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# taz.de -- Nach der Wahl in Israel: Groko oder Minderheitsregierung
> Gantz oder Netanjahu? Wen beauftragt Israels Präsident mit der
> Regierungsbildung? Eine arabisch unterstützte Minderheitsregierung ist
> möglich.
Bild: Benny Gantz und Benjamin Netanjahu auf Wahlplakaten in Ramat Gan, Israel
Tel Aviv taz | Nach der [1][Wahl in Israel] sollen am Sonntag die Gespräche
zwischen Präsident Reuven Rivlin und Delegierten der Parteien beginnen.
Diese können jeweils eine Empfehlung aussprechen, wen der Präsident mit der
Regierungsbildung beauftragen soll. Die Israelis hatten am 2. März zum
dritten Mal innerhalb eines Jahres ein neues Parlament gewählt, nachdem die
Parteien zweimal an einer Regierungsbildung gescheitert waren.
Doch auch nach dieser Wahl steckt das Land in einer Sackgasse. Weder das
rechtsreligiöse Lager des amtierenden Ministerpräsidenten Benjamin
Netanjahu (Likud) noch das Mitte-links-Lager (Blau-Weiß) seines
Herausforderers Benny Gantz konnte eine eigene Mehrheit erzielen.
Am Donnerstag rief Netanjahu angesichts der [2][Coronakrise] zu einer
„Notfall-Einheitsregierung“ auf, einer Großen Koalition von Likud und
Blau-Weiß. Doch diese dürfte an den gleichen Problemen scheitern, an denen
die bisherigen Verhandlungen über ein Zusammengehen der beiden Parteien
gescheitert sind: Gantz will nicht gemeinsam mit dem wegen
Korruptionsverdachts angeklagten Netanjahu regieren; Netanjahu will die
Führung nicht abgeben und seinen rechtsreligiösen Block nicht aufgeben.
Derweil wird eine andere Option diskutiert: eine Minderheitsregierung unter
blau-weißer Führung mit Beteiligung des rechten Hardliners Avigdor
Lieberman und des sozialdemokratischen Bündnisses Awoda-Gescher-Meretz, die
von [3][der Vereinten Liste] unterstützt würde. Letztere ist ein
Zusammenschluss von vier Parteien – darunter die sozialistische,
arabisch-jüdisch gemischte Partei Chadash sowie die islamische Partei Ram.
Mit 15 Sitzen ist das Bündnis wie schon nach der letzten Wahl im September
2019 drittstärkste Fraktion.
## Lieberman gegen arabische Parteien
Eine Minderheitsregierung wäre eine wackelige Angelegenheit – und eine
Ironie der Geschichte: Lieberman, der die Vereinte Liste offen als
„politischen Feind“ bezeichnet hat, hatte sich im Vorfeld der Wahl 2015
dafür eingesetzt, die 2-Prozent-Hürde auf 3,25 Prozent anzuheben, wohl um
die kleinen arabischen Parteien aus dem Parlament zu vertreiben. Als
Reaktion schlossen diese sich in der Vereinten Liste zusammen, von deren
Unterstützung Lieberman nun abhängig wäre.
Gantz hat seinerseits eine Minderheitsregierung mit Unterstützung der
Vereinten Liste ausgeschlossen, auch um seine Wähler*innen in der Mitte und
von rechts nicht zu verprellen. Viele Israelis machen sich vor allem
Sorgen, wenn es um die Frage geht, wie Israel sich gegenüber den
palästinensischen Gebieten verhält. Ayman Odeh, der Vorsitzende der
Vereinten Liste, erklärte Ende Februar 2020, er würde keine Regierung
unterstützen, die Gaza angreift. Die Vereinte Liste verhandelt derzeit, ob
sie am Sonntag wie nach der Wahl im September Gantz für das Amt des
Ministerpräsidenten empfiehlt.
Laut Gayil Talshir, Politikprofessorin an der Hebräischen Universität
Jerusalem, wird an der Debatte um eine von der Vereinten Liste unterstützen
Minderheitsregierung eine grundlegende Veränderung deutlich: „Die
arabischen Parteien sehen sich nicht mehr nur als Repräsentant*innen der
arabischen Gesellschaft. Sie nehmen eine Rolle in der allgemeinen
israelischen Politik ein“, sagt sie. Bisher haben die arabischen Parteien
nur einmal in der Geschichte Israels eine Regierung unterstützt, als sie
sich 1992 dafür aussprachen, dass Yitzak Rabin Ministerpräsident wird.
Doch egal ob Einheits- oder Minderheitsregierung, eine veränderte Position
in der israelischen Gesellschaft ist den arabischen Parteien sicher: Sollte
es zu einer Einheitsregierung kommen, so wäre zum ersten Mal in der
Geschichte Israels Ayman Odeh, arabischer Vorsitzender eines mehrheitlich
aus arabischen Parteien bestehenden Bündnisses, Oppositionsführer.
13 Mar 2020
## LINKS
[1] /Wahl-in-Israel/!5668264
[2] /Schwerpunkt-Coronavirus/!t5660746/
[3] /Wahl-in-Israel/!5668275
## AUTOREN
Judith Poppe
## TAGS
Israel
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