# taz.de -- Cozarinskys „Medium“ auf der Berlinale: Ein Leben mit der Musik | |
> Argentinische Avantgarde der 1970er Jahre: Edgardo Cozarinskys | |
> vielschichtiger Essayfilm „Medium“ über die große Pianistin Margarita | |
> Fernández. | |
Bild: Margarita Fernández in „Medium“ von Edgardo Cozarinsky | |
Behutsam gleiten ihre knochigen Finger stumm über die Tastatur des Pianos, | |
bis Margarita Fernández die ersten Noten aus Brahms’ Intermezzo Nr. 3, Opus | |
117 anschlägt. Vergilbt und zerfleddert sind die Blätter der Partitur. Doch | |
die 93-jährige Pianistin spielt das ihr so vertraute Stück auf dem Flügel | |
in ihrer Wohnung in Buenos Aires aus dem Kopf. Brahms’ Intermezzo Nr. 3 | |
wird zum wiederkehrenden Motiv in „Medium“, Edgardo Cozarinskys | |
unkonventionellem Porträt der argentinischen Ausnahmemusikerin. | |
Nach einem klassischen Kompositionsstudium begann Fernández sich für das | |
„Niemandsland“ an der Schnittstelle von Musik, Theater und Performance zu | |
interessieren. Gemeinsam mit den Musikern Jorge Zulueta und Jacobo Romano | |
gründete sie Anfang der 1970er Jahre die „Grupo de Acción Instrumental“. | |
Die Tänzerin Ana María Stekelman schloss sich ihnen später an. Die | |
Aufführung ihrer Aktion „Una pieza de Franz“ im Juni 1973 im Teatro Coliseo | |
fiel in eine [1][Zeit des politischen Umbruchs in Argentinien]. | |
Damals dokumentierte der gleichnamige Film von Alberto Fischerman das | |
avantgardistische Werk der Gruppe, das Franz Liszts Klaviersonate in | |
h-Moll zum Ausgangspunkt für einen Austausch mit anderen Musikern und | |
künstlerischen Genres nahm. Fischerman kombinierte die Musik zusätzlich mit | |
Bildern der im Juli 1973 mobilisierten Massen, anlässlich der Wahl Héctor | |
José Cámporas zum Präsidenten. | |
Nach Jahren der Repression weckte Cámporas Amnestie der politischen | |
Gefangenen große Hoffnungen. Distanziert blickt die Musikerin nun zurück | |
auf diesen historischen Moment. | |
## Brüche und Neuanfänge | |
Cozarinskys Film über Person und Denken von Margarita Fernández wechselt | |
mit Leichtigkeit zwischen Heute und Gestern, ohne sich mit den Stationen | |
ihrer Biografie zu sehr aufzuhalten. Trotzdem lässt sein Porträt die | |
zahlreichen Brüche und Neuanfänge im Leben der alten Dame erahnen. | |
Damit gelingt dem 1939 in Buenos Aires geborenen Filmkritiker, Filmemacher | |
und Autor ein persönliches Essay, dessen Dramaturgie mit der | |
Vorstellungswelt und der Kunst dieser Frau zu korrespondieren scheint. So | |
porträtiert „Medium“ ein Leben mit der Musik, erzählt aber auch von der | |
Möglichkeit, „das Leben, des Menschen, der sie hört, zu verändern“. | |
Cozarinsky selbst verließ 1974 Argentinien und ging nach Paris. Im selben | |
Jahr assistierte er bei einer Gast-Performance der „Grupo de Acción | |
Instrumental“ in Baden-Baden. Damals pilgerten Fernández, Stekelman und er | |
gemeinsam zu dem nahe gelegenen ehemaligen Wohnhaus von Johannes Brahms. | |
Ausgehend von Margarita Fernández’ Auseinandersetzung mit dem Komponisten | |
und seiner Freundschaft zu der Pianistin Clara Schumann macht er sich für | |
seinen Film nun noch einmal allein auf die Reise zu der mit weißen | |
Schindeln verkleideten Sommerresidenz am Rande des Schwarzwalds. Dort stößt | |
er im Gästebuch auf eine ihm bekannte Notiz: „3 Brahms-Freunde aus Buenos | |
Aires, 19. Mai 1974“. | |
29 Feb 2020 | |
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## AUTOREN | |
Eva-Christina Meier | |
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