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# taz.de -- Moscheevorstand über Morddrohung: „Lassen uns nicht einschüchte…
> Nach Hanau ist vor Hanau: Zwei Wochen nach dem rassistischen Anschlag
> erhält die islamische Gemeinde in Röthenbach am Donnerstag einen
> Drohbrief.
Bild: Der Drohbrief: Die Gemeinde machte ihn auf Facebook öffentlich
Am Donnerstag landete ein Brief in der Ditib Moschee von Röthenbach bei
Nürnberg. In dem blauen Umschlag befand sich eine weiße Karte: auf ihrer
Vorderseite ein lächelndes rosa Schweinchen umringt von Blumen, über dessen
Kopf die Aufschrift „Gutschein“. Auf der Innenseite der Karte prangt in
bedrohlich wirkender Schrift: „Ihr werdet niemals sicher sein!“ Darunter
lag eine Patrone. Fotos davon veröffentlichte der Vorstand der
Moscheegemeinde noch am gleichen Tag auf Facebook.
taz: Herr Çalik, wieso hat sich die Gemeinde dazu entschlossen, den Brief
zu veröffentlichen?
Recep Çalık: Ein Vorstandsmitglied hat den Brief am Donnerstag Nachmittag
geöffnet. Danach standen wir im Vorstand alle erst einmal unter Schock,
haben den Brief aber sofort zur Polizei gebracht und Anzeige erstattet. Wir
waren uns einig darüber, dass alle unsere Mitglieder diese Drohung sehen
sollten, damit wir geschlossen dagegen reagieren können und haben den Brief
dann auf unserer Facebookseite veröffentlicht.
Haben Sie zuvor schon einmal eine Drohung erhalten?
Nein, das war das erste Mal. So etwas haben wir bis jetzt nicht einmal
annähernd erlebt.
Welches Gefühl herrscht jetzt in der Gemeinde?
Ein mulmiges Gefühl. Trotzdem war das Freitagsgebet gut besetzt, womit wir
nicht gerechnet haben. Die Lage ist angespannt, aber trotzdem bleibt
deswegen niemand Zuhause. Die Leute lassen sich nicht einschüchtern. Genau
das ist ja das Ziel der Rechtsextremen.
Wie schätzen Sie die Situation mit Blick auf Hanau ein?
Natürlich haben wir Angst, dass so etwas jetzt auch bei uns passieren
könnte, es ist alles möglich. Wir werden jetzt aber Vorkehrungen treffen,
damit sich eine solche Tat bei uns nicht wiederholt. Aber wir hoffen das
Beste.
Wie sehen diese Vorkehrungen aus?
Die Polizei ist momentan präsent, wir wissen aber noch nicht für wie lange.
Danach müssten wir eventuell privat eine Securityfirma organisieren. Und
wir müssen genau aufpassen, wer in unsere Gemeinde kommt – unbekannte
Gesichter werden wir direkt ansprechen. Innerhalb der Gemeinde sprechen wir
sehr viel über das, was passiert ist. Mehr können wir nicht machen.
Wie groß ist die Unterstützung aus dem Ort?
Heute Morgen waren der Bürgermeister und die Stadträte bei uns. Sie zeigen
sich solidarisch wie immer. Die Nachbarn und die Behörden zeigen uns
ebenfalls ihre Anteilnahme. Wir haben nächsten Mittwoch eine Kundgebung in
Röthenbach gemeinsam mit der Gemeinde geplant.
Fühlen Sie sich in Röthenbach und in Deutschland derzeit noch wohl?
Bevor wir den Brief erhalten haben, haben wir uns besser gefühlt. Aber
dieses mulmige Gefühl, das wir alle gerade fühlen, werden wir überwinden.
Und dann muss es weitergehen. Über die letzten Wochen hinweg hat man ja
gesehen, dass die Islamfeindlichkeit in Deutschland zunimmt. Einige
Politiker tätigen immer wieder Aussagen, ohne darüber nachzudenken, was
gesagt wird, was danach passieren könnte und wer davon ermutigt wird. Das
muss aufhören.
Was erwarten Sie von den Behörden und vom Staat?
Die Schuldigen müssen so schnell wie möglich gefasst werden. Der Staat muss
noch konkreter und härter gegen rechtsextremen, anti-muslimischen Terror
vorgehen. Jetzt muss jeder Größe zeigen – wir akzeptieren keine halben
Sachen mehr.
Wie sprechen Sie mit Jugendlichen oder Kindern innerhalb der Gemeinde über
derartige Drohungen und den Terror von Hanau?
Unsere Kinder bekommen das natürlich auch alles mit und fühlen sich
bedroht. Wir erklären ihnen, dass wir trotz alle dem weitermachen müssen
und dass wir gegen, die die uns einschüchtern wollen ankämpfen werden. Die
meisten Mitglieder leben schon seit über 40 Jahren hier. Das ist unsere
Heimat und wir wollen hier weitermachen.
6 Mar 2020
## AUTOREN
Luisa Kuhn
## TAGS
Schwerpunkt Rassismus
Schwerpunkt Rechter Anschlag in Hanau
Bayern
Schwerpunkt Rechter Terror
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Menschenfeindlichkeit
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