# taz.de -- Künstlerinnen-Demo am Frauentag: Erst die Kinder, dann die Kunst? | |
> In Berlin demonstrierten am Sonntag Frauen und Männer für mehr | |
> „Sichtbarkeit für Künstlerinnen“ – vor der Alten Nationalgalerie. Di… | |
> es nötig. | |
Bild: Demonstration „fair share! Sichtbarkeit für Künstlerinnen“ am 8. M�… | |
BERLIN taz | Vor der Demo noch schnell ins Museum. Am Weltfrauentag war die | |
letzte Gelegenheit, um die Ausstellung „Kampf um Sichtbarkeit. | |
Künstlerinnen der Nationalgalerie vor 1919“ zu sehen. Diese Ausstellung | |
unterstreicht mit Nachdruck die Wichtigkeit der gleich vor der Alten | |
Nationalgalerie stattfindenden Demo. „Fair share!“ lautet ihr Motto. Sie | |
fordert korrespondierend zum Ausstellungstitel mehr „Sichtbarkeit für | |
Künstlerinnen“. | |
In der Alten Nationalgalerie sind im Rahmen der Ausstellung über 60 | |
Kunstwerke von Frauen sehen. Alle Werke gehören zur Sammlung, doch sichtbar | |
waren sie nicht. Die meisten der Kunstwerke lagerten jahrzehntelang im | |
Depot. Da wurden sie jetzt rausgeholt. So weit, so gut. Leider ist die | |
Künstlerinnenquote der Nationalgalerie generell ziemlich miserabel: im | |
Schaubestand hingen bisher fünf Werke von Frauen, das ergibt eine Quote von | |
unter einem Prozent. | |
Menschen drängen sich durch die engen Ausstellungsräume. Zwischen ihnen | |
eine junge Frau im blauen Overall mit der pinkfarbenen Aufschrift „fair | |
share!“. Wohl eine Demonstrantin, die noch schnell die Ausstellung sehen | |
möchte, bevor der Platz vor dem Museum gleich von ihren Mitstreiterinnen | |
besetzt wird. Aufgerufen haben mehrere Bündnisse und Initiativen, die gegen | |
die Schieflage in der Repräsentation von Frauen im Kunstbetrieb ankämpfen. | |
## Kennen Sie diese Künstlerin? | |
Vor den großen Treppen der Nationalgalerie wird ein kleines hölzernes | |
Podium aufgebaut. Frauen aller Generationen tragen pinkfarbene Buttons und | |
Mützen. Manche haben T-Shirts über ihre Mäntel gezogen. Auf ihnen die | |
Frage: Kennen Sie diese Künstlerin? Auf den Rückseiten sind Namen wie Lee | |
Krasner oder Uli Aigner mit weißem Stift geschrieben. Andere halten Masken | |
mit Frauengesichtern hoch. Auch hier die unausgesprochene Frage: Können Sie | |
diese Künstlerinnen erkennen? | |
Die Sonne kommt raus. Mittlerweile stehen über hundert Menschen im | |
Halbkreis. Rachel Kohn vom Frauenmuseum Berlin eröffnet die Demo. 22 | |
Redner*innen wird es geben, nur kurze Impulsbeiträge. Es gibt viel zu | |
sagen. Der Gender Pay Gap in den Künsten liegt bei drastischen 28 Prozent. | |
Wie in der Nationalgalerie sind Künstlerinnen in allen staatlichen sowie | |
den meisten privaten Sammlungen unterrepräsentiert. Auch werden sie | |
seltener von Galerien vertreten. Ihre Kunst wird zu sehr viel geringeren | |
Preisen verkauft. | |
Ein weiteres Problem ist, dass Künstlerinnen mit Kindern kaum unterstützt | |
werden. „Wir müssen endlich auch den Rücken frei haben, um konzentriert | |
arbeiten zu können. So wie die Männer, die morgens ins Büro gehen“, fordert | |
Ines Doleschal vom Bündnis Kunst + Kind Berlin, das heute sein zweijähriges | |
Bestehen feiert. „Für uns hört es nie auf. | |
## Sind die Kinder im Bett, wird die Bewerbung geschrieben | |
Wenn die Kinder im Bett sind, schreiben wir unsere Bewerbungen und | |
gestalten unsere Websites.“ Die Entscheider*innen im Kunstbetrieb müssten | |
mehr mitdenken und Künstlerinnen mit Kind nicht ausklammern. Sorgebedingte | |
Lücken in der Vita müssen akzeptiert werden, Residenzstipendien brauchen | |
Zuschläge für Kinderbetreuungskosten oder müssen ortsungebunden sein. „Wir | |
sind Künstlerinnen der dritten Klasse“, stellt Doleschal fest. | |
In der Menge steht eine Frau mit schwarzer Gorillamaske auf dem Kopf. Das | |
Zeichen der legendären Guerilla Girls, einer feministischen | |
Aktivistengruppe, die bereits in den 1980er Jahren die Frage stellte: | |
Müssen Frauen nackt sein, um ins Metropolitan Museum zu kommen? Und weiter: | |
„Weniger als 5 Prozent der Künstler in der Abteilung der Modernen Kunst | |
sind Frauen, aber 85 Prozent der Akte sind weiblich.“ Das war 1989. Bis | |
heute haben sich diese Zahlen kaum verändert. | |
Um diesen Zustand endlich zu überwinden, fordern die Künstlerinnenverbände | |
eine gendergerechte Gestaltung von zukünftigen Ankaufs- und | |
Ausstellungstätigkeiten. So wie das Baltimore Museum of Art, das in diesem | |
Jahr ausschließlich Kunst von Frauen ankauft. Außerdem brauche man deutlich | |
mehr gezielte Förderungen von Preisen und Stipendien für Künstlerinnen | |
aller Altersstufen. | |
## Hilma af Klint-Biografin Julia Voss ist heute auch da | |
Um an der männlich geprägten Kunstgeschichtsschreibung zu rütteln, müssen | |
auch Forschungsprojekte und Publikationen zu Künstlerinnen gefördert | |
werden. Bücher, wie das über die Malerin Hilma af Klint von der Autorin | |
Julia Voss, die heute auch da ist. Sie hält ein Plakat mit dem Porträt der | |
progressiven Künstlerin hoch, die erst jetzt, 75 Jahre nach ihrem Tod, von | |
der Kunstwelt entdeckt wird. | |
Die Kunsthistorikerin Dorothée Bauerle-Willert nutzt auf dem Podium die | |
Gelegenheit, um an ein ähnliches Schicksal zu erinnern: das von Berthe | |
Morisot. Die Malerin war als Pionierin des Impressionismus an fast allen | |
Ausstellungen der Gruppe beteiligt. Auf ihrem Grabstein aber steht: „Hier | |
liegt die Witwe Eugène Manets.“ | |
9 Mar 2020 | |
## AUTOREN | |
Marlene Militz | |
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