# taz.de -- Hanau, Thüringen und Tesla: Deutschlands Politik-Boudoir | |
> Thüringen wird zur Anprobe für neue Polit-Outfits, die Grünen beweisen in | |
> Grünheide Comedy-Potenzial. Und auch sonst ist alles etwas durcheinander. | |
Bild: Armes Opfer: AfD-Politikerin Alice Weidel | |
taz: Herr Küppersbusch, was war schlecht in der vergangenen Woche? | |
Friedrich Küppersbusch: Pilotprojekt Lieberknecht in Thüringen gescheitert. | |
Und was wird besser in dieser? | |
R2G und ein paar CDU-Dissidenten könnten noch mal für Merkel reichen. | |
Nach dem Anschlag von Hanau fanden bundesweit Mahnwachen und | |
Demonstrationen statt. Welche konkreten Forderungen müssen nun an Politik | |
und Behörden gestellt werden? | |
Je früher die Forderung, desto kürzer die Überlegung. Sicher wird zu prüfen | |
sein, wieso der Mörder „den Behörden nicht bekannt“ war, nachdem er als | |
Querulant bei Behörden vorstellig geworden war, und wie dies mit seinen | |
[1][waffenrechtlichen Erlaubnissen harmonierte]. | |
SPD-Generalsekretär Klingbeil hat die AfD als Fall für den | |
Verfassungsschutz bezeichnet. | |
Das tut schon der Chefgrüne Robert Habeck. Björn Höcke kündet in seinem | |
2018er „Gesprächsband“ ein „groß angelegtes Remigrationsprojekt“ an, … | |
dem „wohltemperierte Grausamkeit“ und „menschliche Härten und unschöne | |
Szenen sich nicht immer (werden) vermeiden lassen“. Dagegen war Hitlers | |
„Mein Kampf“ vergleichsweise unterkonkret, was den Holocaust angeht. Schon | |
seither sollten nicht nur die Jugendorganisation und der diffuse „Flügel“ | |
als „Verdachtsfälle“ geführt werden. Sondern amtlich beobachtet, wie auch | |
Höckes Landesverband und bei unklarem Verhältnis zu ihm auch die | |
Bundespartei. | |
Die automatische Selbstbejammerung der AfD bleibt eh nicht aus: Vizin | |
Weidel spricht zu Hanau im Hirnumdrehen bereits von einer „maßlosen | |
Kampagne“ gegen ihresgleichen. Armes Opfer. 60 Prozent der Bundesbürger | |
messen der AfD eine Mitschuld an rechtsextremistisch motivierten Morden zu | |
– die anderen 40 Prozent sind vermutlich Hans-Georg Maaßen. | |
Ist es eigentlich richtig, wenn Medien die Bilder der Ermordeten von | |
Anschlägen zeigen, um ihnen so ein Gesicht zu geben und Anteilnahme | |
auszudrücken? Oder haben nicht auch Opfer ein Recht auf Privatsphäre? | |
1977 schilderte Günter Wallraff in seinem Bild-Enthüllungsbuch „Der | |
Aufmacher“ die dort geübte Technik des „Witwenschüttelns“: Hinterbliebe… | |
wurde eröffnet, „wir können uns natürlich auch ein Foto aus dem | |
Leichenschauhaus besorgen, das sieht dann nicht so gut aus“. Tückisch: | |
Seither wissen offenbar alle, wie es geht. Sogar Bild live, wo 43 Jahre | |
später Reporter Tobias Bayer aus Hanau tremoliert, er „habe mit einigen | |
Angehörigen sprechen können. Die Stimmung hier deutlich aggressiv. Man | |
drohte mir, das Handy aus der Hand zu schlagen.“ | |
Man ahnt, wie das später als hochmoralische journalistische Anteilnahme | |
verkauft werden mag, und wünscht sich dafür den Straftatbestand des | |
Heuchelmordes. Wer die Rechte Ermordeter verletzt, schließt sich damit | |
ihrem Mörder an. Tatsächlich ist und war auch diesmal die Berichterstattung | |
tendenziell täterorientiert. Die taz hielt mit den anonymen Vornamen der | |
Opfer auf dem Titel dagegen. In Hanau [2][demonstrierten weinende | |
Angehörige] mit Fotos der Ermordeten. So geht es. | |
Der Thüringer Fremdenverkehr kann sich über ein Rekordjahr 2019 freuen. | |
Kann sich auch das politische Thüringen 2020 über etwas freuen – oder | |
bleibt das Land ein „failed state“? | |
Nein, „Labor“. In Hessen wurde 1985 aus einer rot-grünen Duldung die erste | |
amtliche Koalition dieser Farben. 2014 lieferte ebenfalls Hessen nach dem | |
Stadtstaat Hamburg die erste schwarz-grüne Koalition. Nun hexenmeistert | |
Nachbar Thüringen. Die CDU dort taugt als Touristenattraktion – von 43 | |
Prozent in 2004 auf aktuell 13 Prozenz in Umfragen, der Erlebnispark | |
Selbstverhorstung. Der nun schon fast tragische Landeschef Mohring hatte | |
zwei Anläufe unternommen, seinen Bundesgouvernanten eine CDU-Linke-Duldung | |
oder gar Groko abzuringen. | |
Man darf in diesem Lichte die Verantwortung für das nachfolgende | |
Kemmerich-Debakel bei der Bundes-CDU sehen. Nun könnte es doch zur Duldung | |
kommen – dann kann CDU-Generalsekretär Ziemiak abtreten. Oder – Labor! –… | |
einer Listenverbindung von Linken und SPD. Auf jeden Fall sollte die | |
Staatskanzlei in Erfurt schon mal in Boudoir umbenannt werden. | |
Bislang kommen alle Kandidaten für den CDU-Vorsitz aus NRW. Macht Sie das | |
etwas stolz? | |
Ich rege mich erst auf, wenn die taz fragt, ob ich ein Rudel alter weißer | |
Männer dufte finde. | |
Auf dem künftigen Gelände der [3][Tesla-Fabrik darf weiter gerodet werden], | |
entschied das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg am Donnerstag. | |
Richtig entschieden? | |
Hat Comedy-Potenzial, wie Grüne erklären, dass man auch nicht für jeden | |
Wald Umstände machen kann. | |
Und was machen die Borussen? | |
Die Süddeutsche attestiert dem BVB beim 2:0 in Bremen „die Seriosität eines | |
Buchhalters“. Jetzt werden die Bayern doch eifersüchtig. Fragen: waam | |
23 Feb 2020 | |
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## AUTOREN | |
Friedrich Küppersbusch | |
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