# taz.de -- Corona-Maßnahmen in Bremen: Eltern haften für die Behörde | |
> Die Bremer Bildungssenatorin empfiehlt wegen Corona, sämtliche | |
> Klassenfahrten ausfallen zu lassen. Die Kosten dafür übernimmt sie | |
> allerdings nicht. | |
Bild: Schulausflüge und Klassenfahrten wie diese fallen in Bremen erst einmal … | |
BREMEN taz | Sämtliche Bremer Schulen haben in diesen Tagen ein Schreiben | |
der Bildungsbehörde bekommen. Was den langen Titel „Leitfaden zum Umgang | |
mit Klassenfahrten und weiteren schulbezogenen Reisen und Besuchen vor dem | |
Hintergrund der [1][Corona-Virus-Ausbreitung]“ trägt, besagt kurz, knapp | |
und mit vielen Unterstreichungen und Fettungen versehen: Alle bereits | |
geplanten Schulfahrten, gleichgültig ob sie in ausgewiesene | |
Corona-Risikogebiete führen oder nicht, fallen aus. Und die Kosten dafür | |
sollen die Eltern übernehmen. Oder die Lehrkräfte. | |
Natürlich steht’s dort so nicht wörtlich. Reisen in Risikogebiete sollen | |
laut dem Behördenbrief, „sofort mit der Reiserücktrittskosten-Versicherung | |
zwecks Übernahme der Kosten“ geklärt werden. „Im Bedarfsfall“ solle „… | |
Hilfestellung durch die zuständige Rechtsreferentin der Behörde“ ersucht | |
werden. Alle weiteren Fahrten, also jene, die nicht in Risikogebiete | |
führen, sollen darauf geprüft werden, ob sie auf einen Zeitraum nach den | |
Sommerferien verschoben werden können. „Ist dies nicht möglich, können wir | |
leider eine Absage nicht vorschreiben, aber empfehlen.“ Hervorhebung im | |
Original. | |
Dieser „Empfehlung“ folgen die Schulen selbstverständlich, was für viele | |
Eltern aber bedeutet: Eine Reiserücktrittskosten-Versicherung greift hier | |
nicht und Vorleistungen, die für bereits gebuchte Veranstaltungen und | |
Ausflüge bezahlt wurden, sind weg, denn, so heißt es in einem an dieser | |
Stelle auch noch extra dafür eigens angelegten Kasten weiter: „Die Vielzahl | |
der Fahrten macht aber eine Kostenübernahme durch die Senatorin für Kinder | |
und Bildung unmöglich.“ Deutlich ist die Botschaft jedenfalls. | |
## Eltern beschweren sich | |
Martin Stoevesandt, Vorstandssprecher des [2][Zentralen Elternbeirats | |
(ZEB)] hat Verständnis dafür, dass die Behörden angesichts des sich | |
ausbreitenden [3][Corona-Virus] reagieren müssen, aber: „Die | |
Endverantwortung in dieser Grundsatzfrage an die Schulen zu delegieren, | |
halte ich für falsch.“ | |
Es seien auch bereits diverse Beschwerden von Eltern beim ZEB eingegangen: | |
„Mehr werden sicherlich folgen.“ Der Grund für die Elternbeschwerden sei | |
simpel: Veranstalter der Fahrt sei schließlich die Schule, die sage jetzt | |
die Veranstaltung ab, auch ohne Reisewarnung, was für die Eltern bedeute: | |
„Dann soll doch der Veranstalter zahlen!“ | |
Stoevesandt glaubt: „Es wird da sicherlich Klagen geben und ich bin sehr | |
gespannt, wie das ausgeht.“ Es gebe bereits Eltern, die sich weigern, | |
fällige Beträge noch zu zahlen. In Vorleistung gegangen sind dann meistens | |
die LehrerInnen. Bleiben die nun auf den Kosten sitzen? | |
Zumindest hier kann sich die Bildungsbehörde nicht wegducken, meint | |
Stoevesandt: „Die Lehrpersonen organisieren diese Reisen im Rahmen ihres | |
Dienstverhältnisses. Hier gibt es zu hundert Prozent einen | |
Erstattungsanspruch gegen den Dienstherren.“ Allerdings hat der ja bloß die | |
Absage „empfohlen“. Und die Verträge mit Busunternehmen und Hotellerie | |
haben die PädagogInnen geschlossen. | |
Der ZEB sei nicht beteiligt worden an dem Leitfaden der Behörde, sagt | |
Stoevesandt. „Ich hätte mir gewünscht, dass erst einmal alles bis zum 30. | |
April abgesagt worden wäre und alles frei stornierbare bis Schuljahresende | |
und dass die Behörde gesagt hätte: Wir teilen uns ohne Anerkennung einer | |
Rechtspflicht die Kosten mit den Eltern.“ Diesen Kompromiss hätte der ZEB | |
bei vorheriger Befassung unterstützt, „nun werden wir die Eltern | |
unterstützen, die nicht zahlen wollen und ihr Geld gerne wieder hätten.“ | |
## Unterfinanzierte Behörde | |
Auch die [4][Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) kritisiert] die | |
Bildungsbehörde scharf. „In einigen Stadtteilen sind die Kosten für die | |
Eltern vielleicht verschmerzbar, aber ich arbeite in Gröpelingen und weiß, | |
dass dort auch viele, die keinen Bremen-Pass haben, sehr wenig Geld haben“, | |
sagt GEW-Sprecherin Barbara Schüll. Dass eine Kostenübernahme generell | |
abgelehnt werde, sei „ein dickes Ding, aber auch ein Ausdruck der | |
unterfinanzierten Bildung in Bremen.“ | |
Angesichts einer solchen Situation wie der momentanen Corona-Krise „muss | |
man sich tatsächlich auch mal die Frage nach dem Sinn und Unsinn der | |
Schuldenbremse stellen – oder die Füße in die Hand nehmen und mal den Bund | |
in die Pflicht nehmen“, sagt Schüll. | |
Auf Nachfrage verweist das Bildungsressort darauf, dass es die Schulfahrten | |
schließlich nicht verboten habe: „Wir empfehlen, verbieten aber nicht.“ | |
Dass die Behörde Letzteres „leider“ nicht könne, geht aus dem Schreiben an | |
die Schulen allerdings ja deutlich hervor. Warum das so ist, erklärt | |
Stoevesandt: „Absagen könnte nur das Gesundheitsamt oder als letzte Instanz | |
der Senat, respektive Herr Bovenschulte. Das ist dann leider | |
dysfunktionaler Föderalismus.“ | |
12 Mar 2020 | |
## LINKS | |
[1] /Massnahmen-gegen-Epidemie/!5667298 | |
[2] https://www.zeb-bremen.de/der-zeb.html | |
[3] /Schwerpunkt-Coronavirus/!t5660746 | |
[4] https://www.gew-hb.de/ | |
## AUTOREN | |
Simone Schnase | |
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