen müssen ihre Gäste vor die Tür setzen und
für bestimmte Regionen gilt: Betreten verboten. Mit solch rigorosen
Maßnahmen reagieren Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern und
Niedersachsen, in denen Tourismus eine wichtige Säule der Wirtschaft
darstellt, auf die Corona-Krise.
Die drei Landesregierungen haben mittlerweile alle Urlauber aufgefordert,
die Heimreise anzutreten beziehungsweise die Anreise gar nicht erst
anzutreten. Am Mittwoch war der letzte Tag für Touristen in
Schleswig-Holstein. Spätestens am Donnerstag sollen Touristen ihre
Quartiere in Mecklenburg-Vorpommern geräumt haben, sagte
Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD). Sie bezeichnete diese
Entscheidung als „Einschnitt in unsere DNA.“ Und am Mittwoch wies dann das
Land Niedersachsen die Gesundheitsämter an, Übernachtungen für Touristen zu
untersagen. Spätestens bis 25. März müssen dort alle fort sein.
Bereits seit Montag gilt für die Inseln und Halligen an der norddeutschen
Küste, dass nur dort sein darf, wer seinen Erstwohnsitz dort hat, einen
Pflegebedürftigen betreut oder berufliche Gründe nennen kann. Alle anderen
dürfen gar nicht erst auf die Inseln übersetzen. Tourismus, das wichtigste
Wirtschaftsgut der nordfriesischen Inselwelt, hat sich quasi über Nacht in
eine Gefahr für die Einheimischen verwandelt.
„Derzeit gehen Fälle der Erkrankung an COVID-19 zurück auf Kontakte von
Reisen aus Risikogebieten“, heißt es in einem Erlass des
schleswig-holsteinischen Kreises Nordfriesland. „Die Kapazitäten der
Intensivmedizin auf den Inseln und Halligen in Nord- und Ostsee sind nur
in einem eingeschränkten Umfang verfügbar und für eine große Anzahl von
Besucherinnen und Besuchern vom Festland nicht ausgelegt.“
Seit Mittwoch darf in Schleswig-Holstein außerdem kein Restaurant mehr
öffnen − auch nicht bis 18 Uhr. Nur noch der Verkauf außer Haus ist
erlaubt − etwa über einen Lieferservice. Und vor allem werden nun eben
Reisende dringend aufgefordert, das Land zu verlassen. „Reisen aus
touristischem Anlass in das Gebiet des Landes Schleswig-Holstein werden
untersagt. Das kann kontrolliert und ordnungsrechtlich durchgesetzt
werden“, sagte Wirtschafts- und Tourismusminister Bernd Buchholz (FDP) bei
einer Pressekonferenz am Mittwoch.
Möglich bleibt die Anreise „aus anderen privaten oder beruflichen Gründen�…
sagte Ministerpräsident Daniel Günther (CDU). Sprich: Wenn im Ferienhaus
das Dach undicht ist, eine Verwandte versorgt werden muss oder es sonst
einen anderen triftigen Grund gibt, bleibt die Fahrt nach
Schleswig-Holstein erlaubt. Falls es aber bei einer Polizeikontrolle
Zweifel über die Berechtigung gibt, „könnten Menschen zum Umdrehen
gezwungen werden“.
Schleswig-Holsteins Innenminister Hans-Joachim Grote (CDU) erklärte, die
Polizei „setzt wie auch die Landesregierung auf die Vernunft der
Bürgerinnen und Bürger“. Die Landesregierung ist sich darüber im Klaren,
dass „man es ganz abschließend nicht wird kontrollieren können“, aber der
Appell ist klar: „Hamburgerinnen und Hamburger sollen sich bitte nicht auf
den Weg an die See machen“, sagte Buchholz. Mecklenburg-Vorpommern und
Niedersachsen haben ähnliche Regelungen getroffen.
„Dramatisch“, sagt Stefan Scholtis, Hauptgeschäftsführer des Hotel- und
Gaststättenverbands Schleswig-Holstein (Dehoga), zur Lage im Land. Der
Verband vertritt das schleswig-holsteinische Hotel- und Gaststättengewerbe
mit rund 5.200 Betrieben und mehr als 80.000 Beschäftigten. Viele dieser
Betriebe seien jetzt „ihrer Existenz beraubt“, sagt Scholtis.
In der Kieler Geschäftsstelle des Landesverbandes laufen verzweifelte
Anrufe aus allen Teilen des Landes auf, gefragt werde nach
Kurzarbeitergeld, Übergangsfinanzierungen und weiteren Hilfen. Scholtis
verlangt konkrete Angebote aus der Politik: „Die ordnen diese Schließung
an, die müssen nun auch eine Lösung finden.“
Kredite zu günstigen Konditionen seien zu wenig. „Das bringt den Betrieben
nichts, schließlich müssen sie das Geld trotzdem aufbringen“, sagt
Scholtis. Das aber sei schwierig, da jeder Tag mit geschlossener Tür für
den Betrieb verlorene Zeit bedeute. „Sie müssten im Prinzip doppelt so viel
Umsatz machen, um das einzuholen.“ Für viele kleinere Lokale und Pensionen,
die die Masse der Betriebe in Schleswig-Holstein ausmachen, sei eine solche
Steigerung aber kaum möglich.
Scholtis befürchtet dauerhafte Einschnitte: „Inhabern, die ohnehin schon
überlegen, den Betrieb mittelfristig zu schließen, ist die Entscheidung
abgenommen.“ Die Entscheidung, Betriebe zu schließen, hält er überdies für
überzogen: „Jedes Jahr gibt es Tausende Tote durch Influenza, das ist auch
nie ein Grund für solche Maßnahmen gewesen.“
Um der Wirtschaft zu helfen, hat der Kieler Landtag am Mittwoch in einer
verkürzten Sitzung einen Nachtragshaushalt verabschiedet. 500 Millionen
Euro will das Land an neuen Krediten aufnehmen und mit dem Geld ein
Notprogramm für Betriebe besonders betroffener Branchen auflegen. Da der
Kredit gegen die Regeln der Schuldenbremse verstößt, brauchte es eine
Zweidrittelmehrheit des Hauses – die anwesenden Abgeordneten stimmten alle
für das Notprogramm.
19 Mar 2020
## AUTOREN
Esther Geißlinger
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