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# taz.de -- Furcht vor Wiederkehr des Virus: Jetzt meiden Chinesen Ausländer
> Was für eine Wendung: Chinas Gesellschaft bangt es jetzt trotz niedriger
> Infektionszahlen erneut vor Corona – durch Besucher aus dem Ausland.
Bild: Wächter an Eingang zum Dorf Zhuishikou nördlich von Peking: Ausländer …
PEKING taz | Das Landmark Hotel in Pekings Zentrum ist ein futuristischer
Betonklotz. „Die Zimmer sind klein, aber die Betten sehr komfortabel“,
schreibt ein früherer Besucher bei Trip Advisor. Ein anderer bewertet das
Vier-Sterne-Hotel mit nur einem von fünf Punkten: „Im Botschaftsviertel
gelegen. Nicht viel los in der Gegend.“ Die derzeitigen Gäste dürfte jedoch
weder die Lage besonders stören noch das Frühstücksbuffet oder die
Ausstattung des Spa-Bereichs. Denn freiwillig sind sie nicht hier.
An diesem sonnigen Montagmittag fährt eine Notfallambulanz auf den leeren
Parkplatz. Wer sich dem Eingang zur Lobby nähert, wird von zwei Männern in
schwarzer Kleidung mit ausgestreckter Hand gebremst: „Bleiben Sie, wo Sie
sind. Das ist kein Hotel, das ist die Regierung“, sagt einer.
Den Blick in die Lobby kann er jedoch nicht verhindern: Männer sind dort
von Kopf bis Fuß in medizinische Schutzkleidung gehüllt. Ihre Gesichter
sind hinter Atemschutzmasken versteckt. Eine Szene wie aus einem
Science-Fiction-Film.
Seit Montag ist das Hotel für 14 Tage Quarantäneheim für alle nach Peking
Einreisenden aus dem Ausland. Egal, ob sie aus dem Krisengebiet Italien
anreisen oder aus dem mit nur 63 Coronainfizierten betroffenen Russland:
Jeder muss dort seine Zeit in einem Einzelzimmer absitzen, das er die
gesamte Zeit nicht verlassen darf.
Vom deutschen Auswärtigen Amt heißt es, Chinas neue Quarantäneregelung sei
„ohne Erläuterung“ verkündet und über Nacht gültig geworden: „Die Bot…
bemüht sich, Näheres in Erfahrung zu bringen.“
Nur 16 Neuinfektionen hat Chinas nationale Gesundheitskommission am Montag
vermeldet, ein für das bevölkerungsreichste Land der Welt verschwindend
geringe Zahl. [1][Der Kampf gegen das Virus scheint vorerst gewonnen]. Doch
gibt es jetzt eine neue Sorge: importierte Fälle aus dem Ausland. Seit
dieser Woche gibt es mehr Coronatodesfälle außerhalb Chinas als innerhalb.
Würde es sich um einen Katastrophenfilm handeln, wäre die jetzige
Entwicklung ein aberwitziger Plot-Twist, der selbst den tollkühnsten
Drehbuchschreibern nicht einfallen könnte: Die Profifußballmannschaft aus
Wuhan, der Heimat des Coronavirus, hat ihr temporäres Trainingslager in
Spanien wegen der sich dort verschlimmernden Epidemie abgebrochen und ist
nach China zurückgekehrt.
## Jetzt verschickt China Masken
Der US-Technikriese Apple hat inzwischen alle seine Flagship-Stores
geschlossen – bis auf die im chinesischen Festland. Und Chinas
Kommunistische Partei spendet Italien medizinisches Material. „In der
Anfangsphase haben wir Masken aus Deutschland bekommen. Jetzt versuchen wir
Masken aus China nach Deutschland zu schicken“, sagt der [2][Vertreter
einer deutschen Firmen].
Fotos in sozialen Medien zeugen von Auslandschinesen, die in langen
Schlangen an den Einreiseschaltern des Pekinger Flughafens warten. Sie
wollen zurück in ihre Heimat, nachdem sie sich in Europa und Amerika nicht
mehr sicher fühlen.
In Peking berichten Ausländer, dass auffällig viele Chinesen jetzt auf der
Straße einen weiten Bogen um sie machen. Die Staatsmedien berichten von der
Wiedereröffnung des Xiaotangshan-Krankenhauses – eines Feldspitals, das
2003 Sars-Patienten behandelt hatte. Nun wird es nur für aus dem Ausland
kommende Coronafälle genutzt.
„Halten Sie Abstand“, sagt ein Mann mit roter Kappe. Er steht vor der
Dorfeinfahrt der Zhuishikou-Gemeinde, die eine Stunde nördlich der
chinesischen Hauptstadt zwischen kargen Berghängen, Apfelbaumfeldern und
Gräbern aus der Ming-Dynastie liegt.
## „Wer weiß, woher die Ausländer kommen?“
Das 300-Einwohner-Dorf wird von einem kleinen Fluss umkreist, was es wie
eine Burgfestung aussehen lässt. Ein stimmiger Vergleich: Am Dorfeingang
mustert eine ältere Frau den deutschen Reporter argwöhnisch, ein Bauer
sagt: „Wir haben Angst vor Ausländern, wer weiß, woher die kommen.“
Das kurze Gespräch mit dem Dorfwächter ergibt: Seit Ende Januar ist
Zhuishikou vollständig von der Außenwelt abgeriegelt, niemand außer den
Anwohnern darf den Ort betreten. In drei Schichten arbeiten die Senioren
rund um die Uhr.
Langweilig sei sein Dienst schon, sagt der Chinese, aber was könne man
schon machen. Dann fährt eine Frau im BMW die Straße entlang. Der Mann
mustert das Nummernschild, misst die Körpertemperatur der Fahrerin und
lässt sie schließlich passieren.
Der nächste geöffnete Lebensmittelmarkt ist fünf Autominuten entfernt in
einem Nachbardorf, das sich ebenfalls abgeriegelt hat. Auf einem roten
Propagandabanner prangt der Slogan: „Den Kampf gegen das Virus gewinnen
wir!“
Ein Wächter in brauner Steppjacke erklärt: „Nur ein einziger Infizierter
wäre ein Desaster für unser Dorf. Die Quarantäne-Maßnahmen sind das Beste
für mich und auch die Gesellschaft als Ganzes.“
Schon bald mischt sich Zhang Xuequi in die Unterhaltung, eine Dorfärztin in
weißem Kittel. Sie sagt: „Sie sind nicht willkommen hier, schließlich haben
wir keine Ahnung, woher Sie kommen.“ Im Ausland sei der Ausbruch des Virus
viel schlimmer als in China.
17 Mar 2020
## LINKS
[1] /China-und-der-Corona-Virus/!5670018
[2] /Umfrage-der-europaeischen-Handelskammer/!5667746
## AUTOREN
Fabian Kretschmer
## TAGS
Schwerpunkt Rassismus
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KP China
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